Freitag, 15. Juni 2007

Rumänische Erntehelfer hungerten in Containern

Menschenunwürdige Zustände haben Fahnder auf einer Erdbeerplantage bei Donauwörth vorgefunden. Bis nach Mitternacht durchsuchten am Donnerstagabend Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Augsburg die Wohncontainer
rumänischer Erntehelfer.

Oberndorf - Fünf Euro pro Stunde für Erdbeer-Pflücken: Mit diesem tollen Angebot hat ein Agent mehr als hundert Rumänen nach Oberndorf gelockt. Dass sie aber hier unter "menschenunwürdigen Bedingungen" - wie Kreisrätin Marianne Ach es nennt - "in Containern hausen", tagtäglich zwölf oder 13 Stunden auf dem Feld arbeiten müssen und noch dazu nicht mal ein Drittel des versprochenen Lohnes erhalten, das hatte ihnen niemand gesagt. Auch nicht, dass sie hungrig bei benachbarten Familien um Essen bitten müssen, weil erstmal kein einziger Euro ausbezahlt wurde.

"Es herrschen dort Zustände, die wir seit Beginn mit aller Macht zu bekämpfen versuchen", schildert Bürgermeister Hubert Eberle, der diese Woche schon zum zweiten Mal mit dem Gesundheitsamt vor Ort war, unserer Redaktion. "Manche Dinge haben sich ein bisschen gebessert, von Mindeststandards kann man aber noch nicht sprechen."

Auch Grünen-Kreisrätin Marianne Ach will nicht lockerlassen. Seit sie von der Situation der Erntehelfer in Oberndorf gehört hat, ist sie ständig unterwegs, läuft von Behörde zu Behörde, um zu erfragen, wer etwas gegen die schlechten hygienischen Zustände und gegen die finanzielle Ausbeutung tun kann.

Ein Blick zurück: Zwischen 100 und 150 Rumänen werden mit Bussen nach Oberndorf gebracht. Dort hatte wenige Wochen vorher ein Erdbeerfeld-Besitzer bei der Kommune angefragt, ob er "ein paar Container" aufstellen könne für seine Erntehelfer. Die Gemeinde hatte nichts einzuwenden, zumal der besagte Mann sowieso beim Bauamt im Landratsamt Donau-Ries Baurecht beantragen hätte müssen. Das sei nicht passiert, berichtet Eberle.

Genau 52 Container wurden aufgestellt, ausgestattet mit Betten, Stühlen und hie und da einem Tisch. Die Rumänen kamen an, wurden auf die Hütten verteilt. "Wasser gibt es nur aus der Dusche", so Kreisrätin Ach, die von besorgten Oberndorfern angesprochen wurde und mit diesen gemeinsam sich per Dolmetscher mit den Rumänen unterhalten hat. Zudem habe es bis zum Einschreiten des Gesundheitsamtes keine Kochmöglichkeiten gegeben, keine Kühlschränke und keinen Platz für den Müll.

"Das stimmt nicht", will der Plantagenbesitzer richtigstellen. Er habe die Container mit 18 Kochplatten ausgestattet, diese seien binnen weniger Tage verschwunden.

Zwei, drei Tage nach Ankunft kamen die rumänischen Männer und Frauen und baten per Handzeichen um etwas zu essen und zu trinken. "Sie rieben sich immer den Bauch", erzählt ein Oberndorfer. Viele Privatleute und auch Firmen haben dann zusammen geholfen und große Mengen Lebensmittel gespendet. "Sie hätten mal die strahlenden Gesichter sehen sollen, als 100 Leute in der Schlange standen und darauf warteten, eine Semmel oder ein Brot zu bekommen", erzählt ein Bürger der nicht namentlich genannt werden will.

Am vergangenen Samstag dann streikten die Rumänen. Denn sie hatten immer noch keinen Cent gesehen für ihre Arbeit, die um fünf in der Früh beginnt und wenn es dunkel wird aufhört. Sie stiegen nicht in den Bus ein, der sie sonst immer aufs Feld bringt. Die Polizei wurde von einem Anwohner verständigt, schaute nach dem Rechten.

"Dann soll, so haben es Beobachter mir erzählt, der Besitzer des Erdbeerfeldes aufgetaucht sein und ihnen Geld gegeben haben", weiß Ach. Wie viel das gewesen ist, ist nicht klar. Einige sprechen von 30, andere von 40 oder gar 70 Euro.

Der Betreiber will zu der Bezahlung keine Auskunft geben. Das müsse man mit einer anderen, eigenständigen Firma klären, die die Arbeiter/innen ins Land gebracht habe. Er sagt nur, sie würden nach Akkord bezahlt. Und bei der Unterbringung sehe er keine Probleme.

In der Zwischenzeit sind etwa 50 Rumänen wieder abgereist. Sie haben all ihr Erspartes genommen, um sich den Bus zurück in die Heimat leisten zu können. Die meisten wurden von der Familie Ach und vielen Helfern nach Augsburg zu ihrem Bus gefahren.

"Einige von ihnen hatten überhaupt keine Lust zu arbeiten", meint dazu der Erdbeerfeld-Betreiber. Ihm sei nun durch die Abreise ein immenser Schaden entstanden, weil vieles noch nicht gepflückt sei.

Um die Osteuropäer kümmern sich immer noch in vorbildlicher Weise Leute in und rund um Oberndorf. Die rechtliche Situation prüft nach Angaben von Eberle gerade das Landratsamt sowie die Zollbehörde, die sich mit Schwarzarbeit beschäftigt. "Die Leute haben viel Angst", so der Bürgermeister. "Wir müssen es aber schnellstens hinkriegen, dass sie menschenwürdig untergebracht sind. Und auch anständig entlohnt werden."

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