Die Lage in Somalia ist schon lange hoffnungslos. Schon bevor 1991 der Diktator Siad Barre gestürzt wurde, war Somalia nicht gerade ein friedlicher Ort. Danach brach der Staat komplett zusammen. Doch die Somalis haben nach der akuten Krise Anfang der 90er Jahre, als hunderttausende Menschen starben, Mittel und Wege gefunden, um irgendwie durchzukommen. Sie lernten mit den Kriegsherren zu leben, die sich vor allem über Straßensperren finanzieren. Als Mitte 2006 die Islamischen Gerichtshöfe die Macht im Süden Somalias übernommen hatten, gab es für ein paar Monate sogar so etwas wie Frieden. Für viele Somalis war das eine Art goldene Zeit. Sie endete mit dem Einmarsch der äthiopischen Truppen zu Weihnachten 2006, die der bedrängten Übergangsregierung (TFG) unter Präsident Abdullahi Yusuf zu Hilfe kamen. Seither ging es stetig bergab.
Vor dem Einmarsch Äthiopiens lebten in der Hauptstadt Mogadischu rund 1,2 Millionen Menschen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind seit Januar 2007 rund 870 000 Menschen aus der Hauptstadt geflohen. Obwohl das südliche Nachbarland Kenia die Grenze 2007 geschlossen hat, sind weitere 45 000 Flüchtlinge aus Somalia in einem der ältesten und derzeit weltweit größten Flüchtlingslager Dadaab eingetroffen. Dort leben 220 000 Menschen unter schwierigen Bedingungen. Rund 23 000 Somalier sind über den Golf von Aden nach Jemen geflüchtet. Wie viele Menschen auf dieser Reise gestorben sind, ist unklar. Die Schlepper zwingen die verzweifelten Flüchtlinge oft, weit vor der Küste von Bord zu gehen, um nicht von der Küstenwache entdeckt zu werden. Viele schaffen es nicht. Rund 3,5 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung, sind auch wegen einer Dürre inzwischen von Lebensmittelhilfe abhängig, die immer wieder ihr Ziel nicht erreicht, weil Piraten die Schiffe des Welternährungsprogramms (WFP) kapern, oder weil die Konvois von Mogadischu aus immer öfter von Aufständischen angegriffen und geplündert werden.
Anfang November war der Generalsekretär der ostafrikanischen Regionalorganisation Igad, Mahboub M. Maalim, dennoch optimistisch, dass es in Somalia bald besser werden könnte. Wenige Tage vorher hatten die intern völlig zerstrittene Übergangsregierung sowie eine moderate Fraktion unter dem Namen Allianz zur Wieder-Befreiung Somalias (ARS), die sich aus Teilen der Islamischen Gerichtshöfe in Eritrea gebildet hatte, in Djibouti ein Dokument unterzeichnet, das den Weg zum Frieden weisen sollte. Zwar haben die radikalen Teile der ARS sowie die islamistischen Kämpfer der Al Shabbab, die inzwischen größere Teile Südsomalias unter ihrer Kontrolle hat, die Djibouti-Einigung nicht unterschrieben. Dennoch hoffte Maalim, dass der regional und international aufgebaute Druck, eine neue Regierung unter Einschluss der ARS zu bilden, eine Chance haben könnte. Zudem hat Äthiopien zugesagt, seine noch in Somalia verbliebenen etwa 2000 Soldaten bis zu diesem Freitag abzuziehen. Diese Frist ist zwar vergangen, ohne dass der Abzug vollendet wäre. Doch Äthiopien hat noch einmal bekräftigt, dass die Truppen bis Ende des Jahres aus dem Land sein sollen.
Doch die Djibouti-Vereinbarung hat nicht lange gehalten. Am vergangenen Sonntag warf Übergangspräsident Yusuf den Premierminister Hassan Hussein Nur Adde raus und berief wenige Tage später den früheren Innenminister Mohamed Mahamud Guled zu seinem Nachfolger. Kenia nahm das zum Anlass, um Yusuf das Vertrauen zu entziehen, und erste Sanktionen zu erlassen. Yusuf darf nicht mehr nach Kenia reisen, zudem wurden seine Konten eingefroren. Zumal Hassan Hussein Nur Adde im Übergangsparlament großes Vertrauen genießt. Das Parlament unterstützt ihn und kündigte ein Amtsenthebungsverfahren gegen Yusuf an. Derzeit hat Somalia faktisch zwei Premierminister und parallel tagende Regierungen. Nicht, dass die Menschen davon besonders viel hätten.
Die Übergangsregierung hat es seit ihrer Konstitution 2004 in Nairobi nicht geschafft, irgendwelche Strukturen aufzubauen. Im Gegenteil, die Sicherheitskräfte der TFG gelten bei den Somalis als eine von drei großen Gefahren, denen sie sich ausgesetzt sehen. Sie fühlen sich auch von den äthiopischen Soldaten und den islamistischen Kämpfern bedroht. Ein neuer Bericht von Human Rights Watch dokumentiert eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen aller drei Seiten gegen Zivilisten. Alle Konfliktbeteiligten verbindet, dass sie ohne Rücksicht auf Zivilisten kämpfen. Tausende Menschen starben seit 2007 bei Gefechten, weil sie den Kämpfen nicht ausweichen konnten. TFG- und äthiopische Soldaten vergewaltigen Frauen und plündern Häuser, wenn sie angeblich nach Aufständischen suchen. Die Aufständischen wiederum haben im Süden strenge Scharia-Regeln eingeführt, die beispielsweise dazu führten, dass ein 13-jähriges Mädchen, das vergewaltigt worden war, wegen „Ehebruch" zu Tode gesteinigt wurde.
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