Der künftige amerikanische Präsident steht nicht mehr hinter Blagojevich
11. Dezember 2008 „Nichts als Sonnenschein“ sah Rod Blagojevich über sich. Das war Anfang der Woche, als der demokratische Gouverneur von Illinois bei einem Fabrikbesuch in Chicago auf Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts angesprochen wurde. Am Dienstag regnete es, als FBI-Beamte Blagojevich noch vor Sonnenaufgang in Handschellen aus seinem Haus an der „Sunnyside Avenue“ abführten.
Illinois ist berüchtigt für seine Korruptionsskandale. Aber mit dem Spiel, welches „Blago“ nach den Ermittlungen des FBI trieb, um seinen politischen Einfluss in goldene Münze zu verwandeln, wird ein neues, haarsträubendes Kapitel in der Geschichte jenes Bundesstaates aufgeschlagen, in dem Barack Obama ebenso wie Abraham Lincoln ihre politischen Karrieren begannen. Am Mittwoch forderte auch der designierte amerikanische Präsident Barack Obama Blagojevich zum Rücktritt auf.
Meistbietende Bewerber
„Lincoln würde sich im Grabe umdrehen“, kommentierte Bundesstaatsanwalt Patrick Fitzgerald die „atemberaubenden“ Vorwürfe gegen Blagojevich, dem bis zu 30 Jahre Freiheitsstrafe drohen. „Wenn Illinois nicht der korrupteste Bundesstaat der Vereinigten Staaten ist, dann ist er jedenfalls ein höllisch guter Bewerber“, fügte Robert Grant hinzu, der als leitender FBI-Ermittler in der einstigen Mafiahochburg Chicago einiges gewohnt ist, wenn es um kriminelle Machenschaften geht.
Die „politische Korruptionsverbrechensorgie“, die Staatsanwalt Fitzgerald dem Gouverneur vorwirft, gipfelt in Beschuldigungen, Blagojevich habe versucht, den Senatorenposten von Barack Obama zu „verkaufen“. Meistbietend, versteht sich.
Angebote nahm der Gouverneur, der bestimmen darf, wer anstelle von Obama im Senat in Washington sitzen darf, wenn dieser ins Weiße Haus zieht, schon Ende Oktober entgegen, also bevor die Amerikaner überhaupt entschieden hatten, wer Nachfolger von Präsident Bush werden soll. In einem der Telefongespräche, die das FBI mit richterlicher Genehmigung im Haus und im Büro des Gouverneurs abhörte, bemerkte Blagojevich, dass ein Kandidat zugesichert habe, eine halbe Million Dollar Wahlkampfspenden für ihn zu sammeln, wenn er Obamas Senatsposten bekäme.
Eine „goldene Gelegenheit“
Ein anderer habe das Doppelte geboten. Die Kontaktaufnahmen stünden unter dem Motto „zahle um zu spielen“, bemerkte der Gouverneur zufrieden, der auf Kaution freikam und am Mittwoch wieder in seinem Büro erschienen ist. Er selbst verglich sich am Telefon mit einem „Sportagenten“, dem sich eine „goldene“ Gelegenheit biete. „Ich werde (den Senatssitz) nicht einfach umsonst abgeben“, sagt er am Telefon. „Wenn ich nicht bekomme, was ich möchte, ... dann werde ich den Senatsposten eben selbst übernehmen“, wird der Gouverneur in der Anklageschrift zitiert.
Die Vergünstigungen, die Blagojevich sich zusammenphantasierte, sprechen Bände von seinem Verständnis von Politik als lukrativem Geschäft. Er konnte sich vorstellen, einen Ministerposten in der Regierung Obama zu übernehmen oder eine Tätigkeit als amerikanischer Botschafter aufzunehmen - als Gegenleistung dafür, dass „Kandidat 1“ den Senatsposten bekäme.
Damit war Valerie Jarrett gemeint, von der Blagojevich annahm, Obama sähe sie gern als seine Nachfolgerin im Senat. Nach Gerichtsdokumenten hat Frau Jarrett, die demnächst als Obamas Beraterin im Weißen Haus tätig sein wird, jedoch deutlich gemacht, dass sie nicht für den Senatsposten zur Verfügung stehe. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass Obama von den Überlegungen wusste, die Blagojevich zu seinem Senatsposten anstellte.
Vom Schuhputzer zum Gouverneuer
Der Gouverneur, der am Dienstag 52 Jahre alt wurde, hatte in seiner Jugend als Schuhputzer, Pizzabote und Tellerwäscher mithelfen müssen, das magere Familieneinkommen aufzubessern, das sein Vater, ein serbischer Immigrant, als Stahlarbeiter verdiente. In die Politik gelangte er nach dem Jurastudium dank der Beziehungen seines Schwiegervaters.
Ehrgeizig und machtbewusst spielte der Demokrat 2002, nach fünf Jahren im Repräsentantenhaus in Washington, mit dem Gedanken, amerikanischer Präsident zu werden. Daraus wurde nichts. Stattdessen regiert er seit 2003 als Gouverneur in Illinois. Dort beerbte Blagojevich den Republikaner George Ryan, der gegenwärtig eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren wegen Korruptionsdelikten verbüßt.
Vor Ryan waren schon etliche andere ranghohe Politiker aus Illinois wegen Amtsmissbrauchs und persönlicher Bereicherung schuldig gesprochen worden. Der „Wandel“, den Blagojevich versprach, brachte „die Politik in Illinois an einen neuen Tiefpunkt“, resümierte FBI-Chefermittler Grant. „Ich will Geld machen“, kompromittiert sich der Gouverneur in den abgehörten Telefongesprächen.
Verstärkte finanzielle Aktivitäten
Als Gegenleistung für einen staatlichen Zuschuss von acht Millionen Dollar für ein Kinderkrankenhaus in Chicago verlangte Blagojevich 50 000 Dollar für seine Wahlkampfkasse. Von ähnlichen Zuwendungen habe er auch die Vergabe politischer Posten und staatlicher Verträgen abhängig gemacht, heißt es in der Anklageschrift.
Als lästige Beobachter seiner Machenschaften, die nach Darstellung der Staatsanwaltschaft schon bald nach der Übernahme des Gouverneursamts begannen, erwiesen sich Journalisten der „Chicago Tribune“. Blagojevich legte dem Zeitungsverlag „Tribune Company“ nahe, Kommentatoren zu entlassen, die seine Amtsführung kritisierten. Sonst könne es Probleme mit Finanzhilfen für den Zeitungskonzern geben, der diese Woche Gläubigerschutz beantragt hat.
Zugleich bemühte sich Blagojevich eifrig darum, seine Wahlkampfkasse mit mehr als 2,5 Millionen Dollar an Spenden zu füllen, bevor in Illinois zu Jahresbeginn ein Gesetz in Kraft tritt, mit dem Zahlungen an Politiker eingeschränkt werden. Die verstärkten finanziellen Aktivitäten des Gouverneurs bewogen die Ermittler, die ihn mindestens seit 2005 auf ihrem Radarschirm hatten, sich das Abhören von Telefongesprächen genehmigen zu lassen.
Obama bekämpfte früh Einfluss des Geldes
Energischer Befürworter des Gesetzes, das Blagojevich um Gelder bangen ließ, war Barack Obama. Dem künftigen Präsidenten dürfte nun zugutekommen, dass er darauf drängte, den Einfluss des Geldes auf die Politik in Illinois zu begrenzen. Denn auch wenn es „keinerlei Vorwürfe“ gegen Obama gibt, wie Fitzgerald hervorhob, überschattet der Skandal die Vorbereitungen des gewählten Präsidenten, eine neue Ära „sauberer“ Politik einzuleiten.
Die Angelegenheit sei „traurig und ernüchternd“, bemerkte Obama am Dienstag in kurzen Worten. Damit wollen es die Republikaner nicht bewenden lassen. Da Obama die Kandidatur Blagojevichs für das Gouverneursamt unterstützt und ihn dazu „beraten“ habe, müsse der Präsident sich „umfassend“ äußern, forderte der Vorsitzende der Republikanischen Partei Mike Duncan.
Für die Versuche der Republikaner, politisches Kapital aus dem Skandal zu schlagen, ist der Missmut, den der Gouverneur in den abgehörten Telefongesprächen in zum Teil deftigen Worten über den künftigen Präsidenten äußert, jedoch nicht hilfreich. So beschwert sich Blagojevich darüber, dass er von Obama keinerlei Vergünstigungen zu erwarten habe, wenn er den Senatsposten an „Kandidatin 1“ vergebe. „Sie sind nicht bereit, mir irgend etwas außer Dankbarkeit zu geben.“
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