Sonntag, 28. Dezember 2008

Nathan Gelbart: Die Mogelpackung der Antizionisten

Wer sich heute ungeniert und stolz als sog. „Antizionist“ bezeichnet, verknüpft diesen Titel reflexartig zumeist mit drei bestimmten, in fast jedem seiner Text- und Redebeiträge vorkommenden Reinwaschstatements: Man erkenne das Existenzrecht Israels ausdrücklich an, sei selbstverständlich kein Antisemit und übe doch nur Kritik an der israelischen Politik.

Ein einfacher Blick auf andere geläufigen Gegenbewegungen, deren Protagonisten sich mit der Vorsilbe „Anti-„ schmücken, deckt diese Mogelpackung schnell auf: Antifaschisten, Antiimperialisten, Antikommunisten und Antikapitalisten sind nicht etwa grundsätzlich Freunde der jeweiligen Bewegung, deren Fehlentwicklung sie mit ihrer Kritik einfach nur wieder in die richtige Richtung lenken wollen. Nein - sie lehnen die Bewegung sowie deren Verfechter prinzipiell und dogmatisch ab; sie stehen ihr gar feindlich gegenüber und bekämpfen sie aggressiv mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie wollen das Objekt ihres Zorns nicht reformieren sondern abschaffen.

So auch der Antisemit. Er bemängelt nicht etwa ein bestimmtes Verhalten von einzelnen Vertretern einer von ihm ansonsten geschätzten Volksgruppe. Nein – der Antisemit stört sich an der Existenz des Juden schlechthin und nicht am unliebsamen Verhalten einiger Exponate. Und wenn die Antisemiten, die Antikommunisten, die Antiimperialisten sowie die anderen Anti-Protagonisten die Möglichkeit hätten, jeweils per Knopfdruck die Juden, Kommunisten, Imperialisten u.a. dem Erdboden gleich zu machen, so würden sie keinen Moment zögern und es tun.

Dass dies beim selbst ernannten „Antizionisten“ nicht anders ist, liegt auf der Hand. Denn aus welchen Gründen sollte der den Juden feindlich gegenüber stehende Antisemit es mit dem mehrheitlich jüdisch bevölkerten Kollektiv, sprich dem Staat Israel, besser meinen ? Auch dem „Antizionisten“ geht es nicht etwa um Kritik an einer möglicherweise falschen Politik oder dem Verhalten einer bestimmten israelischen Regierung. Der „Antizionist“ lehnt vielmehr offen den Zionismus als praktizierte Form jüdischer Selbstbestimmung generell und damit auch jede israelische Regierung, jede israelische Politik als per se falsch ab. Er wirft Israel Rassismus, Vernichtungspolitik, Nazimethoden, Apartheid, Tötungen von Kleinkindern und Menschenrechtsverletzungen vor, hüllt sich aber in Schweigen, wenn sich Palästinenser gegenseitig massakrieren, es sei denn, er macht dafür auch die “Zionisten” verantwortlich.

Der „Antizionist“ greift mit großer Vorliebe in die klassische antisemitische Klamottenkiste, wenn er von der Existenz jüdisch-israelischer Lobbies und dem jüdisch-israelischen Einfluss auf die Weltpolitik („Israelisierung der Welt“) fantasiert. Er hütet sich davor, Israels Kontrahenten sowie deren Verhalten – so mörderisch sie auch vorgehen mögen – mit auch nur einem Wort zu kritisieren. Besonders intelligente „Antizionisten“, so sie nicht Töchter lange verstorbener Zentralratsfunktionäre sind und ihre eigene Bedeutung ausschließlich damit begründen, mögen ihre Hasstiraden gegen Israel zwar zuweilen mit Kritik an terroristischen Anschlägen einleiten; spätestens im darauf folgenden Satz jedoch wird die Verantwortung hierfür wiederum ausschließlich Israel zugerechnet, welches durch seine Politik die ansonsten friedfertigen Terroristen in diese Rolle zwinge.

Es gibt kein zweites Land, welchem der „Antizionist“ derart feindlich gesinnt ist wie Israel, keinen anderen Konflikt mit der Beteiligung mehrerer Konfliktparteien, dem er sich überhaupt, geschweige denn mit einer derartigen Einseitigkeit und Obsession zu Lasten bzw. zu Gunsten einer Konfliktpartei widmet. Es gibt keinen Anti-Polanismus, keinen Anti-Hollandismus, keinen Anti-Italienismus, keinen Antisimbabwismus und erst Recht keine Nazivergleiche, egal wie falsch die Politik des jeweiligen Landes sein mag.

Die Frage, ob die sichere Erkenntnis, dass jeder Antisemit zwangsläufig auch „Antizionist“ ist, auch im Umkehrschluss gilt, dürfte daher nicht allzu schwer zu beantworten sein. Wie so häufig, gilt auch hier die Weisheit, dass es nun einmal auf den Inhalt und nicht auf die Verpackung ankommt. Und wo „Antizionismus“ drauf steht, ist auch Antisemitismus drin.

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