Dienstag, 21. April 2009

Firmenjäger verzocken sich mit deutschen Investments

Von Anne Seith und Mark Fehr

Sie galten als heimliche Herrscher der Wirtschaft, stemmten spektakuläre Deals dank hoher Schulden - in der Finanzkrise aber implodiert das Geschäftsmodell der "Heuschrecken" aus der Private-Equity-Branche. SPIEGEL ONLINE zeigt die Verlustbringer.

Frankfurt am Main/ Hamburg - Auch David Rubenstein hat sich mitreißen lassen, das gesteht er zerknirscht ein. "Ich vergleiche das mit Sex", erklärte der Mitbegründer des Private-Equity-Riesen Carlyle kürzlich auf einer Konferenz an der Harvard Business School. "Du erkennst, dass du gewisse Dinge nicht tun solltest. Aber das Bedürfnis ist da, und du kannst nicht widerstehen."

Rubenstein gilt als Pionier der Branche, er ist einer jener mächtigen Finanzmanager, die noch bis vor kurzem als die großen Geldmacher des 21. Jahrhunderts gefeiert wurden. Die Übernahmen für zweistellige Milliardensummen scheinbar mühelos stemmten. "Heimliche Herrscher" nannte die "Wirtschaftswoche" Rubenstein und seine Kollegen, die sich auch in Deutschland in immer mehr Branchen einkauften. Das war im Juli 2007.

Doch jetzt bekommen die forschen Finanzjongleure täglich die Quittungen für ihre oft waghalsigen Deals auf den Tisch. In Deutschland etwa hat sich der britische Investor Argyll an Woolworth verhoben, der niederländische Wettbewerber Mercatoria Acquisitions scheiterte an der Sanierung von Hertie - beide Warenhausketten haben inzwischen Insolvenz angemeldet. Rubensteins Carlyle-Group musste kürzlich den Autozulieferer Edscha in die Insolvenz führen.

Selbst für Investments, denen nicht die Pleite droht, werden oft hohe Abschreibungen fällig. So steht der einst für vier Milliarden Euro erworbene Gabelstapler-Hersteller Kion inzwischen nur noch mit einem Fünftel seines früheren Wertes in den Büchern von KKR. Seine Anteile an der dahinsiechenden Senderkette ProSiebenSat.1 hat das Private-Equity-Unternehmen bereits mit null bewertet. Insgesamt mussten für das Portfolio der KKR-Tochter PEI in einem einzigen Quartal 1,2 Milliarden Dollar abgeschrieben werden. Der Branchenriese Blackstone verringerte den Buchwert seiner Firmen 2008 um mehr als ein Viertel und meldete einen Jahresverlust von 1,33 Milliarden Dollar.

Eine Studie der Boston Consulting Group und der IESE Business School prognostiziert 20 bis 40 Prozent aller Private-Equity-Unternehmen in den kommenden drei Jahren das Aus. Es ist, als ob das einst gefeierte Geschäftsmodell der Branche in der Krise implodiert. Dabei erschien die Idee so simpel wie genial: Geld bei Investoren einsammeln, unterbewertete oder sanierungsbedürftige Firmen kaufen, aufpäppeln und mit Gewinn weiterverkaufen. Mit den Jahren vertrauten Pensionsfonds, Universitäten und Privatanleger der Branche immer höhere Summen an, Zusagen in Höhe von mehreren hundert Milliarden erhielten die erfolgsverwöhnten Manager zum Schluss jedes Jahr.

Doch die oft traumhaften Renditen, die sie für ihre Fonds erreichten, gab es nicht ohne entsprechend riskante Planung. Mancher Finanzinvestor brachte am Ende nur noch 15 oder 20 Prozent Eigenkapital mit für eine Übernahme. Den Rest schossen die Banken zu, die mit der Kreditvergabe ebenfalls sagenhafte Geschäfte machten - und der Branche das Geld deshalb "quasi hinterhergeworfen" haben, wie Christian Aders, Deutschland-Chef der Beratungsfirma Duff & Phelps sich erinnert.

Die Schuldenlast wurde traditionell den eingekauften Unternehmen übertragen - in Annahme glänzender Geschäftsaussichten und flexibler Refinanzierungsmöglichkeiten. Doch mit der Finanzkrise haben die einst so generösen Banken abrupt den Geldhahn zugedreht. Hinzu kommen die bei Private-Equity-Transaktionen üblichen "covenants" - bestimmte Ergebnisziele, bei deren Nichterreichung Kredite gekündigt werden können. Sollte die Wirtschaft weiter so schlecht laufen, könnten viele weitere Unternehmen in Private-Equity-Hand aufgrund dieser Klauseln ein "ernsthaftes Problem bekommen", glaubt der auf die Branche spezialisierte Anwalt Jan Bayer von Broich Bezzenberger.

Kein Wunder, dass die Hausherren aus der Finanzbranche sich derzeit voll und ganz auf die gekauften Unternehmen konzentrieren. "Die Feuer im Portfolio austreten", nennt es Bayer.

Die Firmenjagd ist ausgesetzt

33 Milliarden Dollar zahlte ein Private-Equity-Konsortium 2006 für den US-Klinikbetreiber HCA, KKR und TPG blätterten 45 Milliarden Dollar für den texanischen Stromversorger TXU hin. Solche Mega-Deals erinnern heute an Finanz-Märchen aus einer anderen Zeit. Der Markt für Einkäufe "war im vergangenen Jahr tot", gesteht selbst Hanns Ostmeier, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des deutschen Branchenverbands BVK ein. Wenn Private-Equity-Firmen noch zuschlagen, dann höchstens bei kleinen und mittleren Unternehmen.

Dabei scheint die Zeit für Schnäppchenjäger ideal. Im Bereich der Telekommunikation oder bei den Energieunternehmen etwa gebe es bereits "sehr gute Kaufgelegenheiten", sagt Duff-&-Phelps-Fachmann Aders.

Doch nicht nur Kredite sind schwer aufzutreiben - auch neue Investoren dürften kaum zu finden sein. BVK-Fachmann Ostmeier weist zwar darauf hin, dass die Branche Statistiken zufolge noch auf einer Billion Dollar an Mitteln sitzte - doch Anwalt Bayer bezweifelt, dass es sich dabei um mehr als eine "Papiergröße" handelt.

Das Problem: Wenn ein Fonds aufgelegt wird, machen die Investoren lediglich Zusagen über bestimmte Summen. Abgerufen wird das Geld erst, wenn ein Deal tatsächlich ansteht. In der aktuellen Krise sind aber auch Geldgeber wie etwa die großen US-Pensionsfonds mächtig ins Taumeln geraten. "Viele können ihre Zusagen deshalb gar nicht einhalten, sollten sie abgerufen werden", glaubt Anwalt Bayer. Branchenkenner Aders sagt: "Man hört von Gesprächen mit Investoren, die ihre Zusagen verringern wollen."

"Exzesse werden wir nicht mehr sehen"

Insider und Beobachter sind sich einig: Die Private-Equity-Branche wird sich nach der Krise gründlich verändert haben. "Die Exzesse von 2006 und 2007 werden wir nicht mehr sehen", sagt Aders. Auch der Deutschlandchef von Barclays Private Equity, Peter Hammermann, sagt: "Künftig werden Deals wahrscheinlich mit einem höheren Eigenkapitalanteil finanziert werden".

Es stelle sich auch die Frage, ob das Geschäftsmodell der großen Player noch trägt, "die vor allem auf große Deals spezialisiert sind", fügt Aders noch hinzu. "Vielleicht müssen sie künftig auf kleinere Übernahmen setzen, um das Risiko breiter zu streuen." Das aber würde erhebliche Mehrarbeit bedeuten und zu einer grundlegenden Umstrukturierung in vielen Firmen führen, die traditionell von einer sehr kleinen Garde hoch bezahlter Manager geführt werden.

Trotzdem: "Tot" sei die Industrie auf keinen Fall, betont Aders. Es gehöre zur modernen Wirtschaft, "dass unterbewertete Firmen von Finanzinvestoren aufgekauft werden". Schließlich bieten die oft als "Heuschrecken" verunglimpften Investoren für viele Unternehmen auch Chancen. "Ein Private-Equity-Unternehmen als Besitzer oder potentieller Besitzer diszipliniert ja auch das Management", sagt Aders. Auch Barclays-Deutschland-Chef Hammermann betont: "Mit den Finanzmitteln eines Private-Equity-Unternehmens im Hintergrund eröffnen sich ganz andere Möglichkeiten als nur durch organisches Wachstum."

Auch für die Investoren werde die Anlage in Private Equity nach der Krise noch interessant sein, ist Aders überzeugt. Die Renditen hätten in der Vergangenheit in der Regel drei bis fünf Prozent über denen des Aktienmarkts gelegen - "das wird auch in Zukunft wieder so sein".

US-Pionier Rubenstein ist ebenfalls sicher, dass wenigstens die Großen der Branche überleben werden. "Wir alle haben Deals abgeschlossen, von denen wir wünschen, wir hätten sie nicht gemacht", sagt er. "Aber wir sind ausreichend kapitalisiert." Am Ende werde die Branche stärker denn je aus dieser Krise hervorgehen. "Letztendlich werden die besten Private-Equity-Deals aller Zeiten in dieser Zeit getätigt werden."

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