Fouad ist verheiratet, er hat Kinder - und er ist schwul. So konnte der Marokkaner lange Zeit recht gut leben - bis auf YouTube ein Video auftauchte, das ihn bei einer schwulen "Hochzeitsfeier" zeigt. Das brachte ihm den Hass der Islamisten und sechs Monate Gefängnis ein.
Mittlerweile ist Fouad wieder auf freiem Fuß, immer noch lebt er in der kleinen Stadt südlich von Tanger. Mit der marokkanischen Presse will er nicht sprechen - dem ARD-Hörfunk dagegen hat er ein Exklusiv-Interview gewährt. Ein Gespräch über Lebenslügen, Todesangst und das schwierige Leben als Homosexueller in einer marokkanischen Kleinstadt.
Von Marc Dugge, ARD-Hörfunkkorrespondent Rabat
Fouad will das Interview nicht zu Hause führen, lieber an einem neutralen Ort: In einem Café, wo keine "Bärtigen" sind - wie er die Islamisten nennt. Hier sitzt er nun, vor seinem Café Crème. Ein Mann in einem langen, grünen, marokkanischen Stoffgewand. Fouad ist verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Er ist 35, wirkt aber 15 Jahre älter - wegen der tiefen Falten in seinem Gesicht, die er erst vor kurzem bekommen hat.
"Das Ganze war doch nur ein Spaß"
"Ich habe zu niemandem Vertrauen mehr. Wenn ich auf eine Feier eingeladen werde, gehe ich nicht hin. Und wenn ich in der Stadt unterwegs bin, passe ich sehr darauf auf, dass mich niemand mit einem Messer angreift. Nach acht Uhr abends gehe ich sowieso nicht mehr aus dem Haus", erzählt Fouad über sein Leben nach dem Gefängnis.
Von seiner einstigen Lebensfreude ist nicht mehr viel übrig geblieben. Früher hat er als Alkoholschmuggler gut verdient, war im Dorf beliebt, das Leben war leicht. Aber seit dieser einen Feier ist nichts mehr, wie es war.
Es muss eine richtig gute Party gewesen sein. So verschwommen wie Fouads Erinnerungen sind auch die Videobilder, die auf YouTube zu sehen sind. Sie zeigen tanzende Männer, die zu harten arabischen Rhythmen ihre Hüften schwingen. Ein Mann sitzt auf einem Thron unter einem Schleier - er ist die Braut. "Das ganze war doch nur ein Spaß", sagt Fouad. Er habe doch nur eine Party feiern wollen. Aber eine neidische Konkurrentin habe das ganze Hochzeitszeug angeschleppt: Die Sänfte, den Hochzeitsfriseur, all den Schmuck - und die Videokamera.
Männerhochzeit oder Intrigenspiel?
Und dann habe sie die Islamisten gegen ihn aufgehetzt. "Sie kamen, bevor wir aufräumen konnten, und haben all die Hochzeitsgegenstände gesehen. Am nächsten Tag hat jeder davon gesprochen, dass Fouad sich mit einem Mann verheiratet habe."
Männerhochzeit oder Intrigenspiel: Was wirklich an jenem Abend im November 2007 passiert ist, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Klar ist aber: Für Fouad beginnt ein Albtraum. Auf Videoaufnahmen sieht man, wie Jugendliche Steine gegen Fouads Haus werfen. Der Mob wütet in Ksar El Kebir, angeheizt von den Islamisten. Fouad flieht in panischer Angst.
Gefängnis wegen "homosexueller Handlungen"
In praktisch allen islamischen Ländern ist Homosexualität illegal.
Dieses Bild zeigt Männer in Ägypten, die nach dem Besuch einer Party angeklagt wurden.
"Ich habe auf einmal eine enorme Kraft entwickelt. Und mich an einer alten, rostigen Fernsehantenne hochgezogen, die vom Dach herunterhing. So konnte ich mich über die Mauer zu den Nachbarn flüchten. Es war wie, wenn mich jemand tragen würde. Mir ist ein Wunder geschehen."
Den wütenden Jugendlichen entkommt er, der Justiz nicht. Fouad wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt - zusammen mit fünf anderen Partygästen. Der Vorwurf: homosexuelle Handlungen. Menschenrechtsorganisationen laufen Sturm. Sie halten für unbewiesen, dass es sich bei der Party von Ksar el Kebir tatsächlich um eine Hochzeit gehandelt hat. Und vor allem: dass es tatsächlich Sex zwischen Männern gegeben hat. Ihr Protest bleibt ohne Erfolg: Sechs Monate muss Fouad hinter Gitter. Dort sei er gut behandelt worden, sagt er. Vielleicht, weil jemand seine schützende Hand über ihn gehalten hat.
"Die Leute beginnen, zu vergessen."
Im September 2008 wird Fouad freigelassen. Er geht in die Stadt, gut gekleidet, mit seinen zwei Kindern - und mit sehr viel Angst im Bauch. "Ich habe Frauen hinter mir gehört, die gesagt haben: Das ist der mit der Hochzeit! Heute machen sich sogar Schulkinder über mich lustig. Ich verhalte mich dann so, als hätte ich nichts gehört. Aber, Gott sei Dank, die Leute beginnen, zu vergessen."
Ein drittes Kind - als Beweis für die Nachbarn
Einige klopfen ihm aber auch auf die Schulter, sprechen ihm Mut zu. Fouad ist ein Mann auf dem Weg zurück in die Gesellschaft. Heute verkauft er Fleisch statt Alkohol - aus Angst vor den "Bärtigen", den Islamisten. Demnächst wird er wohl zum dritten Mal Vater werden. Seine Frau wollte unbedingt ein drittes Kind, sagt er. Um den Nachbarn zu beweisen, dass er der Vater ihrer beiden anderen Kinder, dass er ein "echter Mann" ist.
"Meine Frau hat mich geschützt"
"Sie sind also gar nicht schwul", frage ich? "Doch, natürlich", sagt er. "Auch wenn ich verheiratet bin, lebe ich meine Homosexualität aus. Meine Frau weiß davon nichts, sie kann ja noch nicht mal richtig rechnen, sie kommt aus sehr einfachen Verhältnissen! Allerdings hat sie toll reagiert, als ich verhaftet wurde. Sie hat mich geschützt, hat all das Gerede nicht geglaubt. Sie hatte nur Angst davor, dass ich verrückt werde. Der Rest war ihr egal."
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