Freitag, 19. Juni 2009

Chamenei schmeichelt und droht

Ein bisschen Lob für die Gegenseite, Drohungen an die Demonstranten und eine klare Botschaft: Im Iran bleibt alles beim Alten. Und wieder wird die Schuld dem Ausland zugeschoben: Verantwortlich für die Proteste seien Medien, die "zum Feind, zu den Zionisten" gehörten.

Nach einer Woche mit Massenprotesten gegen die umstrittene Präsidentschaftswahl im Iran hat der oberste Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, sich erneut klar auf die Seite von Präsident Mahmud Ahmadinedschad gestellt. Bei seinem mit Spannung erwarteten Freitagsgebet betonte er zugleich, die Wahl sei rechtmäßig gewesen. Vor zehntausenden Zuhörern in der Teheraner Universität erklärte er sich dennoch bereit, "einzelne" Stimmen nachzählen zu lassen.

Chamenei gab sich in seiner Rede vom Ton her versöhnlich, in der Sache jedoch unnachgiebig. Die Verantwortung für die Proteste schob Chamenei dem Ausland zu. Es war seine erste öffentliche Rede seit Beginn der Massenproteste.

"Warum haben wir dann gewählt?"

An die Adresse des angeblich unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi sagte er, politische Entscheidung würden an den Urnen fallen nicht auf der Straße. Es mache keinen Sinn, dass Wahlverlierer auf die Straße ziehen und die Sieger dies auch machen. "Warum haben wir denn dann gewählt", fragte Chamenei. Er rief beide Seiten auf, der Gewalt ein Ende zu bereiten. Straßenproteste seien der falsche Weg und müssten aufhören. Das System lasse sich davon nicht einschüchtern und werde auch "illegale" Forderungen nicht erfüllen. Zugleich drohte er, falls es zu Chaos und Blutvergießen komme, dann sei das allein die Schuld der Anführer der Demonstrationen.

Chamenei, der im politischen System des Iran in allen Fragen das letzte Wort hat, betonte, alle Kandidaten unterstützten den Staat. Mussawi sei ein loyaler Vertreter des Staates, und er habe seit Jahren gut mit ihm zusammengearbeitet. Unterschiede zwischen den Kandidaten habe es nur in ihren Programmen und Ansichten gegeben. Medien, die "zum Feind, zu den Zionisten" gehörten, hätten dies falsch dargestellt.

Lob für Rafsandschani

Chamenei erklärte, demokratische Debatten seien "angemessen", sie sollten aber nicht in Feindseligkeiten münden. Es habe in den Debatten Vorwürfe gegeben, die sich nicht beweisen ließen. Auf der einen Seite sei Präsident Mahmud Ahmadinedschad beleidigt worden. Es seien gefälschte Dokumente veröffentlicht worden, in denen der Präsident beschuldigt worden sei.

Auf der anderen Seite habe es ähnliche Anschuldigungen gegeben, etwa gegen den früheren Präsidenten Ali Hachemi Rafsandschani. "Ich kenne Rafsandschani seit 1957", sagte Chamenei und würdigte ihn als einen Mann, der sein Leben für die Revolution riskiert habe. Dies sollten die Jüngeren wissen, sagte Chamenei, der betonte, dass er noch nie zuvor einen Namen in seinem Freitagsgebet genannt habe.

Chamenei bekundete dabei öffentlich seine Unterstützung für Ahmadinedschad. Ex-Präsident Radsandschani habe andere politische Ansichten als Ahmadinedschad. "Meine Ansichten sind denen des Präsidenten näher", sagte Chamenei. Rafsandschani hatte im Wahlkampf Mussawi unterstützt.

Neue "illegale" Demonstration am Samstag

Im Gegensatz zu den Massenprotesten der Opposition in den vergangenen Tagen berichtete das iranische Fernsehen live. Auch Ahmadinedschad nahm an dem Freitagsgebet teil. Um das Freitagsgebet nicht zu stören, hat die Opposition heute keine Kundgebungen geplant. Oppositionsführer Mussawi kündigte für Samstag eine weitere Großkundgebung an.

Diese Kundgebung wurde von den iranischen Behörden verboten. Eine Erlaubnis für die Kundgebung sei nicht erteilt worden, sagte der Gouverneur der iranischen Hauptstadt, Mortesa Tamadon, der amtlichen Nachrichtenagentur Isna. Er hoffe daher, dass der Protestzug nicht stattfinden werde. Die Demonstrationen der Mussawi-Anhänger der vergangenen Tage seien ebenfalls "illegal" gewesen.

Das Ausland ist an allem schuld

Chamenei warf in seiner Rede dem Westen Einmischung und eine falsche Darstellung der Ereignisse vor. Die westlichen Führer hätten in der Debatte ihre Maske fallen lassen und gegenüber dem Iran ihr wahres Gesicht gezeigt. Am schlimmsten sei dabei sei die britische Regierung gewesen, sagte Chamenei.

In Reaktion auf den Vorwurf bestellte das britische Außenministerium den iranischen Botschafter in London ein. Eine Ministeriumssprecherin sagte, die Regierung wolle sich über Chameneis Äußerungen beschweren.

Sonderbusse aus der Provinz

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Chameneis Rede als enttäuschend. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, der EU-Rat fordere von der Regierung in Teheran, die freie Presse-Berichterstattung wieder zuzulassen.

Nach Angaben der britischen BBC hatte das iranische Regime Tausende Menschen mit Sonderbussen aus den Vorstädten und auch aus anderen Landesteilen zu dem Gebet in die Teheraner Universität gefahren. "Wir lassen Dich nicht allein, Ali (Chamenei). Wir opfern unserem Führer das Blut in unseren Adern", skandierten die Menschen.

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