Freitag, 23. April 2010

Misshandlungsaffäre: "Mixa darf nicht das Bauernopfer für alle anderen sein"

Sie befehdeten sich jahrzehntelang:
Claudia Roth nannte Mixa "durchgeknallt" und rückte ihn in die Nähe von Pol Pot, das Augsburger Bistum verglich ihre Äußerungen mit Nazi-Hetze.

Im Interview erklärt die Grünen-Chefin, warum sie den Rücktritt Mixas für nicht ausreichend hält.

SPIEGEL: Sind Sie traurig über den Rücktritt von Bischof Walter Mixa?

Claudia Roth: Natürlich nicht. Das ist eine hinterlistige Frage - weil sie unterstellt ja, dass ich froh über die Auseinandersetzung mit diesem "Gegner" in meinem Wahlkreis Augsburg gewesen wäre. Im Ernst: Der Rücktritt war absolut überfällig. Und ich hoffe wirklich sehnlichst, dass damit auch ein Neubeginn im Bistum Augsburg und in der Deutschen Bischofskonferenz möglich ist. Also mit anderen Positionen und einem anderen Umgang mit Konflikten.

SPIEGEL: Warum war Ihre Auseinandersetzung mit Mixa so heftig?

Roth: Das hatte nie mit persönlichen Animositäten von meiner Seite zu tun, sondern mit dem polarisierenden Verhalten und den entsprechenden Positionen Mixas - und zwar schon bevor er nach Augsburg kam. Bereits als Militärbischof hat Mixa sich als erzkonservativ geriert, und das auf eine sehr laute Weise. Er ist immer als politisch kämpfender Bischof aufgetreten, also musste sich Mixa auch über entsprechende Reaktionen nicht wundern. Besonders viele Konflikte mit mir - stellvertretend für viele Grüne - gab es wegen seiner Vorstellungen zur Rolle der Frau, aber auch zu gleichgeschlechtlichen Lebensformen.

SPIEGEL: Was ändert der Mixas Rücktritt konkret?

Roth: Das ist der Anfang dessen, was eine Änderung in der katholischen Kirche in Deutschland sein könnte. Natürlich wird das nicht ausreichen, obwohl sein Rücktritt sicher im Sinne von vielen katholischen Gläubigen und Geistlichen ist. Die Verfehlungen, über die seit Wochen berichtet wird, müssen weiter mit großem Nachdruck aufgeklärt werden. Mixa darf nicht das Bauernopfer für alle anderen sein.


SPIEGEL: Die Vorwürfe in Augsburg richten sich ja nicht nur gegen den Bischof, sondern gegen das "System Mixa". Was muss noch passieren?

Roth: Ich hoffe sehr, dass man in Augsburg endlich die Kraft findet, wieder ein liberaleres Bistum zu schaffen. Immerhin ist das die Stadt des Religionsfriedens! Die katholische Kirche kann dort nicht weiter so tun, als würde sie über allen anderen stehen. Natürlich steht das erzreaktionär geprägte Umfeld von Herrn Mixa einem Aufbruch im Wege. Das Bistum hat, daran erinnere ich mich aus meiner eigenen Kindheit und Jugend, durch den damaligen Bischof Stimpfle eine finstere Tradition: Damals wurde beispielsweise noch Exorzismus praktiziert. Daran hat Mixa nach einer liberaleren Episode wieder angeknüpft. Das müssen die Augsburger Katholiken nun zurückdrehen.

SPIEGEL: Das Verhältnis der Grünen zur katholischen Kirche hat sich in den vergangenen Jahren entspannt, trotz einer Figur wie Bischof Mixa. Wird es jetzt noch enger werden?

Roth: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es gibt klare Differenzen zwischen uns, gerade in der Familienpolitik. Und so etwas wie "mulier taceat in ecclesia" - die Frau muss in der Kirche schweigen -, das passt definitiv nicht zu unserem Frauenbild. Und das wissen unsere katholischen Gesprächspartner auch, die wir ja auf vielen Ebenen haben. Viele Grüne, die bei "Kirche von unten" sind, drängen zudem auf die Demokratisierung der katholischen Kirche. Aber oft sind wir auch sehr nah beieinander, wie in der Flüchtlingspolitik oder dem Umweltschutz. Klar ist: Die Kirche ist eine sehr wichtige Institution, mit der auch wir Grünen oft kooperieren. Und sie ist unverzichtbar als Träger und Bindeglied dieser Gesellschaft.

SPIEGEL: Bestimmte Kreise werden Bischof Mixa nun zum Märtyrer erheben, der dem Zeitgeist die Stirn geboten hat. Was sagen sie denen?

Roth: Es würde wenig nützen, wenn ich denen widersprechen würde. Die sind nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Aber die große Mehrheit scheint es doch anders zu sehen, sie lässt auch einem Bischof nicht mehr alles durchgehen. Viele Katholiken fühlten sich von einem wie Mixa schon lange nicht mehr repräsentiert. Und nun mussten sie feststellen, dass er auch seinen eigenen Moralvorstellungen nicht standhält. Dieser Bischof hat seine Glaubwürdigkeit genauso verloren wie seine Autorität.

SPIEGEL: Sie haben die katholische Kirche vor Jahren verlassen. Werden Sie nach Mixas Abgang wieder eintreten?

Roth: Ich bin damals - mit Billigung meiner katholischen und sehr gläubigen Großmutter - ausgetreten. Sie hatte Verständnis dafür, dass für mich die Kirche keine moralische Glaubwürdigkeit mehr hatte und ich mich als junge Frau in ihr nicht wiederfand. Priesterverbot für Frauen, Zölibat, der Umgang mit den Themen Verhütung oder Homosexualität - daran hat sich doch nichts geändert. Es muss außer dem Rücktritt von Mixa noch vieles geschehen, bevor ich mit einem Wiedereintritt liebäugele.

Das Interview führte Florian Gathmann

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