Erste Erkenntnisse im Fall der verschwundenen Air-France-Maschine: Die brasilianische Luftwaffe hat in der Nähe der Inselgruppe Fernando de Noronha Trümmer und einen Ölfilm auf dem Wasser gesichtet. Noch ist unklar, ob es sich um Überreste des vermissten Jets handelt.
Paris - Brasilianische Medien wie Globo.com, Folha Online und das Jornal do Brasil melden übereinstimmend, dass Trümmer und ein Ölfilm auf dem Wasser gesichtet worden seien. Die Flugzeuge der Luftwaffe orteten die Wrackteile etwa 650 Kilometer nordöstlich der brasilianischen Atlantik-Insel Fernando de Noronha. Der brasilianischen Luftwaffe zufolge wurden mindestens ein Flugzeugsitz und Kerosin im Meer entdeckt, rund 160 Kilometer von den Inseln São Pedro und Sao Paulo entfernt. Noch ist unklar, ob es sich dabei um Überreste der vermissten Maschine handelt, die am Montagmorgen auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris verschwand.
Die Wrackteile seien in den frühen Morgenstunden (Ortszeit) gefunden worden und müssten jetzt geborgen werden, um sicher zu sein, dass sie auch von dem vermissten Air-France-Airbus stammten, sagte Luftwaffensprecher Jorge Amaral am Dienstag in Brasília.
Frankreich, Brasilien und die USA sind an der Suche nach Wrackteilen und der Black Box beteiligt.
Die Air-France-Maschine hatte in der Nacht zum Montag gut drei Stunden nach dem Start in Brasilien rund ein Dutzend automatischer Technikmeldungen gesendet. Einen Notruf setzten die Piloten nicht ab. Den automatischen Meldungen zufolge waren zu diesem Zeitpunkt "mehrere Apparate" ausgefallen, wie Air-France-Chef Pierre-Henry Gourgeon sagte.
Gourgeon vermutete einen Blitzschlag. Eine derartige Situation sei bei diesem Flugzeugtyp "noch nie dagewesen". Die technischen Meldungen waren das letzte Signal vom Flug AF447, der am Montagvormittag in Paris hätte landen sollen. Auch dreißig Stunden später fehlte von der Maschine jede Spur.
Als alleinige Ursache für einen Absturz fällt ein Blitzschlag aber nach Ansicht von Experten aus. Ein Blitzschlag sei nicht "komplett wirkungslos", aber es sei "extrem unwahrscheinlich", dass ein Flugzeug dadurch abstürze, sagte der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Jörg Handwerg. "Das Flugzeug stellt wie ein Auto einen Faradayschen Käfig dar, so dass Elektrizität abgeleitet wird."
Völlig unklar ist, wieso das knapp sechzig Meter lange Flugzeug abgestürzt sein könnte. Die Air-France-Maschine sei unter "optimalen Sicherheitsbedingungen" gestartet, sagte Borloo. Sie sei erst vor kurzem gewartet worden, und die Besatzung sei "sehr erfahren" gewesen. Der 58-jährige Pilot arbeitete nach Angaben von Air France seit gut zwanzig Jahren für das Unternehmen und hatte 11.000 Flugstunden hinter sich, davon 1700 mit der A330 und A340. Auch die beiden Copiloten seien seit Jahren bei Air France und hätten 6600 beziehungsweise 3000 Flugstunden absolviert.
Derzeit sei keine Ursache auszuschließen, nicht einmal ein Terroranschlag, sagte Borloo. Allerdings deute nichts auf einen Anschlag hin. Verteidigungsminister Morin hatte zuvor gesagt, ein Attentat sei nicht auszuschließen, "weil Terrorismus die größte Bedrohung für alle westlichen Demokratien ist".
Der Flug AF447 war am Sonntagabend in Rio de Janeiro gestartet. An Bord waren Menschen aus 32 Ländern, unter ihnen laut Air France 73 Franzosen, 58 Brasilianer und 26 Deutsche. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) reagierte betroffen. "Wir müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich um eine furchtbare Katastrophe handelt", sagte er am Dienstag in Prag. "Es ist eine schwere Stunde für uns alle."
Nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) werden Flugzeuge über dem Atlantik nicht vom Radar erfasst. Die Reichweite der Bodenstationen betrage von der Küste an noch etwa 300 Kilometer, sagte DFS-Sprecher Axel Raab. Die vermutlich in den Atlantik gestürzte Air-France-Maschine war zum Zeitpunkt des Unglücks nach bisherigen Erkenntnissen rund 565 Kilometer von der brasilianischen Küste entfernt. "Da, wo das passiert ist, habe ich meine Zweifel, ob es überhaupt eine Radarabdeckung gab", sagte Raab.
Die Fluglotsen in den küstennahen Kontrollzentren schicken die Maschinen nach Raabs Angaben normalerweise in zeitlichen Abständen mit gleicher Geschwindigkeit, aber unterschiedlicher Flughöhe über den Atlantik. Wenn ein Flugzeug den Radarbereich verlassen habe, sei es für die Lotsen nicht mehr sichtbar. Allerdings müssten die Piloten in regelmäßigen Abständen ihre Position durchgeben.
"Der Pilot meidet Gewitter wie der Teufel das Weihwasser"
Dass sich der Pilot des Air-France-Fluges irgendwann nicht mehr meldete, kann nach Ansicht von Raab mit dem Gewitter zusammenhängen: "Wenn ein Flugzeug in ein Gewitter gerät, sind das sehr, sehr heftige Turbulenzen." Hagelkörner bis zur Größe von Tennisbällen könnten im Flugzeug einen ohrenbetäubenden Lärm verursachen. Daher sei es möglich, dass der Flugkapitän der verunglückten Maschine gedacht habe, per Funk verstehe ihn an der Bodenstation ohnehin niemand.
Raab zufolge kann ein Pilot mit seinem Wetterradar ein Unwetter sehr viel besser erkennen als die Fluglotsen am Boden. Warum der Pilot der Unglücksmaschine möglicherweise in ein Gewitter flog, ist dem DFS-Sprecher ein Rätsel: "Der Pilot meidet das Gewitter wie der Teufel das Weihwasser", sagte Raab.
Insgesamt neun Passagiere der Air-France-Unglücksmaschine hatten einen Weiterflug nach Bayern gebucht. Wie das dortige Landeskriminalamt bestätigte, wollten acht Passagiere nach München und einer nach Nürnberg reisen. Genauere Angaben zu Geschlecht, Alter oder Wohnort machte der LKA-Sprecher zunächst nicht. "Uns liegen Namen vor, aber nicht einmal Geburtsdaten", sagte er. Es könne bis zum Mittwoch dauern, bis genauere Angaben vorliegen. "Meines Wissens waren auch elf Passagiere nach Stuttgart gebucht", davon könnten einige theoretisch aus dem bayerischen Grenzland stammen.
An Bord der Maschine befand sich wahrscheinlich auch der deutsche Manager Erich H. Er ist Mitglied des Vorstands von ThyssenKrupp Steel und Vorsitzender des Verwaltungsrats der ThyssenKrupp CSA Siderurgica do Atlantico. "Er war auf diesen Flug gebucht. Wir haben noch keine offizielle Bestätigung des Auswärtigen Amts oder der Air France", sagte ein Sprecher von ThyssenKrupp dem Nachrichtendienst Dow Jones Newswires und bestätigte damit einen Bericht der brasilianischen Nachrichtenagentur Estado.
Betriebsausflug mit der AF447
Neun französische Passagiere haben die Reise nach Brasilien von ihrer Firma geschenkt bekommen. Die zwischen 25 und 35 Jahre alten Vertriebsleute hätten die viertägige Rio-Reise als Belohnung für ihre gute Arbeit erhalten, sagte der Chef der französischen Elektrikfirma CGED, Laurent Bouveresse.
Jeder von ihnen habe jemanden mitnehmen dürfen, auch der Vertriebsleiter für die Region Südwest sei mitgeflogen. Insgesamt befanden sich damit zehn Mitarbeiter und neun Angehörige an Bord der Unglücksmaschine, die seit der Nacht zum Montag über dem Atlantik verschollen ist. "Ich habe es am Montagvormittag erfahren", sagte Firmenchef Bouveresse. "Es war mehr als ein Schock, das kann man nicht beschreiben."
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