Donnerstag, 2. April 2009

Bitte nicht helfen!

Von der globalen Wirtschaftskrise sind besonders die ärmsten Länder betroffen. Laut UNO wird die Entwicklungshilfe allein in diesem Jahr um mindestens 4,5 Milliarden Dollar sinken. Ausgerechnet ein afrikanischer Ökonom fordert jedoch die komplette Abschaffung der Hilfen. Mit guten Gründen.

Von Marc Engelhardt, ARD-Hörfunkstudio Nairobi

Während in London die reichen Nationen darüber beraten, wie die globale Wirtschaftskrise in den Griff zu kriegen ist, können die armen Länder nur hoffen, dass jemand ihre Interessen vertritt – am Tisch sitzen sie schließlich nicht, obwohl sie direkt betroffen sind. Um mindestens viereinhalb Milliarden Dollar, so schätzen die UN, wird die Entwicklungshilfe allein in diesem Jahr sinken. Südafrika, einziger Vertreter des ärmsten Kontinents, hat bereits ein massives Hilfspaket gefordert. Und auch Hilfsorganisationen fordern mehr Engagement.

"Wir wollen, dass die Industrieländer ihr Versprechen einlösen, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts als Entwicklungshilfe zu zahlen", sagt etwa Michael O’Brian von Oxfam Kenia. Das haben sie schon vor Jahren versprochen, und die afrikanischen Staaten brauchen das Geld, und zwar jetzt sofort.

"Entwicklungshilfe macht Afrika abhängig"

Doch während Hilfsorganisationen jeder Couleur die Aufstockung von Hilfsgeldern fordern, mehren sich in Afrika Stimmen, die die Wirtschaftskrise als Chance sehen, sich von der Hilfe aus dem Ausland zu emanzipieren. Der kenianische Ökonom James Shikwati etwa fordert gleich die komplette Abschaffung der Entwicklungshilfe: "Hilfe ist ein unschuldiges Wort, das Problem sind die Folgen der Hilfe. Schauen Sie sich an, warum Afrika so viel Geld bekommt: das ist die Schuld eines eingespielten Systems, dass die Menschen hier in Afrika in die Armut treibt. Dieses System muss geändert werden, aber Entwicklungshilfe trägt dazu nicht bei. Im Gegenteil: man macht Afrika auf Dauer abhängig und redet den Menschen hier ein, dass sie ihre Probleme nicht selbst lösen können". Dabei verfüge Afrika über genug Ressourcen, um seine Wirtschaft selbst in die Hand zu nehmen. Die mehr als eine Billion US-Dollar Entwicklungshilfe der vergangenen 50 Jahre hingegen habe nicht nur wenig Erfolge produziert, sondern vor allem jede Eigeninitiative im Keim erstickt.

Diese Einschätzung teilt der Börsenmakler Aly-Khan Satchu, dessen Buch „Jeder kann reich werden“ in Kenia zum Bestseller geworden ist. Der afrikanische Aufschwung der vergangenen Jahre ist für ihn der Beleg dafür, dass nur Afrikaner selbst den Kontinent aus der Armut führen können.

Ein Marshallplan für Afrika

Aly-Khan Satchu erklärt: "Afrikaner sind im Herzen Unternehmer. Wo immer man hinguckt, sind Märkte, jeder versteht etwas von Preisen, vom Kaufen und Verkaufen. Afrikaner brauchen nur die Chance, dieses Wissen anzuwenden. Stellen Sie sich vor, es gelingt, das Durchschnittseinkommen von einem auf zwei Dollar am Tag zu erhöhen - und da gibt es viele Möglichkeiten, mit dem ganzen intellektuellen Kapital dieses Kontinents." Von den Industrieländern fordert Satchu allenfalls eine Art Marshallplan, um die direkten Folgen der Finanzkrise aufzufangen – den Rest, da ist er sicher, schaffe Afrika allein.

Dass die Herausforderungen riesig sind, das gibt auch der Entwicklungshilfe-Gegner Shikwati zu: Krankheiten, Hunger, Korruption und schlechte Ausbildung seien Schwächen, die aber nur mit einem Paradigmenwechsel überwunden werden könnten. Statt einer Problem-Mentalität brauche Afrika eine Mentalität der Chancen. "Bei jedem dieser Gipfel, sei es G8, sei es G20, gibt es immer wieder die gleiche Forderung: wir wollen mehr Hilfe, wir wollen mehr Geld. Was Afrika hingegen wirklich ansprechen müsste, ist die wirtschaftliche Gesamtarchitektur, die es Afrika unmöglich macht, sich zu entwickeln. Was Südafrika in London fordern sollte ist eine neue Wirtschaftsordnung, die es Afrika überhaupt ermöglicht, ernsthaft an der globalen Ökonomie teilzuhaben, sagt Shikwati.

Als eines der Haupthindernisse dafür sieht Shikwati die Weltbank, die bis heute vor allem die Interessen der Geberländer im Blick habe. Während die G20 in London über die Aufstockung von Weltbankmitteln beraten, fordert Shikwati ihre Abschaffung.

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