Piratenjagd: UNHCR warnt
Hört sich gut an, der Vorschlag aus der Union: Die deutsche Marine soll die Schiffe der Seeräuber vor Somalia einfach versenken. Doch nun zeigt sich ein Problem - die Piraten sollen auch Menschenschmuggel betreiben.
Im Golf von Aden herrscht in diesen Tagen reger Verkehr: Da sind zum einen die Handelsschiffe, die an diesem Nadelöhr zwischen Afrika und der Arabischen Halbinsel kreuzen. Geschützt werden sollen die Frachter von den Kriegsschiffen, die dort im Einsatz sind. Inzwischen sind es vier verschiedene Flotten, die im Indischen Ozean unterwegs sind: die europäische Anti-Piraten-Operation Atalanta, die Nato-Operation Allied Protector, die internationale Anti-Terror-Flotte 150 und die US-geführte Task Force 151.
Denn hier treiben die somalischen Seeräuber ihr Unwesen. Das UN-Flüchtlingshilfwerk hat nun einen schlimmen Verdacht geäußert: Die Piraten haben offenbar eine neue Strategie entdeckt, um die Kriegsschiffe auf Abstand zu halten. Sie benutzen angeblich Flüchtlinge als Schutzschilde.
Denn auch die Menschenschmuggler nutzen den Weg, um Nacht für Nacht Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlinge aus Afrika an die jemenitische Küste zu bringen. Meist nimmt davon kaum jemand Notiz. Dass viele Kapitäne wegschauen, wenn sie die oft kaum seetüchtigen Flüchtlingsboote sehen, kommt den Piraten entgegen.
"Wir haben inzwischen Anzeichen dafür, dass es Verbindungen zwischen den Piraten und den Menschenschmugglern gibt", sagt Nabil Othman, der Vize-Repräsentant des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR) im Jemen.
Die Bootsflüchtlinge, die auf der drei- bis fünftägigen Überfahrt ihr Leben riskieren, kommen fast ausschließlich aus dem Bürgerkriegsland Somalia und aus Äthiopien. Die meisten von ihnen versuchen später, vom Jemen aus durch die Wüste illegal nach Saudi-Arabien oder in den Oman zu gelangen, um dort zu arbeiten.
Doppeltes Geschäft
Offenbar haben nun auch die Piraten das Geschäft mit den Flüchtlingen entdeckt. Vor allem ein Zwischenfall vom vergangenen Monat nährt den Verdacht des UNHCR: Am 21. März stieß ein französisches Kriegsschiff im Golf von Aden auf ein völlig überladenes, manövrierunfähiges Boot mit 100 Menschen an Bord. Die französische Marine schleppte das Boot an einem Tau in den Hafen der jemenitischen Stadt Aden. Als die Flüchtlinge alle gleichzeitig auf eine Seite liefen, um auszusteigen, kenterte das Boot. Acht Menschen ertranken.
Die Überlebenden identifizierten anschließend vier Passagiere als Menschenschmuggler. Doch die Waffen, die später im Rumpf des Bootes gefunden wurden, deuten darauf hin, dass die Somalier, die den Flüchtlingen für die illegale Überfahrt viel Geld abgenommen hatten, auch Piraten sind. "Es gibt inzwischen Somalier, die auf der Überfahrt ein doppeltes Geschäft machen, erst bringen sie Flüchtlinge in den Jemen, und auf dem Weg zurück überfallen sie ein Schiff", sagt ein Somalier, der seit Jahrzehnten in Aden lebt.
Diese neue Strategie erschwert nun zusätzlich den Militärmissionen am Horn von Afrika die Arbeit. Denn gerade nach dem Drama um US-Kapitän Richard Phillips werden von allen Seiten Forderungen nach einem härteren Vorgehen laut - der Unionsinnenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) will die Schiffe der Seeräuber gar von der Bundeswehr versenken lassen. Bei Piratenangriffen könne es nur eine einzige richtige Antwort geben: "Die Schiffe der Seeräuber müssen auf hoher See unverzüglich versenkt werden", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant Ulrich Kirsch, hält ein härteres Vorgehen gegen die Piraten vor der Küste Somalias für geboten. "Was bisher geschieht, hat sich nur sektoral bewährt", sagte Kirsch der Mitteldeutschen Zeitung vom Freitag. "Wir kommen nicht umhin, Mutterschiffe anzugreifen und gekaperte Schiffe zu befreien." Die Seeräuber agierten wie Unternehmer und steckten erbeutetes Geld in bessere Waffen und größere Schiffe. Gelinge es nicht, dem entschlossen Einhalt zu gebieten, "wird das Problem größer, nicht kleiner", sagte Kirsch.
Die Bundesregierung hält das Marine-Mandat zur Bekämpfung der Piraterie hingegen für völlig ausreichend. Forderungen nach schärferen Regeln seien überflüssig, weil die bestehenden bereits scharf seien, erklärten Regierungssprecher. Danach darf die deutsche Marine ausdrücklich auch Gewalt gegen Piraten und ihre Schiffe anwenden. Allerdings ist oberste Priorität des Einsatzes, Schiffe des Welternährungsprogramms zu schützen, damit diese Nahrungsmitteln an die hungernde Bevölkerung etwa in Somalia liefern können.
Menschenschmuggler machen Werbung
In Somalia, wo sich ganze Polizeieinheiten und viele frühere Marineoffiziere den Seeräubern angeschlossen haben, geben sich die Menschenschmuggler derweil große Mühe, die Nachfrage anzukurbeln. Den Fernsehbildern von ertrunkenen Bootsflüchtlingen stellen sie selbstproduzierte Werbefilmchen entgegen. Dort sind Somalis zu sehen, die in Saudi-Arabien oder Dubai in schönen Wohnungen wohnen und gepflegte Autos fahren.
Im vergangenen Jahr kamen nach Zählung des UNHCR rund 51.000 afrikanische Bootsflüchtlinge in den Jemen. Dieses Jahr zählte die Organisation bereits 17.963 Neuankömmlinge. 53 Somalier und 49 Äthiopier wurden tot am Strand gefunden. 14 Flüchtlinge starben auf hoher See. "Das sind nur diejenigen Flüchtlinge, von denen wir wissen, vielleicht sind es zwei- oder dreimal so viele", sagt Nabil Othman.
Die Somalier dürfen in der Regel als Flüchtlinge im Jemen bleiben, die meisten Äthiopier werden, wenn sie erwischt werden, in ihre Heimat abgeschoben. "Somalia ist ein Dschungel geworden", sagt Othman weiter. Er glaubt nicht, dass der Flüchtlingsstrom im Golf von Aden bald verebben wird.
Hört sich gut an, der Vorschlag aus der Union: Die deutsche Marine soll die Schiffe der Seeräuber vor Somalia einfach versenken. Doch nun zeigt sich ein Problem - die Piraten sollen auch Menschenschmuggel betreiben.
Aufgegriffene Seeräuber vor Somalia: Politiker fordern ein härteres Vorgehen im Kampf gegen die Piraterie.
Im Golf von Aden herrscht in diesen Tagen reger Verkehr: Da sind zum einen die Handelsschiffe, die an diesem Nadelöhr zwischen Afrika und der Arabischen Halbinsel kreuzen. Geschützt werden sollen die Frachter von den Kriegsschiffen, die dort im Einsatz sind. Inzwischen sind es vier verschiedene Flotten, die im Indischen Ozean unterwegs sind: die europäische Anti-Piraten-Operation Atalanta, die Nato-Operation Allied Protector, die internationale Anti-Terror-Flotte 150 und die US-geführte Task Force 151.
Denn hier treiben die somalischen Seeräuber ihr Unwesen. Das UN-Flüchtlingshilfwerk hat nun einen schlimmen Verdacht geäußert: Die Piraten haben offenbar eine neue Strategie entdeckt, um die Kriegsschiffe auf Abstand zu halten. Sie benutzen angeblich Flüchtlinge als Schutzschilde.
Denn auch die Menschenschmuggler nutzen den Weg, um Nacht für Nacht Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlinge aus Afrika an die jemenitische Küste zu bringen. Meist nimmt davon kaum jemand Notiz. Dass viele Kapitäne wegschauen, wenn sie die oft kaum seetüchtigen Flüchtlingsboote sehen, kommt den Piraten entgegen.
"Wir haben inzwischen Anzeichen dafür, dass es Verbindungen zwischen den Piraten und den Menschenschmugglern gibt", sagt Nabil Othman, der Vize-Repräsentant des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR) im Jemen.
Die Bootsflüchtlinge, die auf der drei- bis fünftägigen Überfahrt ihr Leben riskieren, kommen fast ausschließlich aus dem Bürgerkriegsland Somalia und aus Äthiopien. Die meisten von ihnen versuchen später, vom Jemen aus durch die Wüste illegal nach Saudi-Arabien oder in den Oman zu gelangen, um dort zu arbeiten.
Doppeltes Geschäft
Offenbar haben nun auch die Piraten das Geschäft mit den Flüchtlingen entdeckt. Vor allem ein Zwischenfall vom vergangenen Monat nährt den Verdacht des UNHCR: Am 21. März stieß ein französisches Kriegsschiff im Golf von Aden auf ein völlig überladenes, manövrierunfähiges Boot mit 100 Menschen an Bord. Die französische Marine schleppte das Boot an einem Tau in den Hafen der jemenitischen Stadt Aden. Als die Flüchtlinge alle gleichzeitig auf eine Seite liefen, um auszusteigen, kenterte das Boot. Acht Menschen ertranken.
Die Überlebenden identifizierten anschließend vier Passagiere als Menschenschmuggler. Doch die Waffen, die später im Rumpf des Bootes gefunden wurden, deuten darauf hin, dass die Somalier, die den Flüchtlingen für die illegale Überfahrt viel Geld abgenommen hatten, auch Piraten sind. "Es gibt inzwischen Somalier, die auf der Überfahrt ein doppeltes Geschäft machen, erst bringen sie Flüchtlinge in den Jemen, und auf dem Weg zurück überfallen sie ein Schiff", sagt ein Somalier, der seit Jahrzehnten in Aden lebt.
Diese neue Strategie erschwert nun zusätzlich den Militärmissionen am Horn von Afrika die Arbeit. Denn gerade nach dem Drama um US-Kapitän Richard Phillips werden von allen Seiten Forderungen nach einem härteren Vorgehen laut - der Unionsinnenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) will die Schiffe der Seeräuber gar von der Bundeswehr versenken lassen. Bei Piratenangriffen könne es nur eine einzige richtige Antwort geben: "Die Schiffe der Seeräuber müssen auf hoher See unverzüglich versenkt werden", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant Ulrich Kirsch, hält ein härteres Vorgehen gegen die Piraten vor der Küste Somalias für geboten. "Was bisher geschieht, hat sich nur sektoral bewährt", sagte Kirsch der Mitteldeutschen Zeitung vom Freitag. "Wir kommen nicht umhin, Mutterschiffe anzugreifen und gekaperte Schiffe zu befreien." Die Seeräuber agierten wie Unternehmer und steckten erbeutetes Geld in bessere Waffen und größere Schiffe. Gelinge es nicht, dem entschlossen Einhalt zu gebieten, "wird das Problem größer, nicht kleiner", sagte Kirsch.
Die Bundesregierung hält das Marine-Mandat zur Bekämpfung der Piraterie hingegen für völlig ausreichend. Forderungen nach schärferen Regeln seien überflüssig, weil die bestehenden bereits scharf seien, erklärten Regierungssprecher. Danach darf die deutsche Marine ausdrücklich auch Gewalt gegen Piraten und ihre Schiffe anwenden. Allerdings ist oberste Priorität des Einsatzes, Schiffe des Welternährungsprogramms zu schützen, damit diese Nahrungsmitteln an die hungernde Bevölkerung etwa in Somalia liefern können.
Menschenschmuggler machen Werbung
In Somalia, wo sich ganze Polizeieinheiten und viele frühere Marineoffiziere den Seeräubern angeschlossen haben, geben sich die Menschenschmuggler derweil große Mühe, die Nachfrage anzukurbeln. Den Fernsehbildern von ertrunkenen Bootsflüchtlingen stellen sie selbstproduzierte Werbefilmchen entgegen. Dort sind Somalis zu sehen, die in Saudi-Arabien oder Dubai in schönen Wohnungen wohnen und gepflegte Autos fahren.
Im vergangenen Jahr kamen nach Zählung des UNHCR rund 51.000 afrikanische Bootsflüchtlinge in den Jemen. Dieses Jahr zählte die Organisation bereits 17.963 Neuankömmlinge. 53 Somalier und 49 Äthiopier wurden tot am Strand gefunden. 14 Flüchtlinge starben auf hoher See. "Das sind nur diejenigen Flüchtlinge, von denen wir wissen, vielleicht sind es zwei- oder dreimal so viele", sagt Nabil Othman.
Die Somalier dürfen in der Regel als Flüchtlinge im Jemen bleiben, die meisten Äthiopier werden, wenn sie erwischt werden, in ihre Heimat abgeschoben. "Somalia ist ein Dschungel geworden", sagt Othman weiter. Er glaubt nicht, dass der Flüchtlingsstrom im Golf von Aden bald verebben wird.
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