Sonntag, 7. März 2010

Isländer lehnen Entschädigungen für Icesave-Verluste ab

Die Isländer wollen nicht zahlen: Sie lehnten per Referendum den Plan ihrer Regierung nahezu einstimmig ab, für die Pleite der Bank Icesave aufzukommen. Großbritannien und die Niederlande fordern für geprellte Anleger 3,8 Milliarden Euro.

Proteste vor dem isländischen Parlament: Sieg des "Nein"-LagersReykjavik - Eindeutiges Votum gegen die Politik: Die Isländer haben in einem Referendum Entschädigungszahlungen an Großbritannien und die Niederlande abgelehnt. Nach Auszählung der Hälfte der Stimmzettel votierten 93,6 Prozent der Wähler gegen das Gesetz, berichtet das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Nur 1,6 Prozent stimmten dafür. Das isländische Parlament hatte mit knapper Mehrheit beschlossen, nach dem Zusammenbruch einer isländischen Bank mehrere Milliarden Euro an ausländische Anleger zu erstatten - wogegen es heftige Proteste gegeben hatte.

Die isländische Regierung erklärte, dass sie den Sieg des "Nein"-Lagers anerkenne. Dennoch kritisierte Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir die Volksabstimmung. Die Verzögerung bei den weiter laufenden Verhandlungen mit beiden Ländern durch das Referendum seien für Island sehr teuer, sagte sie in der Nacht. Die Abstimmung stuften sie wegen bereits vorliegender neuer Angebote aus London und Den Haag als sinnlos ein. "Das Ergebnis kommt nicht überraschend, es ist kein Schock für die Regierung", sagte sie am Wahlabend.
Das Endergebnis des ersten Referendums in der isländischen Geschichte stand auch am Sonntagmorgen wegen extrem schlechten Wetters im nördlichen Landesteil noch nicht fest. Nach einer TV-Prognose stimmten 93,3 Prozent mit Nein und 1,5 Prozent mit Ja. Die Beteiligung lag kurz vor Schließung der Wahllokale bei 54 Prozent.
Bürger wehren sich gegen aufgezwungenen Deal
Das vom Parlament Ende 2009 mit knapper Mehrheit verabschiedete Gesetz sieht eine schrittweise Rückzahlung von 3,8 Milliarden Euro aus dem Zusammenbruch der heimischen Internetbank Icesave an die Regierungen in London und Den Haag bis zum Jahr 2024 vor. Sie hatten mehr als 300.000 ihrer Bürger mit dieser Summe für den Verlust ihrer Spareinlagen bei Icesave entschädigt.
Die Isländer sind mehrheitlich der Ansicht, dass ihnen der Deal von größeren Staaten aufgezwungen wurde. Außerdem fragen sie sich, weshalb sie für die Versäumnisse ihrer früheren Regierung zahlen sollen. Als wichtiger Grund gelten außerdem die zunächst vereinbarten hohen Zinsbelastungen. Im Stadtzentrum von Reykjavik demonstrierten am Samstag etwa tausend Isländer und forderten ein größeres Mitspracherecht in der Angelegenheit.
"Island über Gebühr gehänselt"
Präsident Olafur Grimsson hatte wegen der breiten Kritik sein Veto gegen das Gesetz eingelegt und damit das Referendum erzwungen. Es war das erste Mal seit der Unabhängigkeit Islands von Dänemark im Jahr 1944, dass die Bewohner des Inselstaats zu einem Volksentscheid aufgerufen waren. "Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Sie sich bei der Wahl zwischen der Demokratie und den Finanzmärkten für die Demokratie entscheiden müssen", sagte Grimsson. In den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten hätten die Finanzmärkte die Vorherrschaft gehabt, und die Demokratie sei demgegenüber ins Hintertreffen geraten.
Im Übrigen habe die Ansetzung des Referendums bereits den positiven Effekt gehabt, dass die Milliardenentschädigung auf den Prüfstand gestellt worden sei, sagte Grimsson. Zahlreiche Experten seien dabei zu dem Schluss gekommen, dass die Briten und Niederländer "Island über Gebühr gehänselt" hätten.
Das Nein der Isländer könnte nach Einschätzung von Experten Hilfsgelder des Internationalen Währungsfonds (IWF) blockieren und die Beitrittsverhandlungen mit der EU erschweren. Das einst wohlhabende Island war von der Finanzkrise besonders hart getroffen worden, ein Staatsbankrott wurde nur durch einen Milliardenkredit des IWF und der skandinavischen Länder verhindert.

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