Samstag, 10. April 2010

Staatsanwaltschaft sichtet Akten bei Arcandor

Ermittler in der Arcandor-Zentrale: Nach SPIEGEL-Informationen haben sich sieben Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft dort Unterlagen zu den Untreue-Vorwürfen gegen Ex-Firmenchef Thomas Middelhoff angesehen. Unter anderem ging es um die Reisekosten des Managers.

Hamburg - Seit Juli 2009 ermittelt die Bochumer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. Nun haben Ermittler nach SPIEGEL-Informationen in der Zentrale des insolventen Konzerns Unterlagen zu dem Fall gesichtet. Bei der Aktion am Mittwoch habe es sich um keine gezielte Durchsuchung gehandelt, vielmehr habe man sich zu verschiedenen Themen einen Überblick verschaffen wollen, heißt es aus der Behörde.

Die sieben Fahnder sollen sich vor allem für die Reisekosten Middelhoffs interessiert haben. Allein im Jahr 2006 soll er über 800.000 Euro verflogen haben. Außerdem zeigten sie offenbar auch Interesse an einem mit rund 1,5 Millionen Pfund dotierten Vertrag, den Arcandor Ende Januar 2008 mit der Universität Oxford abgeschlossen hatte. Zahlungen hierfür, 715.000 Pfund, wurden noch kurz vor der Insolvenz von Arcandor überwiesen und von Middelhoff an seinem vorletzten Arbeitstag abgezeichnet.

Middelhoff hat stets jede Untreuehandlung während seiner Amtszeit zurückgewiesen. Ungeachtet der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen trifft sich an diesem Montag die Gläubigerversammlung in Essen, um dem Insolvenzplan für Karstadt zuzustimmen. Erst danach beginnen die konkreten Verhandlungen mit Investoren. Noch immer soll es sechs Interessenten geben, darunter allerdings drei neue mit den Codenamen Lyon, Toronto und Turin. Nach Angaben aus Unternehmenskreisen soll es sich um Geldgeber handeln, die mehr Erfahrung im Handel haben als etwa die Finanzinvestoren Permira oder Apollo, deren Namen zuletzt kolportiert wurden.

Nach Schätzungen des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg wird die Karstadt-Pleite die deutschen Steuerzahler voraussichtlich 650 Millionen Euro kosten. Schon vor der Gläubigerversammlung stehe der Staat als der finanziell größte Verlierer der Warenhaus-Pleite fest, berichtet die "Wirtschaftwoche" unter Berufung auf einen Bericht von Görg. Ein Sprecher des Insolvenzverwalters bestätigte die Zahlen. Insgesamt gehe Görg im Insolvenzplan von einem Forderungsvolumen aller Gläubiger von rund zwei Milliarden Euro aus.

Demzufolge gehen den Finanzbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und den Sozialkassen insgesamt mehr als 650 Millionen Euro verloren. Rund 500 Millionen Euro entfallen dabei auf die Steuerbehörden. Auf 108 und 78 Millionen Euro belaufen sich die Ansprüche der Arbeitsagentur und Sozialkassen aus Insolvenzgeldzahlungen an Karstadt-Mitarbeiter. Die Insolvenzquote würde im Fall einer Zerschlagung bei nur einem Prozent liegen. Bei einer geplanten Rückzahlungsquote von drei Prozent sind demnach lediglich Rückzahlungen von rund 21 Millionen Euro an die Behörden zu erwarten.

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