Montag, 8. Dezember 2008

Proteste vor dem Landgericht Dessau-Roßlau

Oury-Jalloh-Prozess geht zu Ende

Mit dem Prozess zum Feuertod Oury Jallohs in einer Polizeizelle endet das langwierigste und teuerste Verfahren, das das Landgericht Dessau-Roßlau bislang führte. Angeklagt sind zwei Polizisten. Noch am Montag will das Gericht ein Urteil verkünden. Unterdessen haben etwa 30 Demonstranten gegen die Forderungen der Staatsanwaltschaft protesiert.

Prozess Feuertod Asylbewerber Ouri Jalloh Dessau; Rechte: dpa
Mehr als 60 Zeugen wurden gehört. (Prozessauftakt 2006)
Im Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle wird heute das Urteil erwartet. Der Fall sorgte über Sachsen-Anhalts Grenzen hinaus für Aufsehen und Interesse.

Am 07. Januar 2005 war der 23-Jährige aus Sierra Leone in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt. Die Umstände des Todes blieben lange mysteriös. Inzwischen ist sich das Gericht sicher, dass Jalloh das Feuer in der Zelle selbst entzündete. Zu beurteilen bleibt nur, ob das zu verhindern gewesen wäre. Angeklagt sind zwei Polizisten.

Staatsanwalt fordert Geldstrafe und Freispruch

Für den seinerzeit diensthabenden Polizisten hat die Staatsanwaltschaft am Montag eine Geldstrafe von 4.800 Euro gefordert. Oberstaatsanwalt Christian Preissner sagte in seinem Plädoyer, der heute 48-jährige Polizeibeamte habe sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen schuldig gemacht. Er habe nicht rechtzeitig und nicht richtig auf den Rauchalarm aus der Zelle reagiert. Hätte er einen Feuerlöscher mitgenommen, könne der Asylbewerber möglicherweise noch leben, betonte Preissner. Für den anderen Angeklagten forderte der Staatsanwalt Freispruch aus Mangel an Beweisen.

Die Angeklagten um den Feuertod eines Afrikaners, sitzen zu Prozessbeginn auf einer Anklagebank im Landgericht Dessau.; Rechte: dpa
Angeklagt sind zwei Dessauer Polizisten.
Die Nebenkläger plädierten für den zwischenzeitlich suspendierten Dienstgruppenleiter für eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen, ohne zunächst ein Strafmaß zu nennen. Für den anderen Polizisten forderten sie Freispruch. Die Verteidigung plädierte für ihre Mandanten auf Freispruch.

"Es wurde hier so viel vertuscht, so viel verpfuscht, dass sich der Sachverhalt nicht mehr aufklären lässt, obwohl ein Mensch zu Tode kam."

Nebenklagevertreterin Regina Götz

Demonstranten stellen den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh aus Sierra Leone nach.; Rechte: dpa
Demonstranten haben den Feuertod Jallohs
vor dem Landgericht nachgestellt.

Proteste vor dem Landgericht

Etwa 30 Demonstranten haben vor dem Landgericht gegen die Forderungen der Staatsanwaltschaft demonstriert. Mit zahlreichen Transparenten und in Sprechchören klagten sie an, Oury Jalloh sei ermordet worden, das Gericht vertusche diese kriminelle Tat durch den Prozess. Ein Mitglied der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" betonte, den Tod des Afrikaners mit einer Zahlung von 4.800 Euro abschließen zu wollen, gleiche einer Ohrfeige für dessen Familie. Die Demonstranten wollten eine unabhängige Kommission zur Aufklärung des Falles gründen, hieß es.

Mehr Fragen offen als beantwortet

Der Prozess läuft mittlerweile seit einem Jahr und neun Monaten. An 58 Verhandlungstagen befragte das Gericht mehr als 60 Zeugen sowie zwei medizinische Gutachter. Ursprünglich waren nur sechs Verhandlungstage anberaumt worden. Aber der Fall erwies sich als ausgesprochen kompliziert. Dazu trug auch bei, dass der Prozess erst zwei Jahre und drei Monate nach dem Geschehen eröffnet wurde. Dabei stellte sich heraus, dass der Fall bislang nicht sorgfältig und konsequent behandelt worden war.

Die Obduktion war nach Expertenmeinung schlampig durchgeführt worden, Beweismittel wie das Feuerzeug fehlten zunächst. Zeugenaussagen widersprachen sich. Eine Zeugin widerrief ihre Angabe, dass der Alarm mehrfach weggedrückt worden sei. Richter und Nebenkläger sprechen von bewusster Lüge. Der Verteidiger des Hauptangeklagten sieht die widersprüchlichen Aussagen dagegen der langen Zeit geschuldet, die seit dem Vorfall vergangen ist.

Ein Brandsachverständiger am Institut der Feuerwehr in Heyrothsberge arbeitet im Nachbau einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau neben einer auf dem Boden liegenden Puppe.; Rechte: dpa
Im Rahmen des Verfahrens
wurden mehrere Brandgutachten eingeholt.

Gutachter sehen kein Fremdverschulden

Fest steht nach der zweiten Obduktion, dass Jalloh bei dem Brand an einem Hitzeschock starb, bevor die Polizisten die Zelle öffneten. Nach fünf Brandversuchen steht nun offenbar auch fest, dass es für Jalloh möglich war, den feuerfesten Bezug der Matratze selbst aufzuschlitzen und das Innere anzuzünden, obwohl er an Händen und Füßen gefesselt war.

Jalloh war in Gewahrsam genommen worden, nachdem er mehrere Frauen belästigt und den Polizeibeamten Widerstand geleistet haben soll. Er soll bei seiner Festnahme unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden haben.

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