Von Matthias Kremp
Die amerikanische Bundespolizei FBI benutzt Schnüffelsoftware, um Erpressern, Terroristen und Hackern auf die Spur zu kommen. Jetzt ist ein Dokument veröffentlicht worden, aus dem hervorgeht, wie und vor allem wie oft die sogenannte Spyware zum Einsatz kommt.
Viel scheinen die Dokumente auf den ersten Blick nicht preiszugeben, doch tatsächlich lesen sie sich wie ein Hightech-Thriller. Offensichtlich haben sich FBI-Mitarbeiter reichlich Mühe gegeben alle Passagen unlesbar zu machen, die auch jetzt noch als geheim eingestuft werden. Eigentlich, auch das ist den 152 Seiten digitalisierten Behördenpapiers (PDF) zu entnehmen, hätte kaum etwas davon vor dem Jahr 2033 öffentlich gemacht werden sollen. Doch dieser Plan ist gescheitert. Schon jetzt gibt das Material einen tiefen Einblick in die Hightech-Ermittlungsmethoden der US-Bundespolizei.
Dass die als geheim klassifizierten Dokumente überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt sind, ist dem amerikanischen Gesetz zur Informationsfreiheit, dem Freedom of Information Act, zu verdanken. Dieses Gesetz gesteht jedem Bürger das Recht zu, Einsicht in Regierungsakten zu erhalten. Und genau diese Einsicht in FBI-Akten hat das US-Magazin "Wired" nun eingefordert - und bewilligt bekommen.
Insgesamt 623 Seiten, die mit der fraglichen Spionage-Software zusammenhängen, hält die Behörde weiterhin zurück. Immerhin 152 Seiten aber hat das FBI freigegeben und damit vor allem öffentlich gemacht, wie oft und wie intensiv die Polizeibehörde schon seit Jahren auf Hackermethoden zurückgreift, um Verdächtige dingfest zu machen.
Bei den Ermittlern ist die Schnüffelsoftware beliebt
Die Schüffelsoftware des FBI kam bereits im Sommer 2007 ans Licht der Öffentlichkeit. Schon damals hatte " Wired" darüber berichtet, wie das FBI mit Hilfe des Spionageprogramms den 15-jährigen Josh Glazebrook überführt hatte. Der Schüler hatte per E-Mail anonyme Bombendrohungen an seine Schule geschickt, war aber mit herkömmlichen Fahndungsmethoden nicht ausfindig zu machen.
Die für diesen Einsatz verwendete Software bezeichnete ein FBI-Agent als "Computer and Internet Protocol Address Verifier", kurz CIPAV. Einmal auf dem Rechner des Verdächtigen eingerichtet, ermittelt das Programm laut "Wired" diverse Informationen über die Software, die Hardware und die Internet-Anbindung des gekaperten Rechners. Die so gesammelten Informationen übermitteln die Software dann an einen FBI-Server im Bundesstaat Virginia und versetzt sich danach in einen Lauschmodus, um bei Bedarf wieder aktiv zu werden.
Bisher war man davon ausgegangen, die Software sei nur in wenigen Fällen eingesetzt worden. Doch dem ist offenbar nicht so. Wie den jetzt veröffentlichten Dokumenten zu entnehmen ist, wurde das Spionageprogramm wohl derart inflationär eingesetzt, dass ein FBI-Mitarbeiter bereits auf der ersten Seite in einem Memo darauf hinwies, die oft nicht gerechtfertigte Verwendung könne "schwierige rechtliche Fragen" heraufbeschwören und berge die Gefahr, die Software könnte enttarnt werden.
Hackermethoden bei der Polizeibehörde
Genau das ist mit der Veröffentlichung der FBI-Papiere geschehen. So ist den Dokumenten zu entnehmen, wie das Schadprogramm auf die Rechner der Verdächtigen eingeschleust wird. Statt sich alter Geheimdienstmethoden zu bedienen, womöglich Wohnung oder Büro der Zielperson aufzubrechen und die Software von Hand auf dem PC des Betroffenen zu installieren, verwenden die Ermittler moderne und vollkommen phantasielose Cybercrime-Methoden.
So nutzen die FBI-Spezialisten Sicherheitslücken im Web-Browser der Zielperson, um sich unbemerkt Zugriff auf deren Rechner zu erschleichen. Mit simplen Tricks locken sie die Verdächtigen auf präparierte Web-Seiten, animieren sie dazu auf einen bestimmten Link zu klicken, wodurch das Schnüffelprogramm installiert wird. Genau auf diese Weise ist den Fahndern auch jener Josh Glazebrook in die Falle gegangen, durch dessen Fall "Wired" auf die Software aufmerksam wurde.
Nicht immer klappt's auf Anhieb
Den Papieren zufolge hatte man die Web-Adresse der als Lockmittel präparierten Web-Seite in einem privaten MySpace-Chatraum plaziert, den der Schüler nutzte. Kaum war der den Internet-Ermittlern auf den Leim gegangen, begann CIPAV Daten über dessen Online-Aktivitäten an das FBI zu senden - auch wenn er Drohmails an seine Schule schickte.
Interessant dabei: Das amerikanische Spionageprogramm protokolliert nur die Internet-Adressen der Computer, die der Verdächtige ansteuert. Aufzeichnungen über die Inhalte von E-Mails oder angesurften Web-Seiten werden nicht angefertigt. Ganz ähnlich funktioniert in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung der Internet-Provider, die ebenfalls nur Adressen, nicht aber Inhalte protokollieren.
Allerdings ist den Papieren auch zu entnehmen, dass der Installationsvorgang nicht immer so glatt abläuft wie im Fall von Josh Glazebrook. So stand bei einer anderen Aktion ein Hacker im Visier des FBI. Insgesamt 29-mal besuchte der Mann die präparierte Web-Seite, ohne sich dabei die FBI-Software einzufangen. Offenbar hatte irgendeine Inkompatibilität mit dem System des Hackers die Installationsroutine des Spionageprogramms lahmgelegt. Erst als der zuständige Beamte seine Technikspezialisten um Hilfe bat, ging plötzlich doch alles glatt und die Software installierte sich.
Das Ende der Anonymität?
Trotz solche Fehlschläge dokumentieren die FBI-Aufzeichnungen, dass ihre Schnüffelsoftware in etlichen Fällen erfolgreich eingesetzt wurde. So etwa im Falle eines Mannes, der vermeintlich anonyme Drohmails über einen Hotmail-Account verschickte. Sogar ein waschechter Auftragsmörder ist dem elektronischen Spion in die Falle gegangen, als er versuchte, seine Dienste online über einen anonymen E-Mail-Anschluss anzubieten.
Solche Fälle dokumentieren, was nach Ansicht von "Wired" die Spezialität der Software zu sein scheint: Internet-Nutzer zu enttarnen, die versuchen, ihre Identität zu verschleiern, indem sie Proxy-Server oder Anonymisierungsdienste nutzen. Genau diese Fähigkeit soll 2005 genutzt worden sein, um einen Mann dingfest zu machen, der versuchte, mehrere Telekommunikationsunternehmen zu erpressen.
Der Erpresser hatte zunächst diverse Telekommunikationsleitungen in Boston durchtrennt, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, die Unternehmen dann dazu aufgefordert, ihm ein monatliches Schutzgeld in Höhe von 10.000 Dollar auf ein anonymes Konto zu zahlen. Die Kontodaten sollten ihm über eine Web-Seite übermittelt werden, die er über einen angeblich deutschen Anonymisierungsdienst, vermutlich das Projekt AN.ON, ansteuert. Doch seine Verschleierungstaktik nützte ihm nichts, das FBI-Spionageprogramm spürte ihn allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz auf.
Dieser Automatismus, mit der sich das FBI-Programm offenbar immer wieder auf PC einschleusen konnte, dürfte jetzt an Tauglichkeit verlieren. Spätestens jetzt werden Kriminelle umso mehr darauf achten, ihre Rechner durch Updates gegen Sicherheitslücken abzudichten und Anti-Viren-Software zu installieren.
Aber darauf wird das FBI vorbereitet sein. CIPAV 2.0 ist mit Sicherheit schon in der Entwicklung - oder gar bereits im Einsatz.
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