Kosten für Therapie nach Missbrauch: Warme Worte, aber kein Geld
Die katholische Kirche will Missbrauchsopfer unterstützen. Doch wenn es darum Geld geht, einem Betroffenen eine erfolgte Therapie zu bezahlen, wird sie kaltschnäuzig.
Darauf deutet ein Fall hin, den die taz aufgedeckt hat. Beim Bistum Essen hatte sich vor ein paar Wochen ein Berliner gemeldet, der als Siebenjähriger Ende der Sechzigerjahre Opfer mehrfachen sexuellen Missbrauchs durch einen Priester geworden war. Er bat um ein Gespräch mit dem Täter, einem mittlerweile rund 80-jährigen Geistlichen. Das Gespräch fand in einem Raum des Bistums zusammen mit Vertretern der Diözese statt.
Dabei räumte der Täter zumindest teilweise den Missbrauch ein. Daraufhin forderte das Opfer das Bistum in einem Schreiben auf, die Kosten einer dreijährigen Psychotherapie zu übernehmen, die der Geschädigte bis 2007 auf eigene Kosten gemacht hatte - immerhin knapp 17.000 Euro. Das Opfer sagt, es sei wegen der Kostenübernahme nicht an eine Krankenkasse herangetreten, weil es sich geschämt habe. "Ich wollte nicht, dass das irgendjemand weiß." Erst nach den jüngsten Enthüllungen, so der Berliner, habe er sich überwunden, bei der Kirche vorstellig zu werden.
So schwer es dem Opfer nun fiel, beim Bistum die Kosten für die Therapie einzufordern, so knapp und kalt war die Antwort des Personaldezernenten darauf: "Was die Übernahme von Therapiekosten betrifft, so gibt es bei uns folgende Regelung: Die Kosten zurückliegender Therapien können nicht erstattet werden." Und wenn das Opfer eine neue Therapie anstrebe, müsse diese der Täter zahlen, sollte die Krankenkasse dies nicht tun.
Diese kirchliche Knauserigkeit widerspricht vielleicht nicht dem Buchstaben, aber dem Geist der "Leitlinien", die sich die deutschen Bischöfe schon 2002 für den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kirchenangehörige gegeben haben. Darin heißt es: "Dem Opfer und seinen Angehörigen werden menschliche, therapeutische und pastorale Hilfen angeboten." Und weiter: "Finanzielle Unterstützung therapeutischer Maßnahmen ist im Einzelfall möglich." Ende Februar bekräftigten die Oberhirten noch einmal: "Die Leitlinien sagen den Opfern und ihren Angehörigen eine menschliche, therapeutische und seelsorgerische Hilfe zu, die individuell angepasst ist."
Auf die Frage, warum die alten Therapiekosten nicht übernommen würden, erklärt die Pressesprecherin des Bistums Essen, Dorothee Renzel-Walter, der taz: Man könne eben "die Altfälle nicht alle im Blick haben", das sei "nicht kontrollierbar in dem Sinne". Was eine zukünftige Therapie angehe, sei sie sicher: "Das Opfer bleibt auf keinem Fall auf den Kosten sitzen." Das Geld für eine neue Behandlung werde der übergriffige Pastor laut Beschluss des Bischofs Franz-Josef Oberbeck von seiner Pension aufbringen müssen. Das Opfer müsse den Geistlichen nicht verklagen.
Das Ganze scheint in der deutschen Kirche kein Einzelfall zu sein: Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, betont zunächst, dass man zu dem konkreten Fall in Essen keine Stellungnahme abgeben wolle, "da es sich um einen speziellen Fall eines Bistums handelt". Es gebe jedoch für die 27 deutschen Bistümer keinen generellen Beschluss, dass die Kosten zurückliegender Therapien für Missbrauchsopfer nicht gezahlt würden. Das Ganze aber sei eine Entscheidung der jeweiligen Diözese. Kopp vermutet, dass das in anderen Bistümern anders gehandhabt werde als in Essen. Die deutschen Bistümer sind weitgehend autonom, die Bischofskonferenz koordiniert in der Regel nur.
Annegret Laakmann von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" kann ebenfalls nicht sagen, ob in den deutschen Bistümern zurückliegende Therapiekosten generell nicht gezahlt würden. Sie verweist jedoch auf die Erfahrungen bei der Hotline der Kirchenvolksbewegung für die Missbrauchsopfer, die es seit 2002 gibt. Dort hätten sich etwa 400 Opfer gemeldet. Und keines von ihnen habe bisher Geld für die Kosten vergangener Behandlungen erhalten. Auch Entschädigungen seien nur "gelegentlich" gezahlt worden, sie wisse nur von drei oder vier. Dabei sei es um Summen zwischen 5.000 und 10.000 Euro gegangen. Ihrer Einschätzung nach wird es auch zukünftig nicht viele Entschädigungen durch die Bistümer geben, weil die meisten Fälle schon verjährt seien.
Christian Weisner von "Wir sind Kirche" ergänzt, es werde wohl bald wegen anstehender Entschädigungszahlen zwischen den Bistümern "ein großes Gerangel geben". Die Diözesen werden wohl wegen zu erwartender Zahlungen an die Opfer sparen müssen. Das werde für die Kirche "schmerzhaft" und erkläre auch "das Zögerliche" im Umgang mit den Opfern. Auch bei den Therapiekosten.
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