Montag, 11. Juni 2007

Der Spion, der vom Finanzamt kommt

Automatische Suche nach Steuersündern im Internet bisher gescheitert

Seit November 2003 wird das Internet vom Bundeszentralamt für Steuern mit einer Software namens X-PIDER automatisch nach Steuerhinterziehern etwa bei eBay abgesucht. Das Programm habe gründlich versagt, stellte der Bundesrechnungshof bereits im November letzten Jahres fest. X-PIDER sei es nicht gelungen, in großem Umfang Steuersünder aufzuspüren. Die gesammelten Daten seien weder "schlüssig" noch "nutzbar".

eBay ist kein Paradies für Steuermuffel. Das dürfte hinlänglich bekannt sein. Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, dass es unter den zwanzig Millionen Deutschen, die bei eBay Deutschland einen Account besitzen, auch etliche schwarze Steuerschafe gibt. Sie ziehen ihren Handel über das Internetauktionshaus gewerbsmäßig auf, zahlen aber keine Steuern. Nicht immer ist böse Absicht im Spiel. Die Grenzen zwischen dem gewerblichen, also steuerpflichtigen Händler und dem rein privaten Gelegenheitsverkäufer können fließend und für den Laien nicht ohne Weiteres erkennbar sein.

X-PIDER soll Steuersünder finden

eBay Deutschland hat diese Problematik frühzeitig erkannt. Das Online-Auktionshaus bietet eine Checkliste mit acht Fragen zur steuerrechtlichen Statusprüfung an, die jeder Verkäufer im eigenen Interesse ehrlich beantworten sollte. Wer eine oder mehrere Fragen mit Ja beantwortet, sollte sich umgehend über seine steuer-, gewerbe- und fernabsatzrechtlichen Pflichten und Rechte informieren, rät eBay.

Wer sich nicht um seinen steuerrechtlichen Status kümmert, läuft Gefahr, vom Finanzamt wegen Steuerhinterziehung zur Kasse gebeten zu werden. Seit Jahren schon durchsucht das Bundesamt für Finanzen, das seit 1. Januar 2006 im Bundeszentralamt für Steuern aufgegangen ist, das Internet nach Steuersündern. Nicht nur eBay-Händler werden observiert. Ins Visier der Steuerfahnder können auch Betreiber von Online-Shops oder Nutzer von Gebrauchtwagenbörsen geraten - seit Oktober 2003 sogar vollautomatisch. Damals wurde das Projekt X-PIDER gestartet, ein Steuerschnüffelprogramm, das im Internet systematisch nach Steuersündern fahnden soll.

X-PIDER wurde bei seinem Start vollmundig als kleiner Alleskönner angepriesen. Das Programm sei in der Lage, "automatisiert Internetseiten zu identifizieren, die auf eine unternehmerische Tätigkeit schließen lassen", heißt es aktuell noch immer auf der Webseite des Bonner Bundeszentralamts für Steuern. Webseiten könnten analysiert und ihre Betreiber automatisch der Kategorie "unternehmerisch tätig" zugeordnet werden. Das kleine Software-Wunder sei obendrein lernfähig, verspricht das Bonner Amt, so dass es mit der Zeit immer exakter arbeite.

Schlechte Zeiten für Steuersünder?

X-PIDER wird insbesondere auf eBay angesetzt. Das System sei in der Lage, "Angebote und Verkäufe aus Online-Verkaufs- und Versteigerungsplattformen anbieterbezogen zu aggregieren", erklärt das Bundeszentralamt für Steuern vollmundig. Querverbindungen zwischen An- und Verkäufen könnten auf diesem Wege automatisch hergestellt werden, Ungereimtheiten zu einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung führen.


Wer bei eBay regelmäßig etwa CDs verkauft, könnte gewerblicher Händler sein. Ebenso der eBayer, der dieselben CDs, die er ersteigert, über die Plattform auch wieder anbietet. X-PIDER sucht in diesen Fällen nach der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die jeder gewerbliche Händler auf seiner Webseite angeben muss. Fehlt sie, könnte der fragliche Händler alsbald Post oder Besuch von seinem Finanzamt bekommen. Denn die Daten, die X-PIDER erschnüffelt, werden an die zuständigen Landesfinanzbehörden weitergeleitet.

Schlechte Zeiten also für Steuersünder bei eBay und Co.? Weit gefehlt, meint der Bundesrechnungshof und stellte dem Steuerschnüffelprogramm des Bundeszentralamts bereits im November letzten Jahres ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. "Die Ergebnisse dieses Projekts sind bisher deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben", erklärten die obersten bundesdeutschen Rechnungsprüfer. "Trotz mehrjähriger Datenrecherche" sei es nicht gelungen, "Steuerhinterziehung im Internet wirksam zu entlarven". Nur in wenigen Einzelfällen hätten sich Hinweise auf Steuerhinterziehungen ergeben, die aber in keinem Fall zu einer Verurteilung geführt hätten.

Such-Software arbeitet mangelhaft

Für den eklatanten Fehlschlag der "Operation" X-PIDER sei in erster Linie die "immer noch nicht zufrieden stellende Datenqualität verantwortlich", bemängelte der Bundesrechnungshof. "Noch immer sind zu viele Daten nicht schlüssig. Aus mehreren Tausend Datensätzen ergeben sich regelmäßig nur wenige überprüfungswürdige Fälle." Auch mit der X-PIDER-Software ging der Bundesrechnungshof hart ins Gericht. Offenbar war das Suchprogramm auch nach rund drei Jahren noch immer nicht in der Lage, bei seinen Streifzügen durchs Netz wirklich steuerrechtlich relevante Daten zu ermitteln.

"Nicht selten kam es vor, dass Datensätze doppelt vorhanden waren, nicht zweifelsfrei zugeordnet werden konnten, andere Zuständigkeiten betrafen oder einfach nur unbrauchbar waren", rügte der Bundesrechnungshof. Die eingesetzte Software sei vielfach noch nicht einmal in der Lage gewesen, den Namen eines Händlers zweifelsfrei aus dem Datenwust herauszufiltern.

"Kontrollmaterial" von X-PIDER

Aber auch die Länderfinanzbehörden trifft laut Bundesrechnungshof ein gehöriges Maß an Mitschuld für das Scheitern der groß angelegten Webseitenschnüffelei. Nur ein einziges Bundesland habe von Anfang an "die notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen geschaffen, die zur Auswertung der X-PIDER-Daten erforderlich waren", heißt es im Bericht der Rechnungsprüfer.

Beklagt wird obendrein die mangelhafte Unterstützung des Projekts durch das Bundesfinanzministerium. "Angesichts der Bedeutung des Projekts hätte das Bundesministerium die bekannten Probleme frühzeitig aufgreifen und zum Gegenstand von Besprechungen mit den Ländern machen müssen." Diese Fundamentalkritik mochte das Bundesfinanzministerium nicht auf sich sitzen lassen. Man stimme den Ausführungen des Bundesrechnungshofs grundsätzlich zu, habe aber längst mit den Ländern Kontakt aufgenommen, erklärt das Ministerium.

Und die mangelhafte Qualität der von X-PIDER gelieferten Daten? Kein Problem, heißt es sinngemäß aus dem Bundesfinanzministerium. Bei der Mehrzahl der in den letzten Jahren ermittelten Daten handele es sich um die "elektronischen Geschäftsaktivitäten steuerlich bereits registrierter Unternehmen". Diese Daten könne man durchaus sinnvoll nutzen - nicht als beweiskräftiges Material zur Überführung von Steuersündern wohlgemerkt, aber immerhin als "Kontrollmaterial" - wofür auch immer.

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