Von Ulrike Putz, Beirut
Gebete in den Moscheen, ein Trauermarsch durch die Innenstadt: Die Opposition in Iran gedenkt ihrer Opfer. Wie viele Menschen die Proteste der vergangenen Tage mit dem Leben bezahlt haben, ist weiter unklar: Die Behörden sprechen von sieben, Menschenrechtler von mehr als 30 Toten.
Sie tragen schwarz, sie schweigen, sie halten Fotos der Toten in die Höhe. Tausende Teheraner haben sich am Donnerstagmorgen auf den Weg in die Moscheen gemacht. Augenzeugen berichten, quer durch die Stadt stünden Menschentrauben vor den Gotteshäusern, in denen Geistliche Totengebete sprechen und Suren aus dem Koran lesen. Gedacht wird der Toten des Proteststurms, der Iran seit den umstrittenen Wahlen am vergangenen Freitag erfasst hat.
Aufgerufen zu den Trauerkundgebungen hat der der unterlegene Präsidentschaftskandidat Hossein Mussawi, der zur Symbolfigur der Demonstranten geworden ist. Im Anschluss an die religiösen Riten versammelten sich Zehntausende Menschen zu einem Trauermarsch durch die Innenstadt von Teheran.
Donnerstag ist in Iran traditionell der Wochentag, an dem verstorbener Angehöriger gedacht wird. Wie viele Menschen von den brutal durchgreifenden Sicherheitskräften in den vergangenen Tagen getötet worden sind, ist nach wie vor unklar. Die Staatsmacht hat die meisten westlichen Reporter des Landes verwiesen, die Verbliebenen wurden mit einem Berichtsverbot belegt.
Journalisten müssen sich auf die Angaben von Oppositions- und Menschenrechtsgruppen verlassen, wollen sie darstellen, welches Ausmaß die Gewalt genommen hat. Die Arbeit ist schwierig: Viele der iranischen Gruppen, die Informationen über die Situation in Umlauf bringen, haben ihre eigene politische Agenda. Vor allem Organisationen der Exil-Iraner sind oft hoch politisiert, was die Einschätzung des Wahrheitsgehalts ihrer Communiqués nahezu unmöglich macht.
Klar scheint allein, dass die vom iranischen Fernsehen verbreitete Opferzahl zu niedrig gegriffen ist. Sieben Menschen seien getötet worden, als Demonstranten nach der friedlichen Massenkundgebung am Montag einen Gebäudekomplex des Militärs angegriffen hätten, so der staatliche Rundfunk. Von weiteren Toten wurde nicht berichtet - dabei war nach gesicherten Erkenntnissen schon am Samstag ein junger Mann seinen Schlagverletzungen erlegen.
Erdrückende Beweislast
Beim Überfall auf zwei Teheraner Studentenwohnheime durch Revolutionsgarden in der Nacht von Sonntag auf Montag sollen zudem mindestens sieben Menschen umgekommen sein, berichtete das "Büro zur Festigung des Zusammenhalts", Irans größte Studentenorganisation. Die Leichen der jungen Leute seien noch in derselben Nacht verscharrt, die Angehörigen erst später informiert worden, heißt es seit Tagen in Teheran.
Die "Vereinigung für Menschenrechte in Iran" sprach am Mittwoch von 32 Opfern, deren Namen und Identität überprüft worden seien. Die Organisation beruft sich auf Aussagen von Ärzten zweier Krankenhäuser in Teheran. Danach sollen allein im Leichenschauhaus des Rasul Akram Hospitals acht Tote, im Keller des Erfan Hospitals in West Teheran 15 Leichen liegen. Angaben über eine sehr große Zahl weiterer Toter würden derzeit überprüft.
Amnesty International zitiert am Mittwoch neue Berichte, nach denen etwa 15 Demonstranten getötet und Hunderte verletzt worden seien. Drei der Todesfälle hätten sich außerhalb Teherans, in Orumije und Schiras zugetragen.
Dass der Staatsapparat überhaupt zugibt, dass es zu tödlichen Zwischenfällen kam, ist wohl nur der erdrückenden Beweislast zu verdanken. Per Handy-Kamera gefilmte Aufnahmen, die auf Internet-Plattformen veröffentlicht werden, zeigten in den vergangenen Tagen mehrere tödlich Verletzte. Auch Agentur-Fotografen machten am Montag Bilder von Toten, bevor ihnen untersagt wurde, ihre Büros zu verlassen.
Doch die Regierung gibt nur zu, was sich partout nicht mehr mehr vertuschen lässt: Das Regime folgt den bewährten Regeln der Propaganda. So wurde bestätigt, dass unter den am Montag Getöteten auch eine Mutter mit ihrer Tochter gewesen sei - von ihren Leichen hatten Bilder die Runde gemacht. Um den Schaden zu begrenzen, wiesen die staatlichen Nachrichtensprecher den Demonstranten die Schuld am Tod der Frauen zu.
Die von Sicherheitskräften abgegebenen tödlichen Schüsse seien von Krawallmachern provoziert worden. Aufgewiegelt von ausländischen Agitatoren, hätten diese Uniformierte angegriffen, die sich gezwungenermaßen selbst verteidigen mussten.
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