Montag, 25. Juni 2007

Wenn sich die US-Armee wie die Mafia anfühlt

General Antonio Taguba sollte die Vorfälle im irakischen Abu Ghraib untersuchen. Doch er wurde gefeuert - und vergleicht nun die Zustände beim US-Militär mit der Mafia. Ex-Verteidigungsminister Rumsfeld wirft er vor, den Kongress belogen zu haben.

Nach der Aufdeckung der geheimen CIA-Verhörlager für al-Qaida-Internierte in Ostmitteleuropa 2005 hat die US-Regierung eine neue solche Einrichtung in Mauretanien eröffnet. Das schreibt der Journalist Seymour Hersh in der jüngsten Ausgabe des Magazins „New Yorker“. Geheimflüge der CIA dorthin seien wesentlich leichter vor der Öffentlichkeit zu verbergen gewesen als in Europa. Ob das Lager noch besteht, schreibt Hersh nicht. In den vergangenen Wochen hatte es aus anderen Quellen geheißen, auch in Äthiopien gebe es ein solches CIA-Lager.

Hersh befasst sich in seinem Artikel hauptsächlich mit den Hintergründen der Untersuchung zu den Foltervorwürfen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib. Er hat erstmals General Antonio Taguba interviewen können, der am 31. Januar 2004 vom Pentagon beauftragt wurde, das Verhalten der in Abu Ghraib tätigen 800. Brigade der US-Militärpolizei zu untersuchen. Der Taguba-Report wurde im Frühjahr fertiggestellt und Anfang Mai der Presse zugespielt, freilich nur der nicht geheime Teil.

Taguba erhebt im Gespräch mit Hersh den Vorwurf, der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe den Kongress über seine Kenntnis des Geschehens belogen, und zwar unter Eid. Taguba sagt weiter, seine eigene Karriere sei mit dem Abu Ghraib-Auftrag besiegelt gewesen. Enge Freunde im Militär hätten ihn plötzlich nicht mehr gekannt oder nur noch eisig behandelt. Er nennt Beispiele dafür, dass ihm Generäle sagten, sie wollten die Bilder nicht sehen. Denn wenn man sie gesehen habe, sei man Teil der Untersuchung. 2006 wurde Taguba telefonisch zum 1.Januar 2007 entlassen, ohne Angabe von Gründen.

Der Vorwurf der eidlichen Falschaussage könnte für Donald Rumsfeld Folgen haben. Rumsfeld musste am 7.Mai 2004 dem Kongress Rede und Antwort stehen. Damals gab Rumsfeld an, er habe die Fotos aus Abu Ghraib erstmals am Abend des 6.Mai gesehen, und vorher allenfalls Gerüchte gehört. Taguba sagte nun Hersh, zwei Tage nachdem der interne Ermittlerdienst der Armee am 13.Januar 2004 die Fotos erhalten habe, seien der Direktor des Generalstabs sowie der engste Militärberater Rumsfelds per E-mail über den Inhalt informiert worden. Er selber habe seinen Bericht „an Dutzende Stellen im Pentagon“ gesandt.

Wenige Wochen nachdem der Report in die Medien gelangt war, fuhr Taguba mit dem damaligen Oberbefehlshaber des Kommandos Mitte, General John Abizaid, in einer Limousine. Abizaid sagte Taguba: „Sie und Ihr Bericht werden untersucht werden.“ Taguba sagte zu Hersh, er habe sich zum ersten Mal im Militär wie bei der Mafia gefühlt.

Taguba vermutet, der Versuch, Abu Ghraib unter der Decke zu halten, habe die geheimen Jagdkommandos der CIA und des Pentagons gegen al-Qaida schützen sollen. Deshalb habe er den strikten Befehl gehabt, die Rolle der Militäraufklärer bei den Verbrechen außen vor zu lassen. Ihm sei gesagt worden, es gehe darum, „das Gesamtbild zu schützen“.

Senator John Warner, damals Chef des Streitkräfteausschusses, sei, schreibt Hersh, vom Pentagon unter Druck gesetzt worden, die Finger von Abu Ghraib zu lassen, weil „wichtigere Dinge auf dem Spiel stehen“. Das Pentagon, und womöglich das Weiße Haus, habe eine breite Debatte über die Methoden des Antiterrorkriegs befürchtet.

Taguba und weitere ehemalige Militärs und CIA-Angehörige deuten an, die Jagdkommandos, deren Aufgabe schlicht im politischen Mord bestehe, seien ohne jede Kontrolle durch den Kongress und ohne Kenntnis der jeweiligen Botschafter in einer Reihe afrikanischer, nahöstlicher und asiatischer Staaten aktiv. Die Liste der erlaubten Staaten habe nach dem 11.September nur aus wenigen Namen bestanden, sei später aber ausgeweitet worden. Der Auftrag der Kommandos sei vom Weißen Haus und der Spitze des Pentagons aber nie klar befohlen worden, weder schriftlich noch mündlich. Es sei nur gesagt worden „Tun Sie, was Sie für nötig und richtig halten.“ Hersh lässt an manchen Passagen offen, ob er solche Hinweise von mehr als einer Person erhalten hat.

Im April 2005 sei der Ermittlerdienst der Armee jedenfalls bei dem Versuch an die Wand gerannt, Informationen über die Verhörmethoden einer solchen Sondergruppe zu bekommen. Zunächst wurden die Ermittler abgewiesen mit der Begründung, sie hätten keinen Zugang zu Codewort-Operationen. Dann brach plötzlich der Computer der betreffenden Sondereinheit zusammen, und alle Dateien waren gelöscht.

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