Mittwoch, 7. April 2010

Köln: "Die soziale Willkür der Gabriele K."

Und wieder schlug eine ca. 20köpfige, solidarische Meute an drei Kölner ARGE-Standorten zu. Diesmal verteilten sie am 16. März 2010 an Mitarbeiter und wartende Erwerbslose eine Art Steckbrief. Darin werden schwere Vorwürfe gegen die Standortleiterin in Mitte (Luxemburger Str.) erhoben.

Dass das umstrittene Verhalten der Standortleiterin am 9. Juni 2009, die Polizeiaktion und der darauf folgende Prozess gegen zwei Beistände einer Hilfe bedürftigen Frau in der sozialen Bewegung in Köln nicht so schnell vergessen sind, war vorauszusehen. Vor allem das nachträgliche Auftreten der Beamtin vor Gericht, ließ die damals zahlreichen Prozessbeobachter und Zeugen des besagten Vorfalls arg schlucken.

Da gab's keinen Ausdruck des Bedauerns oder irgendeines Fehlverhalten, die Frau tat selbstbewusst so, als hätte sie schon immer alles richtig gemacht. Das heute verteilte Flugblatt, stellt dies anders dar.

In der ARGE Kalk (Bergischer Ring) ist die 'Meute' erst aufgefallen, als die Aktion bereits gelaufen, das Flugblatt auf allen vier ARGE-Etagen, in allen Büros und allen Wartebereichen verteilt war. Plötzlich, wie aus dem Nichts, sammelten sich im Ausgangsbereich jene 20 Mitstreiter, die sich zuvor offenbar einzeln und unauffällig an den Sicherheitskräften der ARGE vorbei schlichen.

Mitarbeiter hatten sich verängstigt eingeschlossen

In der ARGE und dem Bezirksrathaus Mülheim (Wiener Platz) bewiesen die Flugblätter gar, dass sie auch wirklich fliegen können, als sie unverhofft von einer Brüstung der vierten Etage bis ins Erdgeschoss regneten und einige Mitarbeiter schlossen sich verängstigt in ihren Büros ein.

Auch im ARGE-Standort Genoveva-Str. (U25) wurde fleißig verteilt.

Wir zitieren auszugsweise aus dem Flugblatt, in dem der Standortleiterin "unterlassene Hilfeleistung und die Gefährdung von Leben" vorgeworfen wird:

"Am 9. Juni 2009 hat Gabriele K. einer zuckerkranken Hartz-4-Empfängerin wissentlich die sozial-gesetzlich erforderliche Nothilfe verweigert und sie damit in eine lebensbedrohliche Situation gebracht.

Die Frau hatte ihr Portemonnaie verloren und bereits Tage zuvor bei der ARGE um Hilfe nachgesucht, da sie weder Essen noch Insulin kaufen konnte. Aufgrund eines Bearbeitungsfehlers der ARGE war sie außerdem ohne Krankenversicherung. Statt der erforderlichen Hilfe erhielt sie einen weiteren Termin für Tage später, zu dem sie einige Beistände der KEAs (Kölner Erwerbslose in Aktion) begleiteten.

Obwohl die Standortleiterin Gabriele K. mehrfach auf die Diabeteserkrankung und damit die Dringlichkeit der Situation hingewiesen wurde, bot sie der hilfesuchenden Frau nur einen Lebensmittelgutschein an. Die Betroffene beharrte jedoch auf eine Bargeldzahlung, um das dringend benötigte Insulin kaufen zu können, das ihr durch den Fehler seitens der ARGE nicht von der Krankenkasse zur Verfügung gestellt wurde. ... Aufgrund der durch K. verweigerten Nothilfe versammelten sich ca. 15 Beistände im Büro der Standortleiterin, um die Hartz-4-Kollegin in ihrem Anliegen zu unterstützen. Statt zu helfen, ließ Gabriele K. die Polizei rufen und die Beistände gewaltsam aus der ARGE schmeißen. Außerdem veranlasste sie eine strafrechtliche Verfolgung der BegleiterInnen sowie die Verhängung von Hausverboten.

Gabriele K. ist eine von denen, die die Achseln zucken, wenn ihnen, wie im Fall der zuckerkranken Frau, zurecht unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird. Sogar als Zeugin im Prozess gegen die Beistände bestreitet sie, von der Erkrankung der Hartz-4-Empfängerin gewust zu haben, obwohl sie nachweislich per Computer über den Erhalt eines diesbezüglichen Mehrbedarfs informiert war und im Gespräch mehrfach darauf hingewiesen wurde. ...

Seit Hartz-4 können sich ARGE MitarbeiterInnen uneingeschränkt als Despoten über Hartz-4-EmpfängerInnen aufspielen. Erweiterte Ermessensspielräume, Sanktions- und Kontrollgewalt bieten den MitarbeiterInnen viele Möglichkeiten, arbeitslosen Menschen das Leben schwer zu machen. Es bleibt aber ihre persönliche Verantwortung, welche Entscheidungen sie konkret treffen.

Auch wenn jede/r MitarbeiterIn der ARGE verdammt viel Macht über Hartz-4-EmpfängerInnen besitzt, so verhält er/sie sich andererseits in der Regel ohnmächtig, wenn es darum geht, für sich selbst bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Laut einer Umfrage von ver.di findet die Mehrheit der Kölner ARGE MitarbeiterInnen ihre Arbeit und das Betriebsklima so beschissen, dass 75 % meinen, sich im Kollegenkreis zusammenschließen zu müssen, um sie zu verbessern. Auch wir sind für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von ARGE-MitarbeiterInnen, meinen aber, dass dies ohne die Verbesserung der Lebensbedingungen von Arbeitslosen unmöglich ist.

Wer Hartz-4-EmpfängerInnen Bargeldzahlungen verweigert, sanktioniert und auf 251 Euro im Monat kürzt, wer Menschen mittels Zwangsumzug von ihren Nachbarn und Freunden trennt, wer ihr Privatleben und die Persönlichkeit ausschnüffelt und bewerten läßt, der demütigt und entwürdigt Menschen. Er/sie bringt andere in Not und in lebensbedrohliche Situationen. Wer so handelt, muss sich nicht wundern, wie Gabriele K., als asozial geoutet zu werden."

Das Flugblatt liegt der KEA-Redaktion vor und ist von einer Privatperson unterzeichnet. Einer entsprechenden Stellungnahme der Standortleiterin Mitte der ARGE Köln sähen wir mit Spannung entgegen.

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