Dienstag, 5. Juni 2007

"Schafft diesen Gipfel ab!"

INTERNATIONALE PRESSESCHAU

Nach den Gewaltszenen von Rostock geht die internationale Presse scharf mit den Randalierern ins Gericht. Aber auch die G-8-Staaten müssen sich fragen lassen, ob ihr Gipfel noch vertretbar ist.

Hamburg - Zu den gewaltsamen Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel schreibt der "Tages-Anzeiger" aus Zürich: "Mag sein, dass frühere Gipfel sinnvoll waren. Aber heute? Seit Jahren klafft ein Abgrund zwischen dem ohrenbetäubenden Gipfel-Brimborium, dem immer größeren Aufwand einerseits und dem immer bescheideneren Ertrag andererseits. Selbst der frühere Kanzler Helmut Schmidt kritisiert, die Gipfel seien zu reinen Medienereignissen verkommen (...) Wenn sich die Vertreter der einflussreichsten Staaten vertraulich über aktuelle Fragen austauschen wollen, dann müssen sie einen Weg finden, wie diese Treffen mit weniger Pomp und ohne Kollateralschäden stattfinden können. Die starren G-8-Gipfel gehören abgeschafft und ersetzt durch flexiblere Treffen, bescheidener inszeniert."

Die liberale österreichische Tageszeitung "Der Standard": "Die Polizei wird ihr Konzept nach dieser misslungenen Generalprobe bis zum Eintreffen der Staats- und Regierungschefs noch einmal überarbeiten müssen - unter den Argusaugen der Organisatoren. Schließlich ist nicht vergessen, dass es 2001 in Genua bei den schweren Ausschreitungen rund um den G-8-Gipfel einen Toten gab. Doch auch die Organisatoren der noch geplanten Demos müssen, wenn sie glaubwürdig bleiben wollen, ihren Beitrag leisten und sich viel stärker als bisher von gewaltbereiten Autonomen distanzieren. Man kennt doch seine Pappenheimer. Da ist es besser, auf einige im breiten Protestbündnis zu verzichten, als sich den ganzen Protest von diesen zerstören zu lassen."

Die konservative dänische Tageszeitung "Berlingske Tidende": "Es ist mal wieder passiert. Ein paar tausend Krawallmacher mischten sich in Rostock vor dem G-8-Gipfel unter zehntausende friedliche Demonstranten (...) Jetzt ist aller Augenmerk erneut auf die sinnlose Gewalt der Straße gerichtet, die am Wochenende mehrere hundert Polizeibeamte Verletzungen gekostet hat und zeitweise unüberschaubare Dimensionen angenommen hat (...) Diese Gewalt muss aufhören. Die Veranstalter der großen Demonstrationen bei G-8-Treffen, EU- oder WTO-Gipfeln sollten dafür verantwortliche gemacht werden, dass die Ereignisse nicht ausarten. In Rostock musste man leider mit anhören, wie Sprecher von der Bühne die Volksmasse gegen die Polizisten aufhetzten, die vor den Wurfgeschossen der Randalierer in Deckung gehen mussten. Das war unverantwortlich und sollte bei den an den Protesten beteiligten Organisationen Anlass zu sehr ernster Selbstkritik sein."

Der britische "Independent": "Gewiss, es war ein harter Kern von gewalttätigen Randalierern. Sicher, es war eine enorme Provokation. Aber dennoch bringt uns die Polizeistrategie der harten Hand zu der alten, deutschen Tölpelei zurück, die so erfolgreich während der Fußball-Weltmeisterschaft verbannt war. Es ist nur ein Jahr her, dass Deutschland weltweit für seine freundlichen Menschen und die zurückhaltende Polizei gelobt wurde. Wir hoffen, dass Rostock eher eine Verirrung als eine Rückkehr des deutschen Stils war."

Die in Bern erscheinende Zeitung "Der Bund": "Die Selbstinszenierung der Macht und der Mächtigen und deren Abschottung, legitimiert mit Terrorgefahr und anderen Sicherheitsbedenken, haben absurde Dimensionen angenommen (...) Und so ist der G-8-Gipfel zu einem Symbol für die zunehmende Polarisierung verkommen zwischen jenen, welche die Globalisierung betreiben und verwalten, und jenen, die sie bekämpfen. Für demokratische Staaten - das wichtigste Forum solcher Länder zu sein, nimmt just die G8 für sich in Anspruch - ist diese Entwicklung höchst gefährlich (...) Spiegelt Gewalt nicht bloß Gewalt? Und folgen die Demonstranten nicht einfach der überheblichen, für Zwischentöne tauben Logik derer, die sie bekämpfen?"

Die konservative Tageszeitung "Le Figaro": "Hat die Bewegung der Globalisierungsgegner noch eine Existenzberechtigung? Die Ausschreitungen in Rostock haben diese nebulöse Protestbewegung wieder in den Mittelpunkt der Aktualität gerückt, wie jedes Mal vor einem G-8-Gipfel. Doch die Zeiten, in denen einige Beobachter sie für die neue politische Kraft des 21. Jahrhunderts hielten, sind vorbei. Ihre Helden sind Müde: Lula ist Staatschef geworden, José Bové wollte es, doch hat er es nicht geschafft. Und Genua im Jahr 2001 ist nur noch eine Erinnerung. Die Bewegung der Globalisierungsgegner ist den Attentaten vom 11. September 2001 zum Opfer gefallen, die die Aufmerksamkeit und Ängste auf den Terrorismus gelenkt haben."

Der rechts-konservative Budapester Tageszeitung "Magyar Nemzet": "Die im letzten Moment von US-Präsident George W. Bush aus dem Hut gezauberten Umweltschutzpläne haben keinen anderen Zweck, als die internationalen Anstrengungen zum Klimaschutz zu torpedieren. Niemanden wird es unerwartet treffen, wenn in Heiligendamm in Hinblick auf eine positive Beeinflussung der Globalisierung nicht viel passieren wird und das Ganze nicht mehr sein wird als ein Medienereignis. Unglücklicherweise werden sich dadurch die randalierungswütigen Antiglobalisten nur in ihrem vandalistischen Auftreten bestätigt sehen."

Die französische katholische Tageszeitung "La Croix": "Der G8 ist geschützt wie alle internationalen Begegnungen, auf denen die wichtigsten Regierungs- und Staatschefs zusammenkommen. Von nun an wird dieser traditionelle Gipfel der reichsten Länder der Welt wegen gewalttätiger Proteste militanter Autonome auch noch völlig verriegelt sein. So hat der schöne Slogan "Eine andere Welt ist möglich" der Globalisierungsgegner - zahlreiche unterschiedliche Organisationen, die selten einer Meinung sind - umso mehr seinen Platz auf dem G-8-Treffen. Den Ablauf eines Gipfeltreffens zu stören, auf dem so heikle Themen wie Umweltschutz oder finanzielle Hilfe für Afrika stehen, macht keinen Sinn. Deshalb wird die brutale Strategie der Autonomen auf die Diskussionen des G8 nicht nur keine Auswirkungen haben, sondern lässt auch jeglichen Protest, auch friedlichen, in Ungnade fallen."

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