Donnerstag, 7. Juni 2007

G8: Alles unterhalb eines Debakels soll jetzt schon ein Erfolg sein

Wladimir Putins Auftreten in Heiligendamm bringt die G8 aus ihrem klimapolitischen Wolkenkuckucksheim wieder auf den Boden der weltpolitischen Realität zurück. Mit Klima-Kitsch lässt sich freilich trefflich davon ablenken, dass die großen Mächte in wirklich drängenden Konflikten versagen - etwa angesichts des andauernden Völkermords in Darfur. Für dieses Elend interessieren sich aber auch die Anti-G8-Protestierer nicht.

Weil sich die ehrgeizigen Klimaschutz-Ziele der Bundesregierung schon vor dem Beginn des G8-Gipfels in Heligendamm als illusionär erwiesen, haben ihre PR-Spezialisten die Öffentlichkeit auf eine andere Lesart zur Beurteilung der Gipfel-Ergebnisse eingeschworen: Alles, was unter der Schwelle eines „Debakels“ liegt, soll jetzt schon als großer außenpolitischer Erfolg Angela Merkels gelten.

Die Zutaten für ein entsprechendes Abschlusskommuniqué liegen bereit. Man nehme die diversen Klima-Vorschläge der USA, Chinas, der Kandier, Japaner und so weiter, betone, dass es bei diesen gegenläufigen Konzepten doch allerlei Schnittmengen gebe, füge den guten Willen des amerikanischen Präsidenten hinzu, seine enge Partnerin Angela Merkel als Gastgeberin nicht zu blamieren und damit zu arg zu beschädigen – und fertig ist eine Formulierung, in der womöglich unverbindlich wünschbare Klimaziele und die Wichtigkeit der UN erwähnt werden, womit nichts Konkretes gesagt ist, das Gesicht Deutschlands und der EU aber halbwegs gewahrt bleibt.

Doch das gefürchtete Debakel droht Angela Merkel noch von ganz anderer Seite: Sozusagen aus der Tiefe des Raums hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinen Drohungen, wegen des US-Raketenabwehrsystems russische Atomwaffen womöglich wieder auf Westeuropa zu richten, in den Vordergrund gespielt. Er wird sich die Gelegenheit kaum entgehen lassen, den Gipfel für seine machtpolitischen Demonstrationen zu nutzen und George Bush wegen des Raketenschilds massiv unter Druck und in Verlegenheit zu bringen – womit er aller Welt wieder einmal vorspiegeln könnte, wie stark und furchtbar wichtig Russland doch ist.

Das Auftreten Putins reißt die G8 freilich gleichsam aus ihrem Klima-Wolkenkuckuchsheim wieder auf den Boden der weltpolitischen Realitäten zurück, wofür man ihm fast dankbar sein muss. Das wochenlange Riesenspektakel um die Weltenrettungspläne in Sachen Klima hat nicht nur alle anderen Themen des Gipfels in den Hintergrund treten lassen, sondern insgesamt von der Tatsache abgelenkt, in wie vielen heftigen, ungelösten Konflikten der Gegenwart die großen Weltenlenker von Heiligendamm tatsächlich ratlos oder heillos zerstritten sind: Irans Durchmarsch zur atomaren Bewaffnung scheint nicht mehr zu stoppen zu sein, im Nahen Osten wie im Irak ist eine friedliche Lösung so weit entfernt wie lange nicht. (Im Libanon werden derzeit die Palästinenserviertel in Schutt und Asche gelegt, die Bevölkerung, sofern sie es noch konnte, ist geflüchtet. Bezeichnenderweise hört man von den weltweit so zahlreichen, sonst so hingebungsvollen angeblichen Freunden der Palästinenser dagegen keinerlei lautstarken Protest. Verantwortlich ist dafür nämlich nicht der Erzteufel Israel, sondern die libanesische Armee.)

In der westsudanesischen Provinz Darfur sieht die Weltgemeinschaft weiterhin tatenlos einem Völkermord zu. Erwähnt werden wird diese Menschheitsschande in Heiligendamm freilich allenfalls ganz am Rande - obwohl Afrika doch angeblich eines der ganz großen Themen des Gipfels sein sollte. Der Klimaschutz eignet sich nämlich viel besser dafür, die Illusion einer an einem Strang ziehenden Menschheit zu erzeugen und den zerstrittenen Staatenklub als die Vorform einer gütigen Weltregierung erscheinen zu lassen.

Da der Klimawandel ja alle Menschen rund um den Globus gleichermaßen betreffe und bedrohe (was für sich genommen schon barer Unsinn ist), lassen sich auf diesem Feld auf ideale Weise Kitschbilder von einer globalen weltpolitischen Verantwortungsgemeinschaft erzeugen, die in Wirklichkeit nirgendwo existiert. Tatsächlich wird die westliche (in erster Linie europäische, und vor allem deutsche) Marotte, den Rest der Welt zu Vorgaben bei der CO2-Reduktion zu verdonnern, vom Rest der Welt nur als Versuch wahrgenommen, insbesondere Schwellenländer wie China und Indien an der Entwicklung zu hindern und sich damit lästige Konkurrenten vom Hals zu halten. Und das in gewissem Maße zu Recht, denn in Wirklichkeit kann heute niemand verlässliche Voraussagen darüber machen, wie sich das Weltklima tatsächlich entwickeln wird und welche Rolle der C02-Ausstoß dabei eigentlich genau spielt.

Wie viele Menschen in Darfur unter dem Wüten der von der sudanesischen Regierung gesteuerten arabischen Milizen zugrunde gehen, lässt sich dagegen ziemlich präzise beziffern. Die Mächtigen in Heiligendamm mit dieser grausamen Realität zu konfrontieren und von ihnen sofortiges Handeln zu verlangen, würde jede massive Demonstration vor den Sperrzäunen rechtfertigen. Doch die aktionsfreudigen Springinsfelde auf den Wiesen und in den Kornfeldern rund um Heiligendamm, die sich für Protestler für eine bessere Welt halten, interessiert der Horror von Darfur offensichtlich noch weniger als die gloriosen Staatenlenker und Klimaretter innerhalb der eingezäunten Festung – wie sie eigentlich gar nichts interessiert, was auf dieser Welt tatsächlich passiert, wenn es nicht ihrem handlichen ideologischen Weltbild von den bösen Großen Acht als Urheber aller Weltenübel entspricht.

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