Samstag, 20. Dezember 2008

Open Source für Afrika

Bei den Informatikdiensten der Universität Zürich ist er für den Support von Webmastern zuständig und gilt als «Mann für alle Fälle». In seiner Freizeit unterstützt Gideon Chonia mit zahlreichen Projekten seine Heimat Afrika. Damit der Kontinent den Anschluss an die Informationstechnologie nicht verpasst.

Angefangen hat es mit einzelnen ausrangierten Computern, die er in den 1980er Jahren im Freundeskreis sammelte und nach Afrika verschiffte. Daraus sind inzwischen acht Containerladungen geworden, die den Weg nach Ghana, dem Heimatland von Gideon Chonia, gefunden haben. Eines Tages aber fragte er sich: «Was sollen die Menschen dort mit den Computern anfangen, wenn sie weder die Software noch das Wissen haben, um Computer zu bedienen?»

Die Lösung fand er im Betriebssystem Linux und weiterer so genannter Open Source Software, die fortan auf den Computern installiert wurde. Open Source Software ist kostenlos und kann, da der Quellcode offen gelegt ist, auch für die eigenen Bedürfnisse weiterentwickelt werden.
Open Source gibt Perspektiven

«Open Source Software ist das wichtigste Element, wenn es darum geht, unterentwickelten Ländern gleichberechtigten Zugang zu Information und Informationstechnologie zu ermöglichen», ist Chonia überzeugt. «Gerade die Möglichkeit, Software selber weiter entwickeln zu können, gibt jungen Menschen eine Perspektiven. Dies ist besonders wichtig in Afrika, wo die Migration oft die einzige Alternative darstellt.»

Das Wissen weitergeben

Chonias Computer gehen hauptsächlich an lokale Schulen in Ghana. Damit sie dort auch nützlich sind, müssen die Schüler entsprechend ausgebildet werden. Aus dem Verteilungszentrum für die verschifften Computer in Ghana`s Hauptstadt Accra wurde deshalb 1994 ein Schulungszentrum, das «Free and open source software ressource center» (Fossrec).

Im Fossrec werden nach dem Prinzip «Train the trainees» lokale Personen mit Informatik-Grundwissen auf die Aufgabe vorbereitet, Schülern ihr Wissen weiterzugeben. Ausgebildet werden sie von Informatikern aus Europa und den USA, die sich für jeweils einen Monat als Freiwillige verpflichten.

Ihr Wissen über Open Source, die Gestaltung von Websites oder die Sicherheit von Netzwerken sollen die Trainees auch kostenlos in IT-Firmen einbringen. Gideon Chonia: «Diese könnten es sich nämlich nicht leisten, ihre Angestellten für entsprechende Schulungen nach Europa zu schicken. Oder dann würden diese von dort nicht mehr zurückkehren.»
Internet für alle Schulen

Gideon Chonia’s Ideen für das Fossrec gehen aber über diesen Wissenstransfer hinaus. So soll das Fossrec zu einem eigentlichen E-Learning-Center werden. «Wir müssen die Abwanderung von jungen Talenten stoppen, indem wir ihnen ermöglichen, in Afrika per E-Learning an einer europäischen Universität zu studieren», so Chonia.

Nicht nur die Universitäten, auch die Grundschulen sollen an die modernen Technologien angeschlossen werden. Was das Projekt «SchoolNet» in Namibia bereits erreicht hat, wird derzeit in Nigeria umgesetzt: Internetzugang per Satellitenempfang für möglichst alle Schulen.
Tunis zwischen Enttäuschung und Hoffnung

Mit seiner globalen Sichtweise erstaunt es nicht, dass Chonia im vergangenen November am UNO-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in Tunis anwesend war. Bereits am Vorbereitungstreffen in Genf 2003 hatte er teilgenommen. «Damals sind Erwartungen geweckt worden, die in Tunis nicht unbedingt erfüllt wurden. Dies betrifft insbesondere die Lösungen, um den digitalen Graben zwischen entwickelten und unterentwickelten Ländern zu überbrücken.»

Auch wenn in Tunis finanzielle und technologische Unterstützung nicht im notwendigen Umfang gesprochen worden ist, so sieht Chonia doch auch Hoffnung. Deshalb plant er, die besten der in Tunis vorgestellten Projekte mit einer «African Internet Road Show» vor Ort bekannt zu machen.

Laptop für 100 Dollar und ohne Strom

Dazu sammelt er gegenwärtig Geld und Freiwillige, die im Laufe des Jahres 2006 mit einem umgebauten Lastwagen für je einen Monat in einem afrikanischen Land Projekte wie den 100 Dollar Laptop, ein mit Solarstrom oder per Fahrrad betriebenes Wireless-Netzwerk oder den «Freedom Toaster» vorstellen sollen.

Der «Freedom Toaster» dient dabei der Verbereitung der Open Source Software. Denn oft können die Computer-Benutzer in Afrika wegen fehlender oder zu langsamer Internetverbindungen keine Software herunterladen. Die «Freedom Toaster» stellen deshalb eine Auswahl an Open Source Software zur Verfügung. 23 der leuchtend orangen Geräte sind in verschiedenen Städten Afrikas bisher aufgestellt worden: Auf einen CD-Rohling kann man sich die gesuchte Software brennen und zu Hause auf dem eigenen Computer installieren.

Toaster an der Universität Irchel

Ein solcher «Freedom Toaster» steht zur Zeit an der Universität Irchel. Er soll repariert und 2006 im Rahmen der Road Show zum Einsatz kommen. Ebenfalls an der Universität Irchel lagert Gideon Chonia die nächste Lieferung von nicht mehr benutzten Computern und Informatik-Zubehör. Auch der neunte Container wird einem unermüdlichen und bei allen Schwierigkeiten zuversichtlich bleibendem Informatiker zu verdanken sein, der 2005 für sein Engagement zu Recht von der Forge Head Foundation den «African ICT Achievers Award» erhalten hat.

Wer privat oder am Arbeitsplatz Computer oder Zubehör hat, welches nicht mehr gebraucht wird, aber noch funktionstüchtig ist, kann sich an Gideon Chonia wenden:
Tel. 044 635 45 43,
gideon.chonia@id.unizh.ch.

Adrian Ritter ist Redaktor von unipublic.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen