Montag, 1. März 2010

Lohndebatte: Studie widerspricht Westerwelles Hartz-IV-Polemik

 

Außenminister Westerwelle: "Arbeit muss sich wieder lohnen"
Westerwelle: "Arbeit muss sich wieder lohnen"
Vollzeitarbeit lohnt sich immer - zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Auch Geringverdiener in Ost und West haben demnach mehr Geld zur Verfügung als Hartz-IV-Empfänger. Wer anderes behauptet, "unterschlage unverfroren Fakten".

Berlin - "Arbeit muss sich wieder lohnen" ist eine von Guido Westerwelles Standardformeln. Widerstand bekommt der FDP-Chef nun vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Er hat in einer Studie herausgefunden: Wer in Deutschland Vollzeit arbeitet, hat auch als Geringverdiener mehr Geld zur Verfügung als Hartz-IV-Empfänger.
Der Verband beruft sich auf 196 Beispielrechnungen für verschiedene Branchen und Haushaltskonstellationen in Ost- und Westdeutschland. Demnach ist selbst bei niedrigen Stundenlöhnen von unter sechs Euro ein Abstand zu Hartz IV gegeben. Je nach Haushaltstyp betrage der Abstand bis zu 900 Euro. Eine besondere Rolle spielten in diesem Zusammenhang das Wohngeld und der Kinderzuschlag, die in vielen Fällen ein Aufstocken durch Hartz IV überflüssig machten.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege, zu dem auch Organisationen wie etwa die Arbeiterwohlfahrt gehören.
Der Verband kritisierte die zuletzt in der Sozialstaatsdebatte vorgebrachte Behauptung, dass der Lohnabstand zwischen Hartz-IV-Empfängern und Erwerbstätigen in den untersten Lohngruppen nicht gewahrt sei. Dies sei "völlig haltlos und an der Grenze zur bewussten Täuschung", erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.
"Die Ergebnisse haben mit der Realität nichts zu tun"
Der Verband warf den Kritikern eines vermeintlich zu geringen Lohnabstands zwischen Arbeitnehmern und Hilfsempfängern vor, auf "äußerst dubiose Rechenbeispiele" zurückzugreifen. Häufig würden bei der Berechnung der Haushalte mit niedrigem Erwerbseinkommen ganze Einkommensbestandteile wie das Wohngeld oder der Kinderzuschlag ignoriert. "Die Ergebnisse aus solchen Berechnungen haben mit der Realität nichts zu tun", kritisierte Schneider. Nötig sei eine Versachlichung der Diskussion.
Auf diese Beispiele hatte sich auch Guido Westerwelle in der Sozialstaatsdiskussion berufen. Der FDP-Vorsitzende hatte in einem Zeitungsbeitrag der Diskussion "sozialistische Züge" attestiert. Außerdem warnte er vor einer Missachtung des Leistungsdenkens: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. An einem solchen Denken kann Deutschland scheitern."
Schneider nannte eine Berechnung des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler. Nach dieser ist in gleich zwei Wirtschaftszweigen der Lohnabstand nicht mehr gewahrt. Als Beispiel wird ein Alleinverdiener mit Ehefrau und zwei Kindern angeführt. Er komme mit Kindergeld auf ein monatlich verfügbares Einkommen von 1375 Euro. Mit Hartz IV hätte diese Familie jedoch 1653 Euro, so heißt es im Rechenbeispiel.
Mit falschen Berechnungen Politik machen

Das sei falsch, sagt Schneider. Es werde "völlig unverfroren unterschlagen", dass die Familie Wohngeld und Kinderzuschläge von insgesamt 550 Euro bekomme und somit deutlich über dem Hartz-IV-Satz liege. Es dränge sich der Verdacht auf, dass hier mit falschen Berechnungen Klima und Politik gemacht werden sollen, so Schneider. "Man kann nicht einfach irgendwelche Ansprüche der Familien außen vor lassen, nur weil sie einem gerade nicht passen."

Der Verbandschef wies darauf hin, dass der Lohnabstand in allen Fällen gewahrt sei. Selbst bei schlechter Entlohnung werde eine Einkommensdifferenz von 260 Euro erreicht, meist aber deutlich mehr. Bei vollerwerbstätigen Singles sei der Lohnabstand meist allein über das Erwerbseinkommen gewährleistet. In Haushalten mit Kindern hingegen sorgten in vielen Fällen Wohngeld und Kinderzuschlag dafür, dass der Lohnabstand gewahrt werde.

Schneider bezweifelte jedoch die Gerechtigkeit von Löhnen unter sechs Euro. "Ob sie etwas mit einem wie auch immer gearteten Leistungsprinzip zu tun haben, geschweige denn mit irgendeinem Gerechtigkeitsideal, muss klar verneint werden."

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