5. März 2010, 18:52 Uhr
Der Ettaler Sonderermittler Thomas Pfister spricht von einer "Kultur des Schweigens und Wegsehens". Sie ist der Grund, dass erst jetzt – teilweise Jahrzehnte später – Misshandlungen und sexueller Missbrauch von Kindern in kirchlichen Einrichtungen bekanntwerden. Dazu gehören auch die Regensburger Domspatzen.
Es ist totenstill in der Aula der Klosterschule im oberbayerischen Ettal, als der Sonderermittler am Freitag aus den Berichten von Ex-Schülern über sexuellen Missbrauch und brutale Schläge vorliest. Es sind erschütternde Erlebnisse, die dem Münchner Strafverteidiger Pfister von „Altettalern“, wie sich die Absolventen des Elitegymnasiums samt Internat gerne selber nennen, seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals geschildert wurden. „Ich werde von Nachrichten beinahe Tag und Nacht überhäuft“, sagt Pfister.
Und auch über die Geschichte der weltberühmten Regensburger Domspatzen legt sich ein Schatten. Sie gehören neben Wiener Sängerknaben und Leipziger Thomanern zur ersten Garde der Knabenchöre und sind in aller Welt die singenden Botschafter ihrer Heimatstadt. Seit Bekanntwerden von Missbrauchsfällen auch hier – es geht um zwei ehemals leitende Geistliche, die beide aber bereits 1984 gestorben sind – melden sich immer mehr Opfer zu Wort. Sie berichten über sexuelle Übergriffe und zahlreiche brutale Prügelorgien bei den Domspatzen vor etwa einem halben Jahrhundert. „Es wurden viele Traumata gesetzt, es war Angst und Schrecken“, sagt ein Münchner Arzt und Therapeut über seine Erfahrungen in den 1950er und 1960er Jahren bei den „Spatzen“. Von sexuellem Missbrauch habe er nur von anderen erfahren, aber quasi eine Vorstufe hat auch er selbst in lebendiger Erinnerung. Wer sich beim Prügeln mit dem Rohrstock nackt ausgezogen hat, habe einen Bonus bekommen: weniger Schläge. „Es gab einen regelrechten Ablass“, erzählt der Mann über das übliche „Nackt-Prügeln“.
Blutunterlaufene Striemen blieben stets auf dem Gesäß zurück. Bei einem Klassenkameraden sei wegen der Misshandlungen sogar eine Operation am Kiefer nötig gewesen. Auch von schlimmsten seelischen Qualen berichtet der Mann. Er habe sich immer vor Blutwurst geekelt. Bei den Domspatzen sei er von einer Ordensschwester aber gezwungen worden, diese Wurst zu essen: „Mir wurde so übel, ich habe das erbrochen. Ich musste dann das Erbrochene wieder essen.“
Und Pfister hat auch in Ettal ein langes „Sündenregister“ der Benediktinerabtei zusammengetragen. „Es herrschte damals der absolute Terror“, schreibt ein Schüler über seine Ettaler Jahre zwischen 1960 und 1969. „Pater G. suchte sich gezielt immer die Schwachen aus“, schildert er die Vorliebe des Ordensgeistlichen für Schläge, die besonders kleine Kinder treffen sollten. Ein Schüler teilt mit, er sei von einem Pater so lange mit einem Bambusstock geschlagen worden, bis er auf die Krankenstation des Internats kam. Er macht „die schlimmste Zeit meines Lebens“ für seine „Alkoholkarriere“ verantwortlich. Ein weiterer Schüler beschreibt die besonders brutale Art des Haareziehens eines Paters in den 1980er Jahren. „Er nahm uns an den Koteletten, drehte sie und riss sie nach oben. Das verursachte extreme Schmerzen.“ Reihenbestrafungen waren an der Tagesordnung, wie der Sonderermittler berichtet. In anderen Berichten ist die Rede von Patres, die ihre pädophilen und homosexuellen Neigungen im Internat offen an den Schülern ausgelebt hätten. Nach einer Reihe von Einzelschilderungen sagt Pfister: „Ich habe noch ungefähr zehn Seiten an Grausamkeiten, die ich jetzt abkürzen muss.“ Der Ettaler Klosterverwalter Johannes Bauer spricht von schockierenden und zutiefst beschämenden Fakten. „Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen, aber wir bitten alle Betroffenen, alle unsere Schülerinnen, Schüler und Eltern um Verzeihung.“ Und dann bricht ihm fast die Stimme, als er gesteht: „Neben anderen Mitbrüdern war auch ich selbst in den Jahren 1985 bis 1987 Erzieher im Internat und habe damals, das muss ich zu meiner eigenen Schande offen sagen, ebenfalls Kinder brutal körperlich misshandelt und gedemütigt.“ Mit Kleiderbügeln versohlte der Pater Buben den Hintern.
In Regensburg sind Vorwürfe gegen das frühere Domspatzen-Personal gar nicht so neu, hinter vorgehaltener Hand wurde ohnehin getuschelt. Schon seit den 1950er Jahren gab es Ermittlungen, Strafverfahren, sogar Urteile und mindestens einen Zeitungsbericht. „Diese Dinge waren öffentlich“, sagt Bistumssprecher Clemens Neck am Freitag. Dennoch gerieten alle Vorwürfe in Vergessenheit, Opfer schwiegen Jahrzehnte lang und trauen sich erst nun aus ihrer Isolation - ermutigt durch die Schlagzeilen der vergangenen Wochen über Missbrauchsfälle allerorten.
Und auch über die Geschichte der weltberühmten Regensburger Domspatzen legt sich ein Schatten. Sie gehören neben Wiener Sängerknaben und Leipziger Thomanern zur ersten Garde der Knabenchöre und sind in aller Welt die singenden Botschafter ihrer Heimatstadt. Seit Bekanntwerden von Missbrauchsfällen auch hier – es geht um zwei ehemals leitende Geistliche, die beide aber bereits 1984 gestorben sind – melden sich immer mehr Opfer zu Wort. Sie berichten über sexuelle Übergriffe und zahlreiche brutale Prügelorgien bei den Domspatzen vor etwa einem halben Jahrhundert. „Es wurden viele Traumata gesetzt, es war Angst und Schrecken“, sagt ein Münchner Arzt und Therapeut über seine Erfahrungen in den 1950er und 1960er Jahren bei den „Spatzen“. Von sexuellem Missbrauch habe er nur von anderen erfahren, aber quasi eine Vorstufe hat auch er selbst in lebendiger Erinnerung. Wer sich beim Prügeln mit dem Rohrstock nackt ausgezogen hat, habe einen Bonus bekommen: weniger Schläge. „Es gab einen regelrechten Ablass“, erzählt der Mann über das übliche „Nackt-Prügeln“.
Und Pfister hat auch in Ettal ein langes „Sündenregister“ der Benediktinerabtei zusammengetragen. „Es herrschte damals der absolute Terror“, schreibt ein Schüler über seine Ettaler Jahre zwischen 1960 und 1969. „Pater G. suchte sich gezielt immer die Schwachen aus“, schildert er die Vorliebe des Ordensgeistlichen für Schläge, die besonders kleine Kinder treffen sollten. Ein Schüler teilt mit, er sei von einem Pater so lange mit einem Bambusstock geschlagen worden, bis er auf die Krankenstation des Internats kam. Er macht „die schlimmste Zeit meines Lebens“ für seine „Alkoholkarriere“ verantwortlich. Ein weiterer Schüler beschreibt die besonders brutale Art des Haareziehens eines Paters in den 1980er Jahren. „Er nahm uns an den Koteletten, drehte sie und riss sie nach oben. Das verursachte extreme Schmerzen.“ Reihenbestrafungen waren an der Tagesordnung, wie der Sonderermittler berichtet. In anderen Berichten ist die Rede von Patres, die ihre pädophilen und homosexuellen Neigungen im Internat offen an den Schülern ausgelebt hätten. Nach einer Reihe von Einzelschilderungen sagt Pfister: „Ich habe noch ungefähr zehn Seiten an Grausamkeiten, die ich jetzt abkürzen muss.“ Der Ettaler Klosterverwalter Johannes Bauer spricht von schockierenden und zutiefst beschämenden Fakten. „Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen, aber wir bitten alle Betroffenen, alle unsere Schülerinnen, Schüler und Eltern um Verzeihung.“ Und dann bricht ihm fast die Stimme, als er gesteht: „Neben anderen Mitbrüdern war auch ich selbst in den Jahren 1985 bis 1987 Erzieher im Internat und habe damals, das muss ich zu meiner eigenen Schande offen sagen, ebenfalls Kinder brutal körperlich misshandelt und gedemütigt.“ Mit Kleiderbügeln versohlte der Pater Buben den Hintern.
In Regensburg sind Vorwürfe gegen das frühere Domspatzen-Personal gar nicht so neu, hinter vorgehaltener Hand wurde ohnehin getuschelt. Schon seit den 1950er Jahren gab es Ermittlungen, Strafverfahren, sogar Urteile und mindestens einen Zeitungsbericht. „Diese Dinge waren öffentlich“, sagt Bistumssprecher Clemens Neck am Freitag. Dennoch gerieten alle Vorwürfe in Vergessenheit, Opfer schwiegen Jahrzehnte lang und trauen sich erst nun aus ihrer Isolation - ermutigt durch die Schlagzeilen der vergangenen Wochen über Missbrauchsfälle allerorten.
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