Montag, 27. April 2009

Marc Engelhardt über den Widerstand afrikanischer Ökonomen gegen Hilfsgelder

Der einzige afrikanische Regierungschef, der beim G 20-Gipfel in London mit am Tisch saß, zeigte sich am Tag danach mit den Ergebnissen zufrieden. „Es gibt den festen Willen, die Weltwirtschaftskrise schnell in den Griff zu bekommen“, erklärte Südafrikas Präsident Kgalema Motlanthe. Einhundert Milliarden US-Dollar sollen direkt an Entwicklungsländer fließen, dazu kommen 750 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und weitere 250 Milliarden zur Ankurbelung der Weltwirtschaft. „Die Ärmsten wurden nicht vergessen“, freuten sich auch Entwicklungsorganisationen wie Bob Geldofs Netzwerk One.

Doch innerhalb Afrikas mehren sich die Stimmen, die die Wirtschaftskrise als Chance sehen, sich von der Hilfe aus dem Ausland zu emanzipieren. Einer der wortgewaltigsten Kritiker ist der kenianische Ökonom James Shikwati, der die Entwicklungshilfe komplett abschaffen will. „Hilfe, das klingt so unschuldig“, sagt Shikwati. „Aber das Problem sind die Folgen: Hilfe macht Afrika auf Dauer abhängig und redet den Menschen hier ein, dass sie ihre Probleme nicht selbst lösen können.“ Shikwati spricht von einem eingespielten System, dass Afrika in die Armut treibt. Die Entwicklungshilfe trage nicht zur Veränderung des Systems bei, sondern stütze es. „Nehmen Sie den IWF, der afrikanischen Staaten ständig neue Bedingungen auferlegt, unter denen sie Geld bekommen können: All diese Bedingungen nutzen zu allererst den Gebern im Westen, nicht den Empfängern.“ Deshalb fordert Shikwati eine Loskoppelung von Weltbank und IWF und den Aufbau eigener Institutionen wie eine afrikanische Zentralbank. „Für jeden Dollar Hilfe fließen hingegen 1,30 Dollar in die industrialisierte Welt zurück.“

Auch Praktiker aus der Wirtschaft schlagen inzwischen ganz ähnliche Töne an. Die sambische Ökonomin Dambisa Moyo, die bis vor kurzem bei der Investmentbank Goldman Sachs gearbeitet hat, wirft der Entwicklungshilfe Versagen vor. „Mehr als eine Billion US-Dollar Entwicklungshilfe in den vergangenen fünfzig Jahre haben kaum etwas erreicht.“ Hilfsgelder führten nicht zu Wachstum, sondern seien im Gegenteil eine Wachstumsbremse. „Hilfe führt zu Korruption, sie manifestiert Abhängigkeiten und nährt eine Bürokratie, die auf die Verwaltung des Status Quo statt auf die Förderung einer Unternehmerschicht ausgerichtet ist.“ Das gute an der Krise, sagt Moyo, deren Buch „Dead Aid“ gerade erschienen ist, sei der Zwang zum Wandel.

Dass Afrika sich selbst aus der Not befreien muss, glaubt auch der Börsenmakler Aly-Khan Satchu. Sein Ratgeber „Jeder kann reich werden“, der Bürgern helfen soll, zu Investoren zu werden, ist in Kenia zum Bestseller geworden. „Afrikaner sind im Herzen Unternehmer“, sagt Satchu. „Wo immer man hinguckt, sind Märkte, jeder versteht etwas von Preisen, vom Kaufen und Verkaufen, die Leute brauchen nur die Chance, dieses Wissen anzuwenden.“ Satchu verweist auf die Wachstumsraten der vergangenen fünf Jahre. In Ländern wie Südafrika oder Botswana, die das Unternehmertum gefördert hätten, sei die Wirtschaft überproportional gestiegen. „Derzeit haben wir eine Problem-Mentalität: Es gibt Probleme und man wartet, dass jemand hilft“, so Shikwati.

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