“Meine Einschätzung ist aber, dass wir insgesamt auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen – negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.”
Horst Köhler
What are we fighting for?
Kriege werden nie aus altruistischen Gründen geführt, es geht nicht um Brunnen, Schulen oder gar Frauenrechte. Bestenfalls spielen utilitaristische Motive eine Rolle und die Brunnen, Schulen und Frauenrechte fallen als positive Kollateralschäden bei der eigenen Nutzenmaximierung ab. Die Kriege des Westens werden nicht wegen der Freiheit der Menschen, sondern wegen der Freiheit der Märkte geführt. Die Big Player der freien Märkte sitzen in den Zentren des Westens und immer, wenn sich rückständische Marktwirtschaften dem freien Wettbewerb aussetzen, sind es die Big Player, die sich die neuen Märkte einverleiben.Freie Märkte, von denen der Westen maßgeblich profitiert, können jedoch nur in einem politischen System entstehen, das pluralistisch und repräsentativ demokratisch ist. Hinter den Truppen des britischen Empires kamen die Händler. Auf dem Höhepunkt des Imperialismus kontrollierten mächtige Kolonialhandelsgesellschaften wie die Britische Ostindien-Kompanie sogar „eigene“ Armeen, die unter der Flagge der Kompanie und der des Königs Interessenpolitik mit militärischen Mitteln durchsetzen. Der westliche Imperialismus des 21. Jahrhunderts ist da eher „sophisticated“ – auch heute kommen die „Kompanien“ im rußgeschwärzten Windschatten der Armeen, sie treten allerdings nicht mehr direkt als Kriegsparteien auf, sondern betreiben politische Landschaftspflege.
Chapeau mon president
Horst Köhler hat Recht – die Kriege des Westens werden primär deshalb geführt, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Dies hilft dem Handel, dem Einkommen und in gewisser Art und Weise sogar den Arbeitsplätzen. Der moderne Imperialismus richtet zum Wohl des Zentrums Schaden in der Peripherie an. Es gibt gewichtige Gründe, diesen Imperialismus abzulehnen, zumal er fundamental so ziemlich allen völkerrechtlichen Grundlagen widerspricht. Wer, wie Köhler, diesen Imperialismus nicht ablehnt, sollte ihn allerdings auch selbstbewusst und offensiv verteidigen und sich nicht hinter dem Bau von Schulen und Brunnen, den Frauenrechten oder der Sicherheit im Heimatland verstecken. Über Köhlers ehrliche Positionen kann man diskutieren, über das bigotte Lügengebäude der Tagespolitik nicht.Kein Wunder, dass sowohl Union als auch SPD und Grüne vor Wut im Karree springen, da Köhler ihnen in die Parade gefahren ist. Nur die FDP, die hinter Köhler steht, und die Linke, die froh ist, endlich jemanden gefunden zu haben, der offen die Kriegsgründe anspricht, können mit der ungewöhnlich offenen Art des Präsidenten gut leben. Die wahren Kriegstreiber in diesem Lande sind die moralinsauren Lügner, die Kriege, die nichts mit Humanität zu haben, mit einem humanitären Mäntelchen versehen, da sie dem Volk Sand in die Augen streuen.
Ja, wir führen Krieg am Hindukusch, um die zentral- und südasiatischen Märkte und die Handelswege für Brennstoffe unter demokratischer, also marktliberaler, Kontrolle zu halten. Ja, damit verdient unsere Wirtschaft im Erfolgsfall viel Geld und der Steuerzahler trägt das Risiko, da er den Militäreinsatz finanziert. Ja, unsere Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern sterben für die finanziellen Interessen unserer Eliten – war es denn je anders?
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