Berlin - Der Übergang zur Demokratie im Irak werde eine "lange, schwierige und wahrscheinlich turbulente Herausforderung". Der irakischen politischen Kultur fehle "die gesellschaftliche Untermauerung" für eine demokratische Entwicklung. Sie kenne "kein Konzept einer loyalen Opposition und keine Tradition des Machtwechsels".
Außerdem werde ein Krieg im Irak "zu einer Zunahme des politischen Islam und erhöhter Unterstützung von Terrorgruppen" führen. Spannungen zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden würden "terroristische Gruppen ermuntern, die volatile Sicherheitslage auszunutzen und Anschläge auszuführen".
Klingt vertraut?
All dies schrieben US-Analysten bereits im Januar 2003 - zwei Monate vor der US-Invasion im Irak. Der gestern vorgelegte 229-seitige Bericht des US-Senats, der sich mit Regierungsprognosen für den Nachkriegsirak beschäftigt, basiert im wesentlichen auf zwei Dokumenten, die damals auf höchster Ebene in Washington zirkulierten. Bei den Einschätzungen habe es sich um die Konsensmeinung der verschiedenen US-Geheimdienste gehandelt, schreibt die "Washington Post", die die Analysen "prophetisch" nennt.
Der Nationale Geheimdienstrat hatte die beiden Analysen kurz vor dem Krieg in Auftrag gegeben und weitergeleitet. Kenntnis hatten laut einer im Senatsbericht veröffentlichten Liste das Weiße Haus, das Pentagon, das Außenministerium sowie die zuständigen Kongressausschüsse.
"Gruselige Warnung"
Der Senatsbericht gibt den Bush-Kritikern neues Futter. Die Regierung habe "die ernüchternden Geheimdienstanalysen" der amerikanischen Bevölkerung vorenthalten, kritisierte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, der demokratische Senator John Rockefeller, in einem Statement. Die "gruseligste Warnung" der Dienste sei gewesen, dass Iran und Al Qaida die aus einem Krieg resultierende Instabilität ausnutzen würden.
Der republikanische Senator Christopher Boyd hingegen warf den Demokraten vor, die Untersuchung parteipolitisch zu missbrauchen. Die Warnungen seien "keine Kristallkugel" gewesen. "Der Bericht übertreibt die Bedeutung der Einschätzungen aus der Vorkriegszeit", schrieb Boyd zusammen mit drei weiteren republikanischen Senatoren in einem Statement. Es habe damals auch andere "autoritative Meinungen" gegeben.
Ebenso reagierte auch George W. Bush. Die Regierung habe damals viele Warnungen erhalten. Einige seien eingetreten, andere nicht, sagte der US-Präsident. Er habe die Risiken abgewogen und seine Entscheidung getroffen.
Zu den falschen Prognosen zählte etwa die optimistische Annahme, dass der Wiederaufbau des Irak durch die Öleinnahmen erleichtert würde. Die Produktion ist bis heute weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Auch die Annahme, dass der Terrorismus im Nachkriegsirak binnen drei bis fünf Jahren aufhören werde, erwies sich als irrig.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen