Freitag, 28. Mai 2010

Spaniens Generation Weder-Noch

Aus Madrid berichtet Katharina Peters

Sie studieren nicht, und sie arbeiten auch nicht - mit diesem Klischee kämpfen Spaniens Jugendliche. 40 Prozent von ihnen haben keine Stelle, der Jobmarkt muss dringend reformiert werden. Ministerpräsident Zapatero gerät immer stärker unter Druck. Die jungen Menschen wenden sich ab.

Ihre Hochzeit hat Sonsoles García verschoben. Sie hatte eine große Feier im Sommer 2009 geplant. In der Marketing-Abteilung ihrer Firma war sie gerade befördert worden. Doch dann verlor García ihren Job. Die Karriere vorbei, das Fest geplatzt. Sie ist mit 28 Jahren eine von vielen Arbeitslosen in Spanien. Und reiht sich seit einem Jahr immer wieder in die Schlange vorm Arbeitsamt ein.

Anderthalb Stunden wartet sie an diesem Freitag in Madrider Stadtteil Moratalaz, nur um zu erfahren, dass sie keine Beihilfe mehr bekommt. Die Luft ist stickig in dem überfüllten Raum. Die Wände waren mal weiß, heute sind sie abgestoßen. Alte, Junge, Männer, Frauen, Spanier und Einwanderer lehnen sich an.

Mit rund 20 Prozent hat Spanien die zweithöchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. Doch am härtesten hat es die Jugendlichen getroffen. Von den unter 25-jährigen Spaniern haben 40 Prozent keinen Job - innerhalb von zwei Jahren hat sich die Quote verdoppelt. Eine Generation, die K.o. geschlagen wurde, sagen einige. Mutlos und lustlos, sagen andere.

Eine verlorene Generation.
"Du kannst alles erreichen, was du dir vornimmst", verspricht eine schöne Brünette auf einem Poster im Arbeitsamt. Davor füllen zwei Männer mittleren Alters Anträge für Arbeitslosengeld aus.

Einen Job finde ich schnell wieder, dachte Sonsoles García am Anfang. Sie fuhr nach England und meldete sich zu einem Sprachkurs in Bournemouth an, sie blieb sieben Monate. Arbeit gab es in Spanien ohnehin nicht, auch danach nicht. Das Schlimmste ist, dass ich mich ständig sorge, sagt García. Sie ist 28 Jahre alt, hatte sich eine Wohnung gekauft, die Hypothek zahlen nun ihre Eltern. Damit hat sie noch Glück. Das Arbeitsamt hat sie mal zu einem Kurs über Umweltbildung geschickt, doch das war's. Seminare gibt es jetzt auch nicht mehr.

"Gefangen in einem Gefühl der Nutzlosigkeit"
Kurse? Borja Sánchez hat sich schon ein paarmal eingeschrieben, aber gebracht hat das auch nichts. Mit 17 ist er von der Schule abgegangen, hat als Fahrstuhlmechaniker gearbeitet, immer nur befristet. Deswegen erhält er jetzt kein Arbeitslosengeld, aber einen neuen Job findet er auch nicht. Er ist 21, seine Mutter unterstützt ihn.

Borja gehört zu jenen, die wohl am stärksten unter der Krise leiden: junge Männer, schlecht ausgebildet. Als Spaniens Wirtschaft florierte und der Bausektor expandierte, da begingen viele junge Männer einen "historischen Fehler", sagt der Soziologe Luis Garrido. In den Boom-Jahren ließen sich viele von der Idee verführen, dass der Aufschwung niemals endet. Sie arbeiteten auf dem Bau, eine Ausbildung hatten sie nicht. "Sie hatten Geld in der Tasche. Und jetzt können sie nichts mehr bezahlen", sagt Garrido. Die Schulabbrecher leiden nun unter der Krise, 30 Prozent der spanischen Jugendlichen verlassen die Schule ohne mittleren Bildungsabschluss. Garrido fasst das so zusammen: "Je jünger, je schlechter ausgebildet, desto mehr von der Krise betroffen."

Das Problem lähmt die ganze Gesellschaft. Denn wer keinen Job findet, verlässt auch nicht das Elternhaus: Das Phänomen "Nesthocker" hat sich in der Krise noch verschärft. Und wer arbeitslos wird, kehrt wieder zur Familie zurück. Julio Camacho vom Jugendinstitut Injuve nennt das den "Yo-Yo-Effekt". Die Jugendlichen werden von den Eltern aufgefangen - und bleiben von ihnen abhängig.

Vielleicht ist das der Grund, warum die Jugendlichen nicht protestieren. Warum sie nicht auf die Straße gehen. "Wir sprechen von jungen Männern ohne Studium, die bei ihren Eltern leben, gefangen in einem Gefühl der Nutzlosigkeit, dass sich Mühe nicht lohnt", sagt der Soziologe Enrique Gil Calvo.

Der Chef des IWF verlangt eine radikale Reform
"Unbedingt" müsse der Arbeitsmarkt reformiert werden, forderte der ehemalige Wirtschaftsminister Miguel Boyer erst am Mittwoch in der Zeitung "El País". Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, wurde im spanischen Fernsehen noch deutlicher: Der Arbeitsmarkt funktioniere nicht, eine "radikale Reform" sei dringend notwendig. Zu viele Menschen seien arbeitslos, zu viele hätten nur vorübergehend Arbeit und müssten mit befristeten Verträge leben, mahnte Strauss-Kahn am Montagabend.

Tatsächlich gibt es eine große Kluft in Spanien: Angestellte mit unbefristeten Verträgen profitieren von einem rigiden Kündigungsschutz und erhalten bei einer Entlassung sehr hohe Abfindungen. Gekündigt wird daher vor allem den Beschäftigten mit Zeitverträgen. Jeder Vierte arbeitete im vergangenen Jahr unter diesen Bedingungen. In Deutschland war es nur jeder Zehnte. Besonders die jungen Menschen müssen häufig diese kurzfristigen Verträge - die sie einfach nur "Müllverträge" nennen - annehmen. Neueinsteiger haben kaum Chancen auf einen regulären Job. Viele junge Akademiker bezeichnen sich selbst als "Mileuristas", zu Deutsch 1000-Euro-Verdiener.

Das Arbeitsministerium hat vorgeschlagen, die Vergütung für Unter-30-Jährige anzuheben und den Jugendlichen mehr und bessere Ausbildungsverträge zu sichern. "Die Jugend hat allen Grund, kritisch zu sein", sagt Maravillas Rojo, Generalsekretärin für Beschäftigung im Arbeitsministerium. "Wir haben ihn nicht richtig vermittelt, wie sich die Arbeitswelt verändert hat. Wir müssen ihnen mehr Möglichkeiten eröffnen."

Zapatero peitscht Sparpaket durch das Parlament
Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero gerät dabei immer stärker unter Druck. Nicht nur der IWF, auch die europäischen Partner drängen zu Reformen. Hatte er sich vor wenigen Wochen noch optimistisch gegeben, von steigenden Steuereinnahmen nach überwundener Rezession gesprochen und den Beamten Gehaltserhöhungen gewährt, vollzog Zapatero nun eine Kehrtwende.

Am Donnerstag peitschte er einen harten Sparplan mit nur einer Stimme Mehrheit durch das Parlament. Das Paket soll helfen, das Staatsdefizit zu drücken. Binnen drei Jahren will Zapatero den Haushalt um 65 Milliarden Euro entlasten, dafür die Löhne im öffentlichen Dienst kürzen und Sozialausgaben zurückführen. Doch das Votum fiel denkbar knapp aus - keine Oppositionspartei stimmte mit ihm.

Der sozialistische Premier steht nun für harte soziale Einschnitte. Da hilft auch keine "Reichensteuer", die er einführen will. 81 Prozent der Spanier meinen einer Umfrage von "El País" zufolge, dass die Regierung auf die Krise nicht die richtige Antwort gefunden hat.

Ausgerechnet das wichtige Projekt Arbeitsmarktreform stockt. Die Gespräche von Regierung, Gewerkschaften und Wirtschaftsvertretern sind festgefahren. "Die Dinge laufen nicht allzu gut, und es ist möglich, dass die Regierung den Arbeitsmarkt über ein königliches Dekret reformieren muss", gab der Fraktionssprecher der regierenden Sozialisten, José Antonio Alonso, zu. Wenn es bis zum Monatsende keine Einigung gebe, würden die Sozialisten das Gesetz im Alleingang durchboxen. Am Freitag wurden die Gespräche erneut vertagt.

Die Gewerkschaften gaben sich schon zuvor kampfeslustig. Der Chef der Gewerkschaft CCOO kündigte am Montag an, das Land stehe einem Generalstreik näher als noch vor einer Woche. Dennoch wäre es ihm lieber, wenn es nicht so weit komme. "Ein Generalstreik wäre für Spanien das Schlimmste", sagte er. Eine Einigung bei den Arbeitsmarktreformen sei weiterhin möglich.

Zapatero macht denn auch Druck: Er rufe die gesamte Gesellschaft auf, "so bald wie möglich zu einer Einigung zu kommen, damit junge Menschen leichter Arbeit finden und diejenigen mit befristetem Arbeitsvertrag sich größere Hoffnungen auf eine sichere Stelle machen können". Das Arbeitsministerium hofft, mit einer Arbeitsvermittlung im Internet mehr junge Menschen zu erreichen. "Wenn wir miteinander verbunden sind, ist es einfacher", wirbt das Ministerium auf Plakaten und in Annoncen.

Generation "Ni-Ni"
Doch der Zusammenhalt bröckelt. Schon sind die Jugendlichen als Generation "Ni-Ni" abgestempelt. Die Abkürzung steht für "ni estudian, ni trabajan" - weder studieren sie, noch arbeiten sie. Eine faule Jugend, die sich bei den Eltern ausruht und sich von ihnen aushalten lässt, das ist das Bild, das durch Spanien schwirrt. In einer Reality-Soap wurden Exemplare dieser Generation über mehrere Wochen gefilmt, wie sie von Psychologen dazu angeleitet wurden, "Projekte zu finden, die ihnen Spaß bringen und sie in ihrem künftigen Leben motivieren", so die Beschreibung des Senders. Das Programm hatte magere Einschaltquoten und löste vor allem durch sexuelle Übergriffe der Insassen Empörung aus.

Doch nicht die "Ni-Ni" sind das Problem - laut Jugendinstitut Injuve sind tatsächlich nur äußerst wenige Jugendliche faule "Ni-Nis" -, sondern die fehlenden Chancen. Einige junge Menschen wandern aus. Andere studieren wieder.

Auch Sonsoles García hat sich an der Fernuniversität für einen MBA eingeschrieben. Sie wollte in ein paar Jahren Kinder bekommen, aber diesen Plan hat sie, wie die Hochzeit, erst einmal verschoben: "Um Familie zu haben, braucht man ja Geld."

Wie Spanien den Bankenkollaps verhindern will

Das Land erholt sich mühevoll von einer schweren Rezession. Der Bankensektor schwächelt. Die Pleitegefahr unter den Sparkassen wächst und bringt das Finanzsystem in Gefahr. Die Notenbank hält dagegen und lässt auch den Sektor bluten. Ein Erklärstück. von Tobias Bayer  Frankfurt und Georgia Hädicke, Frankfurt
 
In Spanien ist die Immobilienblase geplatzt. Doch die Aufräumarbeiten im Bankensektor beginnen erst langsam. Nach Schätzung der Notenbank nahm der Finanzsektor Immobilien im Umfang von 60 Mrd. Euro auf die Bilanz - durch Zwangsvollstreckungen, Käufe oder Umschuldungen ("Debt-to-assets-Swaps"). Gerade die Sparkassen - Cajas genannt - ächzen unter den Lasten. Bisher allerdings mussten "nur" zwei Institute gestützt werden.
 
Der Notenbank geht der Prozess zu langsam. Sie forciert den Totalumbau im Sparkassensektor. Am Donnerstagabend verabschiedete sie deshalb härtere Abschreiberegeln für Immobilienkredite, die - so die Absicht - die Cajas zum Handeln zwingen. FTD.de stellt die neuen Vorschriften vor - und beantwortet die wichtigsten Fragen.
 
Die spanische Notenbank verschärft die Bewertungsvorschriften für Immobilienkredite. Künftig müssen Kredite, die 90 Tage lang nicht bedient wurden, innerhalb eines Jahres vollständig wertberichtigt werden. Bisher muss für derartige notleidende Darlehen die notwendige Vorsorge stufenweise innerhalb von zwei bis sechs Jahren gebildet werden.
 
Darüberhinaus müssen die Banken künftig schneller und drastischer ihre Risikovorsorge anpassen. Übernimmt ein Kreditinstitut eine Immobilie, weil der Schuldner nicht zahlen kann, dann wird nach der neuen Vorschrift ein Puffer von 30 Prozent fällig, sofern die Vermögenswerte für mehr als zwei Jahre auf der Bilanz bleiben. Bereits nach zwölf Monaten muss die Risikovorsorge bei 20 Prozent liegen.
 
Die härteren Regeln dürften die Ertragskraft der Banken erheblich schwächen. Nach Schätzungen der Notenbank würde eine Anhebung der Risikovorsorge um zwei Prozent den Vorsteuergewinn 2010 um durchschnittlich zehn Prozent drücken. Die Konsequenz davon: Der Druck auf die Cajas, sich zusammenzuschließen, steigt.
 
"Das ist auf jeden Fall positiv zu werten. Die Regeln beschleunigen den Konsolidierungsprozess", sagte Citigroup-Analyst Ignacio Moreno. "Das alles kommt rechtzeitig. Investoren hätten sonst vielleicht befürchtet, dass die Notenbank ihre Aufsichtspolitik etwas abmildert." In den nächsten Wochen seien deshalb mehr Zusammenschlüsse von Cajas zu erwarten, so Moreno.
 
Spaniens Wirtschaftsministerin Elena Salgado macht den Cajas BeineSpaniens Wirtschaftsministerin Elena Salgado macht den Cajas Beine
 
Die spanische Notenbank hat ein ehrgeiziges Ziel. Von 45 Sparkassen sollen bis Mitte dieses Jahres nur 15 bis 20 übrig bleiben. Wegen Widerständen in der Lokalpolitik liegen die Cajas hinter dem Plan zurück. Laut ihrem Verband verhandelten momentan 23 Institute über ein Zusammengehen. Wirtschaftsministerin Elena Salgado fordert die Regionalregierungen und Sparkassen auf, ihre persönlichen Interessen zurückzustellen.
 
Richtig erhört wird die Botschaft aber nicht. Die Sparkasse Bancaja aus Valencia sitzt bei einer Bilanzsumme von 111 Mrd. Euro auf einem Immobilienrisiko von 4,5 Mrd. Euro. Das entspreche rund 116 Prozent des Eigenkapitals, hieß es in einem Bericht von Nomura. Dennoch beharrt das Institut laut einem Bericht von "El País" auf seiner Eigenständigkeit. Eine Sitzung des Verwaltungsrats sei mit eben diesem Resultat geendet, schrieb die Zeitung.
 
Eine Fusion ist kein Allheilmittel. Oft verschmelzen die Sparkassen nur auf dem Papier. Sie bilden gemeinsam ein Sistema Institucional de Protección (SIP). Dabei vereinen die beteiligten Geldinstitute ihr Kapital in einer Holding und vereinbaren, sich gegenseitig Liquidität zu versorgen, wenn einer der Partner ins Straucheln geraten sollte. Die Sparkassen behalten jedoch ihren eigenen Rechtsstatus, eine wirkliche Verschmelzung findet nicht statt. Dadurch werden die nötigen Einschnitte wie Filialschließung und Mitarbeiterabbau oft umgangen.
 
Besonders beliebt sind die SIP oder auch "kalte Fusionen" bei den Regionalpolitikern, die ihren Einfluss auf lokale Geldhäuser möglichst behalten wollen. Daher stimmen sie einem SIP meist eher zu, besonders wenn sich Sparkassen aus unterschiedlichen Regionen zusammenschließen. Zuletzt kündigten die vier Sparkassen Caja Mediterráneo, Cajastur, Caja Cantabria und Caja Extremadura solch eine kalte Fusion an, die sie zum fünftgrößten Institut in Spanien machen wird. Da die SIPs ebenfalls den Restrukturierungsfonds für Banken (den spanischen FROB) anzapfen dürfen, erhalten diese vier Sparkassen ebenfalls Geld: 1,6 Mrd. Euro. Das ist der Höchstsatz, den Institute beantragen können.
 
Die vom spanischen Staat unterstützte Sparkasse CajaSur wird nach Angaben der spanischen Notenbank eine Finanzspritze rund 800 Mio. Euro aus dem Bankenrettungsfond FROB erhalten. Nach Einschätzung der Banco de Espana ist dieser Betrag notwendig, damit das Institut wieder auf die vorgeschriebene Deckung von 8 Prozent ihres Eigenkapitals kommt. Die Notenbank hatte am Pfingstwochenende einschreiten müssen, als Verhandlungen zwischen der CajaSur und der Unicaja über einen Zusammenschluss endgültig gescheitert waren. Sonst hätte der Sparkasse, die der katholischen Kirche gehört, die Pleite gedroht.
 
Die spanischen Banken hängen am Tropf der EZBDie spanischen Banken hängen am Tropf der EZB
Die spanischen Banken müssen bis Ende nächsten Jahres nach Schätzung der Deutschen Bank 125 Mrd. Euro an fällig werdenden Anleihen umschulden. Auf die Sparkassen entfalle rund die Hälfte davon, schrieb Deutsche-Bank-Analyst Carlos Berastain in einem Researchbericht: "Für uns ist Liquidität die größte Sorge. Aus Sicht der Refinanzierung sehen wir die Sparkassen in einer sehr schwachen und riskanten Position."
 
Die Institute sind deshalb abhängig von der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hinterlegen in Frankfurt im Rahmen eines Repogeschäfts Wertpapiere und erhalten im Gegenzug Bargeld. Laut der spanischen Notenbank erhöhten die Banken ihre Leihgeschäfte mit der EZB im April auf den höchsten Stand seit 18 Monaten. 89,4 Mrd. Euro nahm der Sektor über Darlehen mit einer Laufzeit von drei Monaten auf. Das entspricht etwa 13,5 Prozent der gesamten von der EZB ausgereichten Mittel. "Wir gehen davon aus, dass den spanischen Banken genügend Wege offenstehen, um ihren Liquiditätsbedarf zu decken", schrieb Berastain.
 
Spanien hat weiter - im Gegensatz zu Griechenland - freien Zugang zum Kapitalmarkt. Allerdings verteuert sich die Geldaufnahme. Diese Woche nahm das Land 3,1 Mrd. Euro über die Emission von drei- und sechsmonatigen Schatzwechseln auf. Zwar gab es genügend Nachfrage, die geforderte Rendite war jedoch gegenüber Ende März um 32 beziehungsweise 78 Basispunkte höher, gegenüber Ende April lag der Zusatzaufschlag bei 13 und 53 Basispunkten. "Diese Spitze bei den Refinanzierungskosten ist der Angst um die spanischen Sparkassen geschuldet", sagte David Watts, Analyst beim Researchhaus Creditsights.
 
Alarmierend ist aber der Rückgang der Kaufinteressen für spanische Staatspapiere. Lag die Nachfrage nach dreimonatigen Schatzwechseln Mitte Februar noch beim sechsfachen des Emissionsvolumens, so sackte die Quote bis Mai auf den Faktor 3,1 ab. Bei sechsmonatigen Schwatzwechseln ging die Überdeckung von 3,2 auf 1,9 zurück. Auch bei längeren Laufzeiten stockt es. So musste sich Spanien bei der Begabe von 12- bis 18-monatigen Papieren nur mit 6,44 Mrd. Euro anstatt der angepeilten 8 Mrd. Euro zufrieden geben. "Die rückläufige Nachfrage ist noch besorgniserregender als die höheren Kosten", sagte Watts.

Zapateros Regierung kämpft ums Überleben

Sein Sparpaket bekam er mit hauchdünner Mehrheit durchs Parlament. Trotzdem könnten die Tage des spanischen Regierungschefs gezählt sein. Bei der Arbeitsmarktreform und beim Haushalt steht sein Amt auf dem Spiel.
 
Nach dem Zittersieg bei der Abstimmung über das spanische 15-Mrd.-Euro-Sparpaket warten auf die sozialistische Minderheitsregierung von José Luis Rodríguez Zapatero bereits neue Herausforderungen. An der Arbeitsmarktreform und dem Haushalt für 2011 könnte seine Regierung zerbrechen, zumal sie von der Unterstützung der Opposition abhängig ist.
 
Spaniens Premier Zapatero steht an der Spitze einer ...
Spaniens Premier Zapatero steht an der Spitze einer Minderheitsregierung
Auch auf den traditionellen Verbündeten, die Gewerkschaften, kann Zapatero nicht setzen. Im Gegenteil: Die Arbeitnehmerorganisationen drohen mit Streiks, um das Sparprogramm zu Fall zu bringen. Die Opposition fordert bereits Neuwahlen.
 
Die politische Unsicherheit dürfte auch die Finanzmärkte beunruhigen. Spanien steht dort unter besonderer Beobachtung. Investoren befürchten, dass die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone angesichts der Schuldenkrise und seiner hohen Verbindlichkeiten wie Griechenland ins Straucheln geraten könnte.
 
Das Sparprogramm passierte das Parlament am Donnerstag mit der denkbar knappen Mehrheit von einer Stimme. Es ging nur durch, weil sich Abgeordnete von Regionalparteien der Stimme enthielten. Die Sozialisten verfügen über keine eigene Mehrheit im Parlament. "Sie sind wirklich komplett auf sich alleine gestellt. Sie haben ihre 169 Stimmen, und das war's", sagte Juan Diez vom Institut Analisis Sociologicos, Economicos y Politicos. Eine Abstimmungsniederlage wäre wohl das Ende der Regierung Zapatero gewesen.
 
Bei Neuwahlen dürften die Sozialisten kaum eine Chance haben. In Meinungsumfragen liegen die oppositionellen Konservativen von der Partido Popular deutlich vor ihnen: Laut der Zeitung "El Paìs" liegen Zapateros Sozialisten neun Prozentpunkte zurück. Gerade die desolate Lage auf dem Arbeitsmarkt macht Zapatero zu schaffen: Die Arbeitslosenquote beläuft sich auf 20 Prozent.
 
Eine Reform der verkrusteten Strukturen auf dem Arbeitsmarkt gilt als Schlüssel zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Doch die Verhandlungen zwischen Regierung, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden laufen schlecht. Das räumt selbst die Regierung ein. Im Notfall müsste sie die Reformen im Alleingang durchsetzen.

Nun hat Spanien auch noch ein Deflationsproblem

Die Regierung spart, die Wirtschaft muss wettbewerbsfähiger werden. Aus Sicht einiger Volkswirte droht Spanien das Schicksal Japans - und eine lange Phase fallender Preise. Nur Optimisten halten dagegen. von Tobias Bayer  Frankfurt
 
Der harte Sparkurs der spanischen Regierung schürt die Angst vor einer Deflation. Da dem Land aufgrund der Mitgliedschaft in der Euro-Zone die Abwertung der Währung nicht möglich ist, ist nach Ansicht von Volkswirten Lohnzurückhaltung der einzige Weg, um wieder an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. Kombiniert mit geringeren Staatsausgaben könnte das eine Periode fallender Preise einläuten "Das ist ein Anpassungsmechanismus, um wieder wettbewerbsfähiger zu werden", sagte Luigi Speranza, Volkswirt bei BNP Paribas.
 
Erste Anzeichen gibt es. Im April war die Kerninflation - das ist der Anstieg der Verbraucherpreise, wobei Energie und Lebensmittel ausgeklammert werden - zum ersten Mal seit Beginn der Datenaufzeichnung negativ. Zum Vergleich: Der europäische Durchschnitt lag bei einem Plus von 0,8 Prozent. Das ist bemerkenswert, da die Teuerungsrate Spaniens normalerweise über dem europäischen Durchschnitt liegt.
 
Im Mai legten die Verbraucherpreise nach einer ersten Schätzung um 1,8 Prozent zu. Das ist etwas mehr als erwartet. Klaus Baader, Volkswirt bei Société Générale, geht indes davon aus, dass die Kerninflation gegenüber April nur um 0,1 Prozent zunahm. "Die Differenz zwischen der Haupt- und der Kernrate wird sehr groß bleiben. Das liegt an der Verteuerung von Alkohol, Tabak und Energie infolge von Steuererhöhungen", sagte Baader.
 
Für das Land ist die Preisentwicklung gefährlich. Spanien erholt sich von einer zweijährigen Rezession. Doch die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 20 Prozent. Zudem ist der spanische Bankensektor angeschlagen. Die Sparkassen - Cajas genannt - ächzen unter problematischen Immobilienkrediten. Sinkt die Teuerung, steigt die reale Schuldenlast.
Impulse von der Regierung sind nicht zu erwarten. Ministerpräsident José Luis Rogríguez Zapatero verschärft den Sparkurs, um das das drittgrößte Haushaltsdefizit in der Euro-Zone von 11,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken und damit internationale Investoren zu beruhigen. Die Regierung strebt bis 2013 den Abbau auf drei Prozent an.
 
Zapatero brachte deshalb ein zusätzliches Sparpaket im Umfang von 15 Mrd. Euro auf den Weg, das am Donnerstag durch das Parlament verabschiedet wurde. Die Einschnitte treffen vor allem die Rentner und die Beamten. Zudem soll die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent erhöht werden. Um die wütenden Proteste der Gewerkschaften zu beruhigen, verordnete Zapatero seinen Ministern eine Gehaltskürzung und stellte baldige Steuererhöhungen für die rund 50.000 spanischen Großverdiener in Aussicht.
 
Die Ratingagenturen begrüßen das, sehen aber Risiken wegen des Widerstands. "Das alles geht in die richtige Richtung", sagte Kreditanalystin Myriam Fernandez de Heredia von Standard & Poor's (S&P) Bloomberg TV. "Allerdings besteht das Risiko, dass die Sparpläne nicht umgesetzt werden." Die S&P-Analystin drängt Madrid zu weiteren Schritten. Wichtig sei die Reform des Arbeitsmarkts. Eine solche "Flexibilisierung" würde die Kreditwürdigkeit des Landes positiv beeinflussen.
 
Einsparungen der Regierung allein werden Spanien nicht helfen. Seit 1990 kletterten die Lohnstückkosten in dem südeuropäischen Land um 20 Prozent. Einige Analysten sind allerdings der Ansicht, dass Deflation dennoch nicht das wahrscheinlichste Szenario darstellt. "20 Prozent höhere Lohnstückkosten bedeuten nicht automatisch, dass Spanien die Lohnstückkosten jetzt um 20 Prozent drücken muss, um seine Leistungsbilanz wieder auszugleichen", sagte Gilles Moec, Analyst der Deutschen Bank.
 
Sein Argument: Das Wiedererlangen der Wettbewerbsfähigkeit hängt auch von der Lohnentwicklung im Ausland ab. "Damit die spanischen Exporte mit dem gleichen Tempo wachsen wie die Nachfrage aus dem Ausland, reicht es aus, dass sich die Lohnstückkosten stabilisieren. Sie dürfen nicht schneller wachsen als im Ausland. Die Geschwindigkeit der Anpassung der Leistungsbilanz hängt dann von der heimischen und ausländischen Nachfrage ab", schrieb Moec in einem Researchbericht.
 
In einem Modell kommt er unter bestimmten Annahmen zum Schluss, dass das Leistungsbilanzdefizit in knapp drei Jahren geschlossen werden kann - und das ohne Deflation. "Die Rechnung zeigt, dass es einen gangbaren Weg für die spanische Wirtschaft geben kann." Angenehm wird das dennoch nicht: Das Wachstum werde in den kommenden Jahren unter einem Prozent liegen. Andere Länder hätten solch Phasen auch schon durchgemacht: "Deutschland wuchs zwischen 2000 und 2005 jährlich nur um 0,5 Prozent."

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