Freitag, 15. Juni 2007

Nzais üebarll

Christian Schütte
Eigentore entstehen meistens durch den dummen Zufall, durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, an deren Ende jemand einfach den Fuß an der falschen Stelle dazwischen hält. Das Eigentor, das Staatsanwälte und Medien im Potsdamer "Fall Ermyas M." geschossen haben, ist leider nicht nur so ein Zufallsprodukt.

Es ist die Folge systematischen Versagens. Und das ist umso bitterer, als dieser Volltreffer ins eigene Netz sich noch böse rächen kann.

Als der farbige Deutsche Ermyas M. in der Nacht zu Ostern 2006 in Potsdam lebensgefährlich verletzt wurde, war die Sache für viele gleich klar: Ostdeutsche Nazis waren am Werk. Kurz vor der Fußball-WM drohte der Republik schwerster Imageschaden, die Bundesanwaltschaft zog den Fall an sich und ließ die Verdächtigen gleich im Hochsicherheitsstil per Hubschrauber einfliegen. In der Politik begann eine heftige Debatte über ostdeutsche No-go-Areas.

Gut ein Jahr später ist die Anklage gegen die Beschuldigten zusammengebrochen, das Gericht folgte nun dem Antrag des Staatsanwalts auf Freispruch. Der Hergang jener Osternacht ist nur bruchstückhaft zu rekonstruieren, die wahren Schläger bleiben unbekannt. Die Bundesanwaltschaft und all jene, die damals mit allermoralischsten Absichten, aber ausgeschaltetem kritischen Verstand vom Nazi-Überfall berichteten, stehen komplett blamiert da.

Diese Selbstdemontage ist bitter, weil Fremdenhass und No-go-Areas reale Probleme sind und bleiben. Sie ist auch ärgerlich, weil gerade Justiz und Medien wissen müssten, welche Fallstricke in moralischem Hype stecken können.

Forscher haben festgestellt, dass Menschen Wörter auch dann lesen können, wenn fast alle Buchstaben vertauscht sind. Solange der erste und der letzte Buchstabe stimmen, reimt sich der Leser den Rest schon zusammen. Justiz und Medien sind eigentlich dazu da, ganz genau hinzuschauen. Nzais üebarll? Irgendwie Plausibles gilt nicht.

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