Donnernder Applaus, euphorische Delegierte, die laustark nach einer Zugabe verlangen – nein, es ist nicht der Gastredener Franz Müntefering, der beim Bundeskongress der Jungsozialisten für Begeisterungsstürme sorgt. Gefeiert wird am Samstagabend in München vielmehr die Berliner Juso-Landesvorsitzende Anne Knauf. Und zwar dafür, dass sie dem SPD-Chef gerade ordentlich die Meinung gesagt hat.
„Lieber Franz,“ hat die junge Berlinerin nach Münteferings Rede in die Halle gerufen, „die Menschen glauben uns nicht mehr – aufgrund der Politik, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben“. Die SPD stehe nämlich selbst „in der Kontinuität marktradikaler Reformen, die wir jetzt geißeln“; sie habe die Hedgefonds erst ins Land gelassen und führe jetzt auch noch die Schuldenbremse ein. Wie könne sie da glaubwürdig vor die Wähler treten?
Der „liebe Franz“ sitzt vorne in der ersten Reihe und wirkt angestrengt. Er darf jetzt nicht sofort antworten, vor ihm haben in der Aussprache noch mehrere Jusos das Wort. Das macht es ihm nicht leichter. Die Versammlung hat jetzt hohes Störpotenzial. Müntefering muss sich Sorgen machen um sein Richtungswahlkampfkonzept, bei dem eine geschlossene SPD für soziale Gerchtigkeit und gegen die „marktradikalen Ideologen“ von Union und FDP kämpft. Zumindest für den Moment haben die Jusos dieses Konzept ausser Kraft gesetzt.
Es kommt aber noch schlimmer für Müntefering. Ein Delegierter aus Baden-Württemberg dankt ihm für die Rückkehr an die SPD-Spitze: „Das war die richtige Entscheidung“, ruft der junge Mann – und löst damit laute Buh-Rufe der Delegierten aus. Später wird ein junger Genosse aus Nordrhein-Westfalen fragen, wie es „passieren konnte, dass der Parteivorsitzende hier so vorgeführt wird“.
Müntefering antwortet Anne Knauf mit der kalten Logik des Gremienpolitikers: Den Koalitionsvertrag mit der Union habe ein Bundesparteitag der SPD seinerzeit mit über 90 Prozent der Stimmen beschlossen. Das Regierungsprogramm für die kommende Wahlperiode sei von der SPD sogar einstimmig beschlossen worden. „Konzentriert euch auf das, was wir miteinanander aufgeschrieben haben“, mahnt Müntefering. Und: Wer das Programm kritisiere, mit dem die Partei in den Wahlkampf ziehe, „der muss wissen, dass die Frage mit der Glaubwürdigkeit an der Stelle anfängt“.
Danach streiten die Jusos noch darüber, ob man im Wahlkampf eine solche Debatte überhaupt hätte führen sollen.
Bald wird es Abendessen geben. Müntefering dreht noch eine Runde im Tagungszentrum, bevor er sich auf den Heimweg macht. Er weiß: Ohne den Straßeneinsatz der Jusos kann man keinen Wahlkampf führten. Ob man den mit ihnen gewinnen kann, ist eine andere Frage.
Stephan Haselberger, München
„Lieber Franz,“ hat die junge Berlinerin nach Münteferings Rede in die Halle gerufen, „die Menschen glauben uns nicht mehr – aufgrund der Politik, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben“. Die SPD stehe nämlich selbst „in der Kontinuität marktradikaler Reformen, die wir jetzt geißeln“; sie habe die Hedgefonds erst ins Land gelassen und führe jetzt auch noch die Schuldenbremse ein. Wie könne sie da glaubwürdig vor die Wähler treten?
Der „liebe Franz“ sitzt vorne in der ersten Reihe und wirkt angestrengt. Er darf jetzt nicht sofort antworten, vor ihm haben in der Aussprache noch mehrere Jusos das Wort. Das macht es ihm nicht leichter. Die Versammlung hat jetzt hohes Störpotenzial. Müntefering muss sich Sorgen machen um sein Richtungswahlkampfkonzept, bei dem eine geschlossene SPD für soziale Gerchtigkeit und gegen die „marktradikalen Ideologen“ von Union und FDP kämpft. Zumindest für den Moment haben die Jusos dieses Konzept ausser Kraft gesetzt.
Es kommt aber noch schlimmer für Müntefering. Ein Delegierter aus Baden-Württemberg dankt ihm für die Rückkehr an die SPD-Spitze: „Das war die richtige Entscheidung“, ruft der junge Mann – und löst damit laute Buh-Rufe der Delegierten aus. Später wird ein junger Genosse aus Nordrhein-Westfalen fragen, wie es „passieren konnte, dass der Parteivorsitzende hier so vorgeführt wird“.
Müntefering antwortet Anne Knauf mit der kalten Logik des Gremienpolitikers: Den Koalitionsvertrag mit der Union habe ein Bundesparteitag der SPD seinerzeit mit über 90 Prozent der Stimmen beschlossen. Das Regierungsprogramm für die kommende Wahlperiode sei von der SPD sogar einstimmig beschlossen worden. „Konzentriert euch auf das, was wir miteinanander aufgeschrieben haben“, mahnt Müntefering. Und: Wer das Programm kritisiere, mit dem die Partei in den Wahlkampf ziehe, „der muss wissen, dass die Frage mit der Glaubwürdigkeit an der Stelle anfängt“.
Danach streiten die Jusos noch darüber, ob man im Wahlkampf eine solche Debatte überhaupt hätte führen sollen.
Bald wird es Abendessen geben. Müntefering dreht noch eine Runde im Tagungszentrum, bevor er sich auf den Heimweg macht. Er weiß: Ohne den Straßeneinsatz der Jusos kann man keinen Wahlkampf führten. Ob man den mit ihnen gewinnen kann, ist eine andere Frage.
Stephan Haselberger, München
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