Südafrika wählt ein Parlament – und der neue Präsident heißt wohl Jacob Zuma. Er ist beides: Liebling des Volkes und umstritten. Ihm wurden Vergewaltigung und Korruption vorgeworfen. Er übernimmt ein Land am Abgrund. Ein Jahr vor der Fußball-WM wüten Kriminalität, Aids und Armut. Wer einmal durch ein wohlhabendes Viertel von Johannesburg fährt, der ahnt, vor welchen dramatischen Problemen Südafrika steht: Jedes Haus ist gesichert wie eine Festung; die Mauern sind mit Stacheldraht bewehrt, die Eingänge mit Kameras überwacht. Längst müssen auch die Farbigen, die in die Mittelschicht aufgestiegen sind, ihren Besitz wie die Weißen vor den vielen Millionen Habenichtsen in den Townships schützen. Kriminalität und Gewalt sind erschreckend, die Wirtschaft bricht gerade ein, Aids wütet ungebrochen. Dies sind die Herausforderungen, die der künftige Präsident Südafrikas zu bewältigen hat. Gestern waren Parlamentswahlen; der Sieger heißt wohl Jacob Zuma – es geht nur um die Frage, wie hoch seine Partei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), gewinnt. Zuma (67) ist ein Liebling der Massen – zugleich polarisiert er Freund und Feind. Nur knapp entging Zuma einem Prozess wegen Korruption. Die Staatsanwaltschaft warf ihm in 16 Fällen Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung in Zusammenhang mit Waffenhandel vor. Nun wurde das Verfahren eingestellt – Begründung: Der Prozess sei durch politische Einflussnahme nachhaltig kompromittiert. Für Zuma, der sich jahrelang gegen die Eröffnung des Strafverfahrens ge-stemmt hatte, war das Einknicken des Staates ein Triumph. Während Fürsprecher Zuma als lernfähig und jovial beschreiben, befürchten seine Kritiker eine populistische Politik der Umverteilung. Intellektuelle mokieren sich gerne über Zumas Unwissenheit und fragen, wie ein afrikanischer Traditionalist mit fünf Ehefrauen den einzigen Industriestaat Afrikas regieren soll. Bei aller begründeten Sorge wird allerdings leicht vergessen, dass es Zuma war, der sich im ANC als Einziger dem totalen Machtanspruch des im September geschassten Präsidenten Thabo Mbeki entgegenstellte – und damit die jahrelange Grabesstille in der Regierungspartei brach. Niemand hatte es dort gewagt, Mbekis diktatorische Amtsführung oder dessen skandalöse Ansichten zu den Ursachen von Aids zu kritisieren. Mbeki hatte eine effektive Bekämpfung der Krankheit verschleppt – berüchtigter Satz: Er habe noch nie auf einem Totenschein die Todesursache Aids gelesen. Auch Zuma ist allerdings ein großer Verharmloser von Aids. 2006 war er wegen Vergewaltigung angeklagt. Er wurde zwar freigesprochen, doch sorgten die Umstände des Falles für Entsetzen: Zuma, langjähriger Vorsitzender des nationalen Aids-Rates, gab zu, ungeschützten Sex mit einer Aids-infizierten Frau gehabt zu haben. Er sagte dazu, er habe gleich danach geduscht – dann sei das Ansteckungsrisiko nicht so hoch. Das ist falsch – und galt als Rückschlag für die Aids-Aufklärung in einem Land, in dem 18 Prozent der 15- bis 49-Jährigen HIV-positiv sind. Für Kopfschütteln sorgte auch, dass Zuma “kulturelle Gründe” für den Beischlaf anführte: Es sei in seiner Zulu-Volksgruppe unzulässig, sich von einer sichtbar erregten Frau abzuwenden; schon die Tatsache, dass die Frau einen Rock getragen habe, hätte ihm gezeigt, was sie von ihm wollte. Zuma gehört zur alten Riege der Widerstandskämpfer und war zehn Jahre lang auf der Sträflingsinsel Robben Island inhaftiert. Geboren wurde der Sohn einer Hausangestellten und eines Polizisten 1942 in einem kleinen Dorf in Zululand, wo er in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und kaum zur Schule ging – was er weiß, hat er sich selbst beigebracht. Börse um fast 40 Prozent gefallen Das also ist der Mann, der Südafrika durch die Weltwirtschaftskrise führen soll. Die Rohstoffpreise liegen am Boden; seit ihrem Allzeithoch im Mai 2008 ist die Börse in Johannesburg um fast 40 Prozent gefallen. Zur Fußball-WM in einem Jahr werden statt der erwarteten 900.000 ausländischen Fußball-Fans mittlerweile nur noch halb so viele zahlende Gäste erwartet. Gestiegen sind wegen der teuren Stadien allein die Baukosten – um das Vierfache auf umgerechnet über eine Milliarde Euro. Südafrika zahlt nun auch den Preis für den zwar notwendigen, aber völlig überstürzten Umbau seiner Gesellschaft. Das ständige Pochen auf Rassenproporz hat alle wichtigen Institutionen nachhaltig geschwächt. Immer öfter zählt am Kap nicht mehr die Befähigung des Einzelnen, sondern allein die (schwarze) Hautfarbe. Die Beteiligung an den Parlamentswahlen gestern war hoch. Die Bürger wählten zum vierten Mal seit Ende der Apartheid 1994 ein neues Parlament. Vor den etwa 20.000 Wahllokalen bildeten sich teils lange Warteschlangen. Mehr als 23 Millionen Menschen waren zu der Abstimmung zugelassen. Niemand zweifelt, dass der ANC die Wahl gewinnt. Jacob Zuma wird demnach im Mai vom neuen Parlament zum Präsidenten gewählt. VON WOLFGANG DRECHSLER |
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Donnerstag, 23. April 2009
Jacob Zuma - Südafrikas Schicksal
Südafrikas Schicksal
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