Montag, 8. Juni 2009

Auch mal Google überwachen

Facebook, Google und Co wechseln gerne mal die AGB – und sagen nicht immer Bescheid. Bürgerrechtler haben einen Tracker gebaut, der stets warnt. Auch deutsche User sollten ihn nutzen.
VON BEN SCHWAN

Geänderte Google-AGBs: Wer schaut da alleine noch durch?
Foto: tosback.org

Im Februar gab's Stunk in der Nutzerschaft des populären Social Networking-Anbieters Facebook: Dessen Nutzungsbedingungen waren so verändert worden, dass es der Website künftig scheinbar erlaubt war, selbst dann noch über vom Nutzer eingestellte Inhalte zu verfügen, wenn dieser sich längst abgemeldet hatte.

Als die Sache bekannt wurde, ging ein Sturm der Entrüstung durch viele Blogs: Einige User fühlten sich von Facebook gar "enteignet". Letztlich musste Firmengründer Mark Zuckerberg die Kundschaft beruhigen und erklärte, die Sache sei ein juristischer Fehler gewesen. Für die Zukunft kündigte er darüber hinaus mehr Demokratie bei der Ausgestaltung der Firmenpolitik an, beispielsweise durch Online-Wahlen zu bestimmten Entwicklungen innerhalb der Website.

Die Sache wäre wohl kaum in die Schlagzeilen geraten, wären mehreren Nutzern die Veränderungen in Facebooks Verträgen nicht ins Auge gestochen. Letzteres ist allerdings tatsächlich nicht ganz leicht: Überarbeitungen der so genannten "Terms of Services", kurz TOS (zu Deutsch: "Allgemeine Geschäftsbedingungen, AGB"), müssen Nutzern nach US-Recht nämlich nicht einmal speziell mitgeteilt werden.

Es genügt, die neuen Vertragsinhalte auf der Website zu platzieren; ist ein Unternehmen "nett", werden Unterschiede farblich markiert, ist es das nicht, kann und muss man sich in der Bleiwüste selbst herauspicken, was sich getan hat.

Die amerikanische Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) hat deshalb nun einen so genannten "TOS-Tracker" aufgesetzt. Die dazugehörige Website überwacht automatisiert die Nutzungsbedingungen von aktuell 44 bekannten Internet-Angeboten von Firmen und Regierungsorganisationen von A wie Amazon bis Y wie YouTube.

Das soll möglichst übersichtlich geschehen: Ist eine Neuerung verzeichnet, wird sie in Gelb dargestellt, Streichungen sind in Blau hervorgehoben (siehe Bild). Durch das Kleingedruckte muss man sich dennoch kämpfen, doch gibt es immerhin nun einen zentralen Ort im Netz, an dem künftig alle TOS-Änderungen wichtiger Seiten gebündelt sind.

Deutsche besser geschützt – aber viele lesen AGB nicht

In Deutschland ist es weniger leicht, mal eben seine gesamten Nutzungsbedingungen umzukrempeln. Wird dies getan, müssen den Usern die neuen AGB immerhin vorgelegt werden - beispielsweise, wenn sie die Website erneut betreten oder aber schriftlich per E-Mail.

Zudem wird ein wirksamer Änderungsvorbehalt in den AGB vorausgesetzt, der den Nutzer vorwarnt, dass es zu Änderungen kommen kann; außerdem muss der User eine ausreichend bemessene Reaktionsfrist erhalten und darauf hingewiesen werden, dass die neuen AGB für ihn in Kraft treten, sollte er sich nicht rühren.

Martin Madej vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält regelmäßige AGB-Änderungen für ein Grundproblem im Internet. Viele Firmen behielten sich eine vollständige Umkrempelung ihrer Bedingungen jederzeit vor.

"Das Problem ist, dass es dabei eine 'Friss oder Stirb'-Haltung gibt: Stimmt der Nutzer neuen AGB nicht zu, ist er raus aus einem Dienst." Dementsprechend helfe die Kundeninformation auch wenig. Viele Verbraucher machten sich außerdem nicht die Mühe, das, was in den Verträgen stehe, auch zu lesen.

"Aus diesem Grund verlangt der Gesetzgeber auch, dass wichtige Bestandteile, etwa die Widerrufsklausel, besonders hervorgehoben werden." Probleme mit US-Firmen sieht auch der vzbv: So läuft derzeit ein Rechtstreit des Verbandes mit Google um dessen AGB. Die habe sich seit einer entsprechenden Abmahnung bereits mehrfach geändert, so Madej.

Trotzdem würde es sich sicher lohnen, auch für deutsche AGB einen Tracker aufzusetzen: Es kommt eher selten vor, dass es wirklich scharfe Proteste gegen Veränderungen der Nutzungsbedingungen gibt, vieles rutscht einfach durch. Ende 2007 versuchte das soziale Netzwerk StudiVZ, den Einbau zielgerichteter Reklame in das Angebot zu erleichtern.

Einige Nutzer betrachteten die damit einhergehende AGB-Änderung allerdings als Angriff auf ihre Privatsphäre, in den Medien machte der Begriff von "Schnüffel-Werbung" die Runde. Nach allerlei Hin und Her entschloss sich StudiVZ schließlich, strittige Passagen der AGB durch sanftere zu ersetzen.

Unter Juristen gibt es unterdessen Streitigkeiten, inwiefern eine amerikanische TOS tatsächlich auch deutsche Nutzer betrifft. So gibt es etwa Software-Lizenzbedingungen, so genannte EULAs, die man nach US-Recht bereits annimmt, indem man nur die Hülle einer Programm-CD aufreißt - was nach hiesiger Gesetzeslage schlicht nicht geht.

Allerdings setzen große Websites wie Google oder Facebook längst an europäisches Recht angepasste Nutzungsbedingungen ein, die sich im Tenor dann an den US-TOS orientieren, aber wasserdichter sind als ein reiner Text nach amerikanischem Recht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen