Waffengeschäft-Affäre
Von Stefan Simons, Paris
Die Affäre war beinahe vergessen, verdrängt. Zeugen waren abgetaucht, Dokumente unter Verschluss, ein Untersuchungsausschuss des französischen Parlaments blieb frustriert in den Ermittlungen stecken. Dennoch kommt die Geschichte um den Verkauf, Schmiergelder und womöglich politische Bestechungszahlungen wieder an die Oberfläche - zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für Frankreichs Präsidenten, der durchblicken lässt, dass er sich 2012 zur Wiederwahl stellen will.
Denn mehr als eineinhalb Jahrzehnte nach dem Abschluss eines millionenschweren Waffengeschäfts zwischen Frankreich und Pakistan droht Nicolas Sarkozy in den Strudel des damit verbundenen Bestechungsskandals zu geraten. Das jedenfalls legt das Buch zweier französischer Autoren nahe, beides Journalisten bei der angesehenen Internetnachrichtenseite Mediapart: "Der Kontrakt-Karatschi, die Affäre, die Sarkozy vergessen möchte."*
Am Anfang der unendlichen Geschichte steht demnach eine schlichte militärische Transaktion: Im September 1994 verkauft Paris nach langen Verhandlungen drei Unterseeboote des Typs Agosta an Pakistan. Das Exportprojekt - Wert umgerechnet 825 Millionen Euro - kommt offenbar nur durch üppige Kommissionszahlungen zustande: Rund 83 Millionen Euro sollten an pakistanische Mittelsmänner und Militärs fließen - satte Zahlungen, aber damals nicht illegal.
Im Gegenzug sollte ein Teil der Schmiergelder offenbar nach Frankreich zurückfließen und dort unter Politikern verteilt werden, die das Geschäft befördert hatten. Zu den Empfängern gehörte angeblich der damalige Ministerpräsident Edouard Balladur, der - so die Vermutungen der beiden Autoren - mit den saftigen Beträgen 1995 seine Präsidentschaftsambitionen finanzieren wollte. Einer seiner Mitarbeiter im Wahlkampf und zudem Sprecher der Balladur-Kampagne war damals - sein Haushaltsminister Sarkozy.
Pech für Balladur und seinen Parteifreund - das Rennen um den Einzug in den Elysée gewinnt Jacques Chirac. Und der frisch gekürte Staatschef, bald konfrontiert mit dem Dossier Agosta und den damit verbundenen Kommissionszahlungen, lässt die Überweisungen nach Pakistan stoppen.
Hundert Zeitzeugen befragt
Ruchbar wird der französisch-pakistanische Deal freilich erst sieben Jahre später, nachdem im Mai 2002 bei einem Sprengstoffanschlag auf einen Bus in Karatschi 14 Menschen ums Leben kommen, darunter elf Mitarbeiter des französischen Schiffbauers DCN. Zunächst glaubten die Ermittler an ein Attentat islamischer Extremisten. Doch bald schon verdichten sich die Hinweise auf die Schmiergelder und mögliche Rücküberweisungen an Entscheidungsträger in Frankreich. Ein Untersuchungsbericht vom September 2002 vermutet diese Version des Ablaufs. Hätten sich also pakistanische Militärs mit dem Attentat dafür gerächt, dass sie bei der Auszahlung der versprochenen Gelder übergangen worden waren?
Es ist eine Fährte, die zunächst wieder zugeschüttet wird: Im Juni 2003 werden freilich zunächst zwei islamische Extremisten als Drahtzieher des Anschlags in Pakistan verurteilt. Erst sechs Jahre später sollen sie wieder freigesprochen werden.
Doch selbst wenn es keine handfesten Beweise für den Zusammenhang zwischen dem mörderischen Attentat von Mai 2002 und den Bestechungszahlungen während der Präsidentschaftskampagne gibt, so zeigen die Autoren, dass sowohl der ehemalige Verteidigungsminister Francois Léotard wie sein Kabinettskollege für den Haushalt, Sarkozy, von dem umfangreichen Waffengeschäft informiert gewesen sein mussten. Die genannten Akteure, darunter auch Ex-Premier Balladur, der Ende April vor dem Parlament Stellung nahm, bestreiten freilich jedes Wissen von illegalen Machenschaften rund um den Agosta-Vertrag.
Das Autorenduo, das für die Publikation mehr als hundert Zeitzeugen befragte, zitiert freilich eine ganze Riege von konservativen Politikern. Diese glauben, Balladur und dessen Parteifreunde hätten seinerzeit von zwielichtigen Überweisungen profitiert und zudem mit libanesischen Geschäftsleuten Kontakte unterhalten. Als zentrale Figur und möglicher Zeuge erscheint dabei immer wieder ein libanesischer Geschäftsmann in Sachen Waffengeschäfte, der sich bester Kontakte zu arabischen wie französischen Politikern rühmt. Ziad Takieddine - "Nicolas Sarkozy ist mein Freund. Ich habe ihn 1993 kennengelernt" - soll bei den Rückzahlungen eine Hauptrolle gespielt zu haben. Der 59-jährige Mittelsmann, der von den Journalisten Lhomme und Afri befragt wurde, ist mit der Darstellung seiner Person allerdings unzufrieden und versuchte, die Verbreitung des Enthüllungsbuches zu verhindern. Ohne Erfolg.
Der Elysée schweigt
Der Elysée reagierte auf die Veröffentlichung ohne publizistisch-juristische Gegenattacke. Denn anders als dem libanesischen Geschäftsmann drohen dem französischen Präsidenten keine strafrechtlichen Verwicklungen - nur der Ruf Sarkozys im bürgerlich-rechten Lager könnte weiter in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Staatschef genießt Immunität, und auch die anderen Politiker dürfen darauf hoffen, von Verfolgung geschützt zu bleiben - trotz der Nachforschungen von sieben Untersuchungsrichtern und einem Parlamentsausschuss: Möglich belastende Dokumente unterliegen durchweg der militärischen Geheimhaltung.
* Fabrice Afri, Fabrice Lhomme : "Le Contract - Karachi, l'affaire que Sarkozy voudrait oublier", Edition Stock.
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