Fliegen summen. Gelbes Licht fällt auf schäbige Behausungen aus Wellblech. Der Spieler hat die Hauptfigur Chris Redford nur wenige Meter durch den fiktiven westafrikanischen Ort Kijuju gesteuert, als klar wird, dass hier Ungemach droht. Kurz darauf stürzt sich eine Masse aggressiver Schwarzer mit verzerrten Gesichtern und blutunterlaufenen Augen auf uns.
Das für seine Grusel-Momente bekannte Spiel Resident Evil hat seine jüngste Episode nach Afrika verlegt und denkt dabei nicht einen Pixel weit über das Klischee vom schwarzen Mann hinaus: Die Gegner der Spieler sind Schwarze, die ein Virus zu animalischen Kämpfern macht. Am Wegesrand finden sich immer wieder Einheimische in Feder-Schmuck und Leoparden-Höschen, die abstrusen Zauber-Ritualen verfallen sind.
Nicht wenige Menschen afrikanischer Herkunft zeigten sich über diese Bilder verärgert. Einige Journalisten und Blogger warfen Resident Evil 5 gar Rassismus vor. Die Debatte schwelt seit 2007, als in Los Angeles die erste Vorschau gezeigt wurde. Newsweek-Redakteur N'Gai Croal bezeichnete den Trailer damals als rassenfeindlich. Capcom, der japanische Entwickler, stellte dem Helden daraufhin eine Begleiterin namens Sheva Alomar zur Seite. Sie war zwar nicht wirklich schwarz, aber immerhin relativ dunkelhäutig.
Als Reaktion auf die Kritik wollte man das aber nicht verstanden wissen. "Wir haben ohnehin nie beabsichtigt, jemanden zu provozieren", sagt Chefentwickler Jun Takeuchi. "Auf der anderen Seite wollen wir aber auch nicht in einer Welt leben, in der es unmöglich ist, ein Spiel zu entwickeln, das in einem afrikanischen oder arabischen Land spielt. Das wäre selbst eine Form von Rassismus."
Afrikanische Umgebung – afrikanische Gegner, das klingt erst einmal logisch. In der vorangegangen Folge musste der Spieler in Europa gegen Zombies kämpfen. Niemand beschwerte sich damals über die Verunglimpfung der spanischen Dorfbevölkerung.
Die meisten Spieler sehen dazu auch keinen Grund. Über 1,5 Millionen Mal verkaufte sich der Titel im ersten Monat, stand in den USA zeitweise auf Platz 1 der Hitlisten sowohl für die Playstation 3 als auch für die Xbox 360. Ein Fan namens "ricochet76″ etwa schreibt im 4players-Forum: "Mannoman, was für ein Mist jemand verbreiten kann; was ist daran rassistisch?! Was?! Es geht um Zombies, egal ob schwarz, weiß oder gelb."
"Die Spieler reagieren inzwischen ziemlich genervt auf jede Form von Kritik von außen", sagt der Computerspielforscher Michael Liebe. "Das ist aber eher ein Problem der Art und der Permanenz der Kritik", sagt er und meint die als leidig empfundene Debatte um Gewalt in Games. Andererseits ist er davon überzeugt, dass Spiele durchaus in der Lage sind, Ideologien zu kommunizieren.
Dies gilt wohl genauso für die Verbreitung von Stereotypen in Computerspielen, diese gibt es zuhauf. Die Website Game Daily hat eine Galerie der Spiele zusammengestellt, die nach Meinung der Redaktion die übelsten Stereotypen versammelt: Darunter ist das Spiel Grand Theft Auto: Vice City – Rockstar, in dem Haitianer Opfer von gezielten Computer-Gemetzeln werden. Oder Hitman 2: Silent Assassin, das Turban-Träger in einem Sikh-Tempel ins Fadenkreuz nimmt. Shadow Warrior - 3D Realms fing sich die Kritik eines Forschers von der British Columbia Universität ein, der es für seine asiatischen Stereotype und seine Unsensibilität schalt, weil der Hauptdarsteller, bevor er seine Feinde tötete, ausrief: "Genau wie in Hiroshima!"
Karen Dill, Professorin für Psychologie aus North Carolina, hat jüngst Darstellungen von Minoritäten in Games untersucht. Dazu analysierte sie Fotos aus Computerspiel-Magazinen. Ihr Ergebnis: Schwarze und Latinos waren häufiger als Athleten oder Aggressoren abgebildet. Schwarze Männer trugen seltener Schutzkleidung und waren technisch weniger gut ausgestattet als Weiße. Asiaten wurden häufig als intellektuell überlegen aber physisch schwächer dargestellt.
Bei Resident Evil 5 findet Spieleforscher Liebe zwar, das Setting sei "etwas unsensibel" gewählt. Allerdings entlarve die Kritik hauptsächlich die Vorurteile der Kritiker selbst. Man finde die "unbewusst instrumentalisierte Angst vorm Schwarzen Mann" nur, wenn man gezielt danach suche.
Für bedenklicher hält Liebe Spiele wie Far Cry 2, in dem ein weißer Söldner in Afrika in den Dschungelkrieg gegen schwarze Soldaten zieht. Auch Americas Army, der offiziell zu Rekrutierungszwecken eingesetzte Shooter des US-Verteidigungsministeriums sei bedenklich. Der Spieler habe im Gegensatz etwa zu Counterstrike keine Wahl, ob er lieber Amerikaner sein will oder Terrorist.
Doch brauchen Stereotypen jemanden, der ihnen glaubt: "Allerdings kommt es sehr stark auf den einzelnen Spieler an, ob er für die vermittelten Werte empfänglich ist oder sogar gezielt danach sucht", sagt Liebe. Man könne ein Spiel auch als reines Reiz-Reaktionsschema betrachten, in dem es schlicht um Sieg oder Niederlage gehe.
"Das Spiel selbst ist moralfrei", sagt die Gießener Kulturwissenschaftlerin Kirsten Pohl, "Gewalt in ihm ist ein legitimes Mittel." Wenn sich alle kooperativ verhielten, würde auch Skat oder Mensch-Ärgere-Dich-nicht zur Gähnpartie. Doch existierten Spiele deswegen nicht im moralfreien Raum. Ein Spiel, in dem man den Holocaust in der aktiven Rolle nachspielte, sei undenkbar.
Pohl sieht das Problem eher darin, dass die meisten Computerspiele über Klischees nicht hinauskommen. "Deshalb werden Spiele auch so selten als relevantes Medium wahrgenommen." Dabei könnten sie ebenso Aufschluss geben über Phänomene der Zeit wie etwa Musik oder Filme. "Die Rassismus-Debatte zeigt immerhin, dass man beginnt, das Medium ernst zu nehmen", sagt Pohl.
Von Meike Richter
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