Donnerstag, 6. Mai 2010

Geschasster Hypo Real Estate-Chef kämpft um Millionengehalt


Es ist ein Fall, bei dem viele ihre Meinung über gierige Manager bestätigt sehen: Georg Funke wirtschaftete als Chef die Hypo Real Estate so an den Abgrund, dass sie verstaatlicht werden musste. Trotzdem will er nach seinem Rauswurf noch 3,5 Millionen Euro Gehalt einklagen. Heute wurde erstmals vor Gericht verhandelt.

Justizia, Ex-HRE-Chef Georg Funke
Die Abendzeitung nennt ihn "Münchens größten Gierhals": Ex-HRE Chef Funke verklagte seinen Ex-Arbeitgeber, weil er seine außerordentliche Kündigung als Vorstandschef im Dezember 2008 für unrechtmäßig hält. Dementsprechend ist er der Meinung, dass ihm aus seinem Arbeitsvertrag noch eine Menge Gehalt zusteht. Der Vertrag lief eigentlich bis September 2013, und Funkes darin vereinbartes Festgehalt betrug laut Geschäftsbericht rund 800.000 Euro jährlich. Macht summa summarum 3,5 Millionen Euro, die der 55-Jährige nun vor dem Landgericht München erstreiten will.

Zunächst geht es in einem sogenannten Urkundenprozess ohne Zeugen und Sachverständige um die ersten beiden Monatsgehälter nach Funkes Kündigung - Januar und Februar 2009 - in Höhe von insgesamt 150.000 Euro. Ein endgültiges Urteil wird für den 15. Oktober erwartet.

Komplett abgetaucht 

Funke selbst war zu dem Gerichtstermin nicht geladen und erschien auch nicht. Seit seinem Abgang bei der HRE ist er komplett abgetaucht. Sollte er Recht bekommen, müssten die Steuerzahler für die 3,5 Millionen aufkommen, da die HRE mittlerweile dem Bund gehört. "Solche Klagen sind ein Grund dafür, dass das Bild vom gierigen Manager bestehen bleibt", meint ein Sprecher der Aktionärsschützervereinigung DSW. Gleichzeitig räumt er ein, Funkes Chancen stünden nicht so schlecht, da er sich auf einen Arbeitsvertrag berufen könne.


Gemeinsam mit Funke klagen noch zwei weitere Ex-Vorstände gegen ihre Kündigung. Nach Aussage des Landgerichts erfolgten diese "aus wichtigem Grund". Die drei Manager sollen wegen zu hoher Risikobereitschaft eine Mitschuld an der finanziellen Krise der Bank tragen, die mit Staatshilfen von mehr als 100 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch gerettet werden musste.

Gefangen im Größenwahn
Von Anne Seith, Frankfurt am Main


Unter seiner Führung kollabierte die HRE - jetzt will Georg Funke vor Gericht Millionen einklagen, sein Ex-Arbeitgeber wehrt sich. Die Bank hat eine brisante Erwiderung an das Gericht gesandt: Die Papiere enthüllen detailliert, wie der ehrgeizige Finanzmanager versagte.


Geht es Georg Funke nur um ein paar Millionen? Oder ist es für ihn eine Frage des Prinzips? Funke, ein Mann mit brav gescheiteltem Haar und ordentlicher Brille, scheint jedenfalls immer noch der Überzeugung zu sein, dass die Welt einfach gegen ihn ist. Dass er an diesem ganzen, unfassbaren Desaster namens Hypo Real Estate in Wahrheit nicht Schuld ist. Seine Kündigung empfindet Funke als grobe Ungerechtigkeit. Deshalb hat der Ex-HRE-Chef - ebenso wie zwei weitere geschasste Manager - geklagt. Die Verhandlung beginnt an diesem Donnerstag.


Erscheinen wird Funke wohl nicht, warum sollte er sich das auch antun. Die Hypo Real Estate wurde mit rund 100 Milliarden Euro gestützt. Fast ausschließlich Steuergeld. Doch Funke selbst, der 2008 gehen musste, will jetzt noch 3,5 Millionen Euro an Gehaltsnachzahlung haben. Weil sein Arbeitsvertrag eigentlich bis 2013 lief. Dass das nicht unbedingt gut ankommt, weiß er wohl.


Trotzdem hatten Arbeitsrechtler dem Ex-Manager durchaus Chancen eingeräumt. Vertrag ist schließlich Vertrag. Deshalb hat die HRE sich für diesen Tag gewappnet. Mit der öffentlichen Aufarbeitung der Krise hält sich die Bank bislang zwar noch zurück - ein Sonderprüfer recherchiert und schweigt ansonsten. Doch für den Prozess gegen Funke hat das Geldinstitut offenbar schon Unmengen an Material zusammengetragen. Man will zeigen, wie Funke wirtschaftete. Und dass sein Rausschmiss durchaus berechtigt war.


In der Erwiderung auf Funkes Klage zeichnet die Bank nach Informationen von SPIEGEL ONLINE deshalb mit allerlei pikanten Details das Bild eines Chefs, der in seinem ungezügelten Ehrgeiz das ganze Institut mit einer Bilanzsumme von fast 400 Milliarden Euro ins Verderben führte. Versäumnisse beim Risikomanagement werden Funke vorgeworfen. Pflichtverletzungen bei seiner Refinanzierungsstrategie. Und vor allem: grobe Fehler bei der 5,7 Milliarden Euro teuren Übernahme der irischen Depfa-Bank 2007. Der Erwerbsprozess habe "derartige Mängel" aufgewiesen, dass Funke dem Deal "auf dieser Grundlage nicht hätte zustimmen dürfen", heißt es in dem Dokument.


Jeden Tag nach Milliarden gesucht


Eben jener Kauf war es, der sinnbildlich für den Ehrgeiz Funkes stand, im weltweiten Finanzpoker ordentlich mitzumischen. Und der die Hypo Real Estate schließlich fast ins Verderben führte. Die Depfa (Deutsche Pfandbriefbank) war ursprünglich einmal ein kreuzsolider Immobilien- und Staatsfinanzierer mit Sitz in Wiesbaden. Allerdings hatte das Geldinstitut den Sitz irgendwann ins ferne Irland verlegt und sein Geschäftsmodell gründlich aufgepeppt: Langfristige Krediten wurden mit kurzfristigen Krediten refinanziert. Und das Ausmaß der lukrativen Zinsgeschäfte war gewaltig: Zum 31. Dezember 2007 etwa seien die Aktiva der Depfa-Gruppe - insgesamt 217,9 Milliarden Euro - zu 63,7 Prozent kurzfristig refinanziert gewesen, heißt es in der Klageerwiderung der HRE. Der "ganz überwiegende Teil" dieser Finanzierung habe eine Laufzeit von unter drei Monaten gehabt.

Täglich suchten die Depfa-Banker deshalb auf den Finanzmärkten nach neuen Milliarden, um alte Verbindlichkeiten abzulösen. Kein Problem, so lange das Geld floss. Und dank satter Zinsunterschiede ein glänzendes Geschäft: 2004 konnte die Depfa mit Traum-Renditen von 30 Prozent glänzen.

Doch als Georg Funke das irische Institut für sich und die HRE entdeckte, ließ die Finanzkrise ihr erstes Donnergrollen vernehmen. In den USA hinterließen notleidende Hypothekenkredite ihre ersten Spuren in den Bankenbüchern. Ende Juli geriet die deutsche Mittelstandsbank IKB in den Strudel der Krise. Und genau in dieser Zeit ließ sich Funke nach Darstellung der HRE auf ein Geschäft ein, das unkalkulierbare Risiken barg.

"Die Daten blieben lückenhaft"

Schon die Prüfung der Depfa vor dem Kauf - die sogenannte Due Dilligence - glich demnach einer Farce. Bereits am 24. Juni wurden dafür zwar die Wirtschaftsprüfer der KPMG verpflichtet. Anwälte renommierter Anwaltskanzleien wurden hinzugezogen. Doch der virtuelle Datenraum der Depfa sei erst am 4. Juli eröffnet worden, heißt es in dem Dokument. Knapp zwei Wochen Zeit hatten die Fachleute danach, um die komplexe Bank mit ihren internationalen Transaktionen zu inspizieren.

Selbst in dieser knappen Zeit sei die Informationsversorgung "äußerst schleppend" gewesen, heißt es weiter. "Die Daten blieben lückenhaft." Und die Berater von der KPMG erklärten in einem Bericht: "Wir machen auf die wesentlichen Einschränkungen bei der uns zur Verfügung stehenden Information aufmerksam." Auch die engagierten Juristen warnten: "Ein erheblicher Teil der angeforderten Informationen" sei nicht eingestellt in den Informationsraum.

Funke, dessen Anwälte nun auf Anfragen von SPIEGEL ONLINE nicht reagieren, schlug damals trotzdem zu. Dabei hätte eine ergänzende, gründliche Prüfung - eine sogenannte Confirmatory Due Dilligence - "gravierende Liquiditätsprobleme der Depfa" offenbaren können, heißt es in der Klageerwiderung der HRE. Schließlich sei schon in einer Sitzung des Risk Committees der Depfa-Bank am 4. September 2007 ausdrücklich eingeräumt worden, "dass die Depfa-Bank kurz zuvor 'praktisch zahlungsunfähig' gewesen sei".

"Wir bekommen keine Liquidität mehr"

Zu diesem Zeitpunkt allerdings war das Unglück schon besiegelt. Denn die HRE hatte - allen Warnungen und Vorbehalten zum Trotz - am 23. Juli bereits die Übernahme der irischen Bank verkündet.

Eine fatale Entscheidung. Im Zuge der Finanzkrise zeigte sich schnell, wie gefährlich die Zockereien der Depfa waren. Der Geldmarkt versiegte immer mehr, und als Funke im Januar Abschreibungen von 390 Millionen Euro auf amerikanische Wertpapiere verkündete, entzogen ihm die Anleger blitzartig das Vertrauen. Der Aktienkurs rauschte um 38 Prozent nach unten.

Mithilfe neuer Investoren rettete sich die Gruppe noch über den Sommer. Die Kurzfrist-Finanzierungen wurden laut HRE noch ausgeweitet. Doch schon einen Tag nach der Lehman-Pleite, meldete Funke der Finanzaufsicht BaFin: "Wir bekommen keine Liquidität mehr." Die HRE war quasi pleite.

Es folgte eine dramatische Rettungsaktion, deren Einzelheiten zuletzt in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss heftig diskutiert wurden. Die Frage allerdings, wie es überhaupt so weit kommen konnte, wurde bislang vor allem medial aufgeklärt. Etwa vom SPIEGEL oder, zuletzt, von dem Fernsehreporter Hubert Seipel, der mit Fernsehteams zur Depfa-Zentrale in Irland reiste, alle maßgeblichen Protagonisten der Rettung interviewte und Unmengen an vertraulichem Material zusammentrug. Das Fazit des Grimme-Preisträgers lautet: Funke hat die HRE fahrlässig gegen die Wand gefahren. Und die Politik ließ ihn gewähren, frühzeitige Warnungen der Bankenaufsicht blieben ungehört.

"Gier und Größenwahn" betitelte der Journalist seine Dokumentation deshalb schlicht, welche die ARD im März - allerdings spät nachts - laufen ließ. Getrieben von dem unstillbaren Drang nach Größe habe Funke eindeutige Hinweise der eigenen Betriebsprüfer in den Wind geschlagen, berichtete Seipel.


Arbeitsrechtler spricht von "gravierender Pflichtverletzung"


Die Klageerwiderung, welche die HRE zusammengestellt hat, scheint diese These zu bestätigen. Ihre Details dürften auch die Ex-HRE-Aktionäre brennend interessieren, die das Geldinstitut auf Hunderte Millionen Euro Schadenersatz verklagt haben - selbst wenn ein HRE-Sprecher versichert, die Vorwürfe gegen Funke "betreffen andere Fragestellungen als die Anlegerklagen gegen die HRE".

Jedenfalls könnten die Darstellungen Funke im Prozess ab diesem Donnerstag mächtig in die Bredouille bringen. "Was dort dargestellt wird, wäre eine gravierende Pflichtverletzung", sagt Alexander Greth, Arbeitsrechtexperte bei der Düsseldorfer Kanzlei Simmons & Simmons. Zwar bergen unternehmerische Entscheidungen immer ein Risiko. Aber Funke sei verpflichtet gewesen, sich ausreichend zu informieren, sagt Greth. Das sei nach Darstellung der HRE nicht geschehen.

Allerdings muss die Bank ihre Vorwürfe vor Gericht auch nachweisen. Denn sonst gilt auch für einen Banker, dessen Institut fast pleite ging: Vertrag ist Vertrag.

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