Dienstag, 4. Mai 2010

Times-Square-Bombe: US-Ermittler prüfen You-Tube-Spur


US-Ermittler haben im Times-Square-Plot offenbar digitale Spuren entdeckt: Das Taliban-Bekennervideo wurde laut ABC in Connecticut hochgeladen, wo der Festgenommene Faisal Shahzad lebte. Auch ein mutmaßlicher Pakistan-Aufenthalt gilt als bedeutsam. An einen Einzeltäter glauben die Fahnder kaum noch.

Berlin - Auch wenn mit dem 30-Jährigen Faisal Shahzad bislang erst eine Person in Zusammenhang mit der am New Yorker Times Square entdeckten Autobombe festgenommen wurde, verdichten sich die Hinweise: Der versuchte Anschlag war nicht das Werk eines Einzeltäters.

Shahzad, der erst im April 2009 in den USA eingebürgert wurde und pakistanischer Abstammung ist, wurde in der Nacht zum Dienstag New Yorker Ortszeit am John F. Kennedy-Flughafen festgenommen. Er saß offenbar bereits in einer Maschine, die nach Dubai fliegen sollte. Einigen Berichten zufolge soll er noch versucht haben, sich der Festnahme zu entziehen. Dies gelang ihm aber nicht. Im Laufe des Dienstags werden die Justizbehörden ihn offiziell mit den gegen ihn bestehenden Vorwürfen konfrontieren.

Shahzad gilt als Verdächtiger, weil er nach bisherigem Ermittlungsstand vor drei Wochen den Nissan Pathfinder Baujahr 1993 gekauft hatte, der zur Bombe umgebaut am belebten Times Square deponiert worden war. Wie genau die Ermittler auf seine Spur kamen, ist ungewiss, denn die Verkäuferin des Wagens konnte sich an keinen Namen erinnern - und weil es ein Barkauf ohne Dokumententausch war, gibt es keine Papierspur. Allerdings war das Fahrzeug online zum Verkauf angeboten worden. Womöglich, heißt es in US-Medien, führte eine E-Mail daher zu Shahzad.

Eine zweite, digitale Spur?
Allerdings gibt es möglicherweise noch eine zweite Spur. Denn dem TV-Sender ABC zufolge wurde ein Bekennervideo, in dem die pakistanischen Taliban sich am Sonntag des Anschlagsversuchs bezichtigt hatten, von "mehreren Personen" im Bundesstaat Connecticut online gestellt. In Connecticut lebte zuletzt auch Shahzad, bis er im Mai oder Juni vergangenen Jahres laut einer Nachbarin "verschwand". Im Juli 2009 soll dann auch seine Frau mit den beiden Kindern, einem Sohn und einer Tochter, ausgezogen sein; das Haus, das die Familie bewohnte, steht zum Verkauf.

Verschiedene US-Medien berichteten unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass Shahzad offenbar die vergangenen fünf Monate in Pakistan verbracht hat. Das Fachblog "Long War Journal" zitierte anonyme Geheimdienstmitarbeiter mit der Vermutung, Shahzad habe dort in der Provinz Nordwaziristan ein Ausbildungslager al-Qaidas oder der Taliban besucht. Allerdings scheint es noch keine Belege für diese These zu geben.

Insgesamt gibt es drei Videos der pakistanischen Talibanbewegung (TTP), die im Zusammenhang zu dem Anschlagsversuch in New York stehen könnten und deren digitale Spuren nun ausgewertet werden.

Das erste Video wurde am Sonntagmorgen New Yorker Ortszeit, also nur Stunden nach Entschärfung der Bombe, auf YouTube entdeckt. Es war über einen am 30. April eigens eingerichteten Kanal namens "Tehreek e-Taliban Pakistan", also Bewegung der pakistanischen Taliban), veröffentlicht worden. Dieses Video enthielt eine offenbar vorproduzierte Selbstbezichtigung des TTP-Kaders Qari Hussain Mehsud, in der von einem "kieferbrechenden Schlag gegen den Satan USA" die Rede war.

Pakistanische Taliban drohen in drei Videos mit weiteren Anschlägen
ABC berichtet unter Berufung auf nicht genannte offizielle Quellen, dass dieses Video von "mehreren Personen in Connecticut" online gestellt worden sei, die in den Anschlagsplan involviert gewesen sein könnten. Genaueres wurde nicht mitgeteilt, auch nicht, was damit gemeint ist, dass "mehrere Personen" ein einzelnes Video veröffentlichen.

Wiederum wenige Stunden nach diesem ersten Video veröffentlichte die TTP indes zwei weitere Videos. In beiden spricht ihr Chef, Hakimullah Mehsud. Unter anderem kündigte er eine Serie von Bombenanschlägen in US-Städten in den kommenden Wochen an. US-Städte seien nunmehr das "Hauptziel" der TTP-Kämpfer.

Die Hinweise, dass offenbar mehrere Personen in den USA mit den Videos zu tun hatten und der Pakistan-Aufenthalt Shahzads scheinen der Hauptgrund dafür zu sein, dass US-Ermittler nunmehr zu der Annahme tendieren, eine Gruppe habe hinter dem Anschlagsversuch am Times Square gestanden. Auch die "Washington Post" zitierte Ermittler mit der Einschätzung, es gebe wohl eine "internationale Verbindung".

Als mögliche Vergleichsfälle gelten der afghanischstämmige Busfahrer Najibullah Zazi, der sich im Februar schuldig bekannt hatte, unter anderem Anschläge auf die U-Bahn in New York geplant zu haben, sowie David C. Headley, ein US-Bürger mit pakistanischen Wurzeln, der im März gestanden hatte, im Auftrag einer pakistanischen Terrorgruppe das Blutbad in der indischen Metropole Mumbai im Jahr 2008 mitgeplant zu haben. Beide hatten sich mehrere Monate in Pakistan aufgehalten und dort Kontakte zu Terroristen geknüpft.

Eine Schatztruhe voller Informationen
Unterdessen berichten verschiedene US-Medien immer mehr Details über den festgenommenen Verdächtigen Shahzad. Eine Nachbarin in Bridgeport berichtete, Shahzad und seine Ehefrau sprächen nur gebrochenes Englisch. Er sei ein netter Nachbar gewesen, aber ein wenig "seltsam". Er sei gerne nachts joggen gegangen und habe am liebsten schwarze Kleidung getragen.

Die Drohungen der TTP gegen US-Ziele werden in den USA derweil durchaus ernst genommen. Allerdings mit Abstrichen, denn bislang haben die pakistanischen Taliban nie außerhalb ihrer Ursprungsregion zugeschlagen - ihre entsprechenden Kapazitäten sind unklar.

Der Berliner Terrorsexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht das ähnlich: "Die pakistanischen Taliban sind vermutlich nicht in der Lage, eigenständig einen Terroranschlag außerhalb von Pakistan zu organisieren", sagte er SPIEGEL ONLINE. Allerdings habe die TTP "enge Beziehungen zu Organisationen aus dem pakistanischen Kernland und zu al-Qaida, was es ihnen erleichtern könnte, die in den beiden Videos angekündigten Anschläge zu planen."

Insgesamt, so Steinberg, mehrten sich in den letzten Monaten Indizien, dass lokale militante Gruppierungen Rekruten aus westlichen Ländern dazu nutzen könnten, Anschläge in den USA oder Europa zu verüben. Ein Beispiel sei der Versuch der Qaida-Filiale im Jemen gewesen, an Weihnachten 2009 einen US-Jet über Detroit zum Absturz zu bringen.

Nach wie vor ist allerdings weder ausgeschlossen, dass die Bombe doch von einem Einzeltäter stammt, noch dass der Anschlagsversuch einen nicht-islamistischen Hintergrund hatte. Die Tatsache, dass die Bombe nicht explodierte, ist für die Ermittler ein Glücksfall. Sie verfügen so über zahlreiche Asservate, die derzeit im FBI-Labor in Quantico, Virginia ausgewertet werden. Ermittler sprachen von einer "Schatztruhe voller Informationen". Sie erhoffen sich bald neue Erkenntnisse.

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