Freitag, 5. März 2010

Missbrauch nach Methode? Das Kloster Ettal in Bayern

Systematische Prügel und Fotos im Internet

Im Ettaler Missbrauchskandal werden immer mehr skandalöse Details bekannt. Es geht um Fotos von halbnackten Klosterschülern auf Homosexuellen-Seiten. Hinzu kommen Berichte über systematische Prügel.
 
Der externe Ermittler Thomas Pfister berichtete am Freitag von einem aktuellen Fall, in dem ein Klostermitglied gestand, Kinderpornos heruntergeladen und früher Fotos halbnackter Schüler ins Internet gestellt zu haben. Der beschuldigte Pater habe die Fotos der Buben mit freiem Oberkörper bei Bergwanderungen gemacht, berichtete Pfister. Hier ermittle die Staatsanwaltschaft.
Auch die Zahl der Opfer gewalttätiger Patres im Internat ist inzwischen deutlich gestiegen. Inzwischen liegen Pfister Hinweise auf rund 100 Betroffene vor, wie er sagte. Der Großteil der Vorwürfe beziehe sich auf Schläge und andere Bestrafungen im Klosterinternat. Es habe früher deutlich mehr als zehn Patres gegeben, die systematisch geprügelt hätten. Der Ermittler zitierte Opfer, die von „voll durchgezogenen“ Schlägen oder Massenbestrafungen für Nichtigkeiten und anderen massiven Vergehen berichteten. In dem Kloster wurden Schüler „über Jahrzehnte hinweg massiv misshandelt“, so Pfister.

Kinder mit Bügel verprügelt

Auch der Cellerar des Klosters – eine Art Verwaltungsleiter – Pater Johannes Bauer, räumte auf der Pressekonferenz ein, selbst in den 1980er-Jahren zugeschlagen zu haben. Er habe Kinder mit der Hand, aber auch mit einem Bügel verprügelt. Pfister zitierte aus mehreren Schreiben, in denen frühere Schüler von ihren traumatisierenden Erfahrungen berichteten. Möglicherweise wurde auch ein Pater missbraucht. Er sei mit einem früheren Ettaler Pater im Gespräch, der sich an ihn gewandt habe, berichtete Pfister.

„Ettal war die Hölle“

Pfister zufolge berichtete ein ehemaliger Internatsschüler, in den 60er-Jahren seien körperliche Übergriffe bis hin zur Prügelstrafe „tägliche Praxis“ gewesen. Ein anderer Ex-Schüler bezeichnete die früheren Verhältnisse in der Schule als „absoluten Terror“. Im Schlafsaal habe es Ohrfeigen für alle Schüler gegeben als Strafe dafür, dass zuvor einer von ihnen etwas gesagt habe. Ein weiterer früherer Schüler berichtete, er habe in den 80er-Jahren „furchtbare Schläge“ erhalten. „Für mich war Ettal die Hölle.“

Da die allermeisten Fälle lange zurückliegen – Pfister sprach von einer Zäsur im Jahr 1990 – ist vieles verjährt. Wenn sie aber von weltlichen Gerichten verhandelt worden wären, hätten sie wahrscheinlich zu jahrelangen Haftstrafen geführt. Pfister sprach mit Blick auf das Kloster von einer „Kultur des Schweigens und des Wegsehens“.

Eklat auf der Pressekonferenz

Derzeit ermittlt die Staatsanwaltschaft noch in drei jüngeren Fällen: Den möglichen sexuellen Missbrauch aus dem Jahr 2005, die Kinderpornografie und einen Fall aus dem Jahr 2009, in dem ein Lehrer zwei jungen Schülern Kopfnüsse gegeben haben und einem von ihnen auf den Zeh getreten sein soll.

Im Zusammenhang mit dem letzten Fall kam es in der Pressekonferenz zum Eklat: Der kommissarische Schulleiter meldete sich zu Wort und sagte, die Kopfnüsse seien nur leicht und mehr zum Spaß gewesen. Pfister widersprach ihm entschieden und warf ihm Vertuschung vor.

„Unsittliche Handlungen“ mit Schützlingen

Auch im Fall „Regensburger Domspatzen“ gibt es neue Details. Nachforschungen des Bistums ergaben, dass 1958 der damalige Präfekt am Musikgymnasium Regensburg aus dem Dienst entfernt wurde. Laut einem damaligen Pressebericht soll der 1984 gestorbene Geistliche bei „unsittlichen Handlungen“ mit Schützlingen ertappt und dafür den Recherchen des Bistums zufolge zu zwei Jahren Haft verurteilt worden sein. Auch ein Ex-Internatsleiter des Knabenchors soll demnach 1971 wegen eines Übergriffs zu elf Monaten Haft verurteilt worden sein. Die Tat soll der ebenfalls 1984 gestorbene Geistliche vor 1969 verübt haben.

Der Papst soll einschreiten

Der ehemalige Domspatz und Buchautor Karl Birkenseer hofft im Missbrauchsskandal auf päpstlichen Beistand. „Ich glaube, gerade dieser Papst hat eine große Kompetenz bei der Lösung dieser Frage und ich hoffe sehr, dass er diese Kompetenz dann auch gegenüber der deutschen katholischen Kirche einsetzt“, sagte Birkenseer, der Ende der 60er Jahre Mitglied des weltberühmten Knabenchors war. Benedikt XVI. sei auch deshalb zum Papst gewählt worden, weil er bei der Aufklärung von sexuellen Missbrauchsfällen in den USA eine sehr gute Rolle gespielt habe, sagte Birkenseer.
Ebenfalls am Freitag wurden mutmaßliche Missbrauchsfälle aus dem Bistum Fulda bekannt. Dort werden ein Priester, ein Lehrer und ein ehrenamtlicher Mitarbeiter eines Jugendverbandes beschuldigt, sich an Minderjährigen vergriffen haben.

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