Montag, 20. April 2009

Südafrikas Opposition warnt vor einer dunklen Ära der "Tyrannei"

Der Sieg des regierenden ANC am kommenden Mittwoch steht so gut wie fest. Doch ANC-Chef Zuma ist eine der umstrittensten Figuren des Landes. Die Kluft zwischen der Masse der Armen und der dünnen Mittelschicht wird größer.

KAPSTADT. Glaubt man den Äußerungen von Oppositionellen und großen Persönlichkeiten in Südafrika, dann bricht in dem bedeutendsten Land Afrikas bald eine dunkle Ära an – spätestens nach der Fußball-WM 2010. Denn der Sprecher des neu gegründeten Volkskongresses (Cope), einer Abspaltung vom regierenden Afrikanischen Nationalkongress ANC, behauptet: „Eine Stimme für den ANC ist eine Stimme für die Tyrannei.“

Allan Boesak, Cope-Kandidat in Kapstadt und früher ein bekannter Anti-Apartheid-Aktivist, ergänzt: „Der ANC hat uns 15 Jahre lang belogen.“ Und die Oppositionspartei Demokratische Allianz erklärt, ANC-Spitzenkandidat Jacob Zuma sei „völlig ungeeignet“ für das Präsidentenamt und müsse unter allen Umständen gestoppt werden.

Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu empört, dass die ANC-Regierung kürzlich seinem Freund, dem Dalai Lama, auf Druck Chinas eine Einreisebewilligung verweigert hat. Er schäme sich, Südafrikaner zu sein, sollte Zuma tatsächlich als neuer Präsident angelobt werden. Das Staatsoberhaupt wird in Südafrika vom Parlament gewählt.

Altpräsident Frederik de Klerk warnt, dass die kommende Regierung den Pfad der Rechtsstaatlichkeit verlassen werde und richtungsweisende Veränderungen der Verfassung anstrebe. Wenn das geschähe, so De Klerk, verkomme auch Südafrika wie so viele Länder Afrikas im „Morast der Politik des Big Man“. Die „Big Men“ – das waren früher Idi Amin in Uganda, Mobutu in Zaire, Arap Moi in Kenia. Heute sind es Leute wie Mugabe in Simbabwe und Dos Santos in Angola. Alle haben eines gemeinsam: Ihre Länder sind verkommen, die Bürger bettelarm, aber die winzige Elite, mit der sich der „Big Man“ umgibt, lebt wie im Schlaraffenland.

„Der ANC ist korrupt“

Helen Zille ist Oppositionsführerin und seit drei Jahren Bürgermeisterin von Kapstadt. Mit Erfolg: Die deutschstämmige Politikerin konnte in der schönsten Stadt des Landes bereits vieles zum Besseren wenden. Die Tochter und Enkelin jüdischer Einwanderer, die vor den Nazis nach Südafrika geflohen waren, hat den „Anti-Nationalismus“ im Blut. Eindringlich warnte Zille zuletzt ihre Zuhörer im ganzen Land davor, Zuma zu wählen. Denn dann befände sich Südafrika auf dem Weg, den das benachbarte Simbabwe eingeschlagen habe: „Niemand soll in zehn Jahren behaupten können: Ich habe ja nichts geahnt, niemand hat mich gewarnt“, meint die Spitzenkandidatin der „Demokratischen Allianz“. Und: „Ich warne heute: Der ANC will mit allen Mitteln eine weitere Zweidrittelmehrheit erreichen, um unsere liberale Verfassung grundlegend zu verändern. Zuma ist ein Symbol für den gesamten ANC. Und das bedeutet: Korruption.“

In der Politik wird bekanntlich nichts so heiß gegessen, wie es im Wahlkampf gekocht wird. Aber wie plant die Opposition in Zukunft mit einem demokratisch gewählten Staatsoberhaupt umzugehen, dem sie vorab vollkommen das Vertrauen entzogen hat?

Wenig Spielraum für Abenteuer

Der langjährige politische Analyst Allister Sparks mahnt deshalb zu mehr Ausgewogenheit: Einerseits sei Zuma das Schicksal eines OJ Simpson bestimmt: Die Korruptionsanklage gegen ihn sei zwar Anfang April von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen worden, aber die Mehrheit der Bürger glaube, dass er schuldig sei. Zuma hatte jahrelang Gelder von einem Geschäftsmann erhalten, der dafür politische Gefallen erwartete, befand ein Richter. Der Geschäftsmann wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Andererseits, so Sparks, bliebe Zuma wenig Spielraum für politisches und wirtschaftliches Abenteurertum. Die weltweite Rezession habe nun auch Südafrika ergriffen und Zuma werde sich davor hüten, ausländische Investoren zu verängstigen.

Tatsächlich übersieht man im Ausland oft, dass der vermeintlich reiche Gold-, Platin- und Diamantenproduzent Südafrika nur im afrikanischen Vergleich gut dasteht. Im Vergleich mit anderen Schwellenländern liegt vieles am Kap im Argen: 40 Prozent Arbeitslosigkeit, ein Viertel der Bevölkerung erhält Sozialhilfe, Bildungs- und Gesundheitswesen verkommen zusehends.

Die Kluft zwischen der Masse der Armen und der dünnen Mittelschicht wird größer. Nach wie vor, als habe es die 15 Wachstumsjahre seit der Demokratisierung nicht gegeben, zahlen fünf Millionen der 48 Millionen Südafrikaner das Gros des Steueraufkommens – nämlich die nichtschwarzen Minderheiten. Zumas linke Steigbügelhalter in den Gewerkschaften und in der KP Südafrikas träumen zwar von mehr Umverteilung. Aber wer diese Schichten verprellt, der sägt an der Existenz des Staates.

Es kann auch ganz anders kommen. Zuma weiß die überwiegende Mehrheit des Volkes hinter sich, seine Popularität ist derart groß, dass er es sich leisten kann, seiner eigenen Partei zu sagen: „Ich schulde keinem von euch etwas, und keiner sollte etwas von mir erwarten.“ Zuma könnte beispielsweise auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung rasche Fortschritte erzielen. Und gelänge es ihm, den Bürgern wieder ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, wären die meisten Kritiker sehr bald zum Verstummen verurteilt.

Diese Wahl könnte die letzte sein, bei der sich Südafrikas großer Mann, Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela, im Wahlkampf direkt engagiert. Mandelas Erbe wurde von seinem Nachfolger, dem vor sieben Monaten gefeuerten Thabo Mbeki, zum großen Teil verspielt. Unter Zuma könnte sich das Image des Landes sogar wieder verbessern. Aber niemand vermag das vorauszusagen, denn Zuma hat bisher jeder Zuhörerschaft das gesagt, was sie hören wollte. Erst nach dem Mittwoch wird man erfahren, was Zuma wirklich vorhat.


Menschen tanzen bei Kundgebungen

Insgesamt blieb der Wahlkampf bisher friedlich. Lediglich in Kwazulu/Natal kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, die aber von Sicherheitskräften eingedämmt wurden. Wahlen in Südafrika sind weiterhin frei und fair. Alle Parteien haben Zugang zur Presse, auch wenn der Staatssender SABC in den Nachrichten oft den ANC bevorzugt. Rede- und Versammlungsfreiheit bleiben unangetastet. Dementsprechend ist die Stimmung lebhaft – überall lachen und tanzen die Leute bei politischen Kundgebungen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen