Freitag, 12. Juni 2009

Keine SMS am Wahltag im Iran

Am Entscheidungstag hat im Iran kein SMS-Dienst funktioniert. Reformkandidat Mir Hossein Mussawi warf der staatseigenen Telekommunikationsgesellschaft vor, rechtswidrig den Dienst zu blockieren. Handy-Textnachrichten sind neben dem Internet das wichtigste Kommunikationsmittel vor allem junger Anhänger Mussawis.

«Wir sollten uns nicht vor dem freien Austausch von Informationen fürchten», mahnte Mussawi nach der Stimmabgabe auf seiner Webseite. Ein Sprecher des Fernmeldeministeriums bestätigte einen Ausfall des Kurznachrichtendiensts bereits seit Mittwochabend. «Wir gehen der Sache nach», erklärte er ohne nähere Erläuterung.

Internet und Mobilfunk sind in diesem Wahlkampf wie nie zuvor zum Werkzeug geworden, das vor allem Mussawis Mannschaft nutzt. Es verwandelte den 67-Jährigen, der in den 80er-Jahren einmal Ministerpräsident war und danach in der Versenkung verschwand, zum Polit-Star mit Siegeschancen gegen Präsident Mahmud Ahmadinedschad.

«Grüne Bewegung» auf Facebook und Twitter
«Mussawi war 20 Jahre lang nicht in den Medien und hatte kein öffentliches Amt», erklärte der für seinen Internet-Wahlkampf Verantwortliche. «Wir mussten ihn der jungen Generation erst präsentieren.» Dazu stellten sie Videos und Blogs sowie eine Biografie Mussawis vor und nach der islamischen Revolution 1979 ins Netz, alles unterlegt in Grün - der Farbe des Propheten und Erkennungsfarbe des Kandidaten.

Mussawis «grüne Bewegung» bedient sich gängiger Plattformen wie Facebook, Flickr oder Twitter.

Die Zahl der SMS-Botschaften ist nach Angaben des Netzbetreibers seit Beginn des Wahlkampfs vor drei Wochen auf 110 Millionen am Tag gestiegen - das ist doppelt so viel wie vor der letzten Wahl 2005.

Populär beim Zielpublikum
Alle vier Kandidaten benutzten den Textdienst, doch Mussawis Mannschaft am intensivsten, erklärt ein Teheraner Kommunikationswissenschaftler. «Es ist populär bei den jungen Leuten, an die er sich wendet. Das gleiche gilt für Blogs und Webseiten.»

Die Reaktion überrascht selbst den Web-Kampagnen-Chef: «Wir hätten uns nicht vorstellen können, dass das so erfolgreich wird.»

Mullahs tun sich mit dem Internet schwer
Der Erfolg der Kampagne spiegelt den «islamischen Baby-Boom» wider. Die Millionen junger Leute, die nach der Revolution 1979 geboren wurden, machen rund ein Drittel der 46,2 Millionen Stimmberechtigten aus.

Der Wahlkampf läutete aber auch eine neue Runde der Medienschlacht mit den Regierenden ein. Die herrschenden Mullahs können reformorientierte Zeitungen leicht zum Schweigen bringen, doch mit dem Internet tun sie sich schwer. Hacker finden rasch Wege, blockierte Adressen zu umgehen.

Blogs und soziale Netzwerke haben so viel Einfluss gewonnen, das dass Establishment hart zurückschlägt. Um Mussawi auszubremsen, wurde vorigen Monat Facebook vorübergehend gesperrt. Mehrere bekannte Blogger wurden trotz internationaler Proteste gegen die Beschneidung der Pressefreiheit festgenommen.

Zwar bekam die Mussawi-freundliche Zeitung «Kalemeh Sabs» (Grünes Wort) noch rechtzeitig zum Wahlkampf eine Lizenz, doch «Jas-e-No» (Neuer Jasmin), eines der führenden reformorientierten Blätter, wurde Anfang der Woche geschlossen. Am Donnerstag wurde eine Webseite mit Mussawi-Videos gesperrt.

Rückhalt in den Moscheen
Im Vergleich zur Internet-Kampagne des Herausforderers wirkte Ahmadinedschads Wahlkampf altbacken. Er nutzte zwar auch das Netz, fremdelte aber damit und verliess sich weitgehend auf die ausführliche Berichterstattung im staatlichen Fernsehen, im Radio und in regierungsfrommen Zeitungen.

Zudem hat der Amtsinhaber Rückhalt in den meisten Moscheen, wo die Vorbeter sein Loblied singen. Denn das könnte sich letztlich immer noch als die erfolgreichere Kombination erweisen.

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