Innenminister Wolfgang Schäuble sagte der Freitagsausgabe der Neuen Presse, er rechne mit einer erhöhten Gefährdungslage in Deutschland anlässlich des G8-Gipfels Anfang Juni in Heiligendamm. "Wenn sich einige der wichtigsten politischen Führer der Welt treffen, gibt es eine erhöhte Gefahr." Dass es bisher bei Großereignissen wie dem Weltjugendtag und der Fußball-WM in der Bundesrepublik keine Terror-Anschläge gegeben habe, sei keine Garantie, dass Deutschland davon verschont bleibe. Daher werde die Bundesregierung alles Erdenkliche für die Sicherheit der Teilnehmer tun und entsprechende Vorkehrungen treffen. Schäuble erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass sich während des G8-Treffens in Gleneagles in Schottland 2005 die Terroranschläge von London ereignet hätten.
Gleichzeitig drohte Schäuble gewaltbereiten Störern des Gipfels mit vorbeugender Haft. Der sogenannte Unterbindungsgewahrsam, so Schäuble, gelte nicht nur für Hooligans, sondern auch für gewaltbereite Chaoten. Der Bild sagte er am Freitag, dass die Polizeigesetze der Länder den sogenannten Unterbindungsgewahrsam vorsehen. Danach können Störer je nach Bundesland bis zu 14 Tage in Polizeigewahrsam genommen werden, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für geplante Straftaten gibt.
Schäuble rechtfertigte die jüngsten umstrittenen Razzien in Zentren der linken Szene in mehreren deutschen Städten, unter anderem in Hamburg und Berlin. Bei großen politischen Ereignissen wie dem G8-Gipfel versuchten Globalisierungsgegner Aufmerksamkeit zu erregen und die Weltöffentlichkeit für ihre Anliegen zu gewinnen.
Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier warb um Verständnis für die Sicherheitsmaßnahmen. "Sie können mir glauben, dass die Politiker es lieber sähen, wenn solche Sicherungsmaßnahmen nicht nötig wären", sagte er dem Radiosender MDR Info. In welchem Umfang sie erforderlich seien, entschieden diejenigen, die für die Sicherheit der eingeladenen Gäste Verantwortung trügen.
Die Grünen sowie Teile von SPD und FDP kritisierten am Donnerstag die Durchsuchungsaktion und warnten vor einer Kriminalisierung des legalen Protests. Grünen-Chefin Claudia Roth nannte die Aktion unverhältnismäßig. Weil es solche gewaltbereite Gruppen gebe, "kann man nicht eine ganze Bewegung kriminalisieren und in eine terroristische Ecke stellen", sagte sie dem Nachrichtensender N24. Der Innenexperte der Grünen, Wolfgang Wieland, hält den Terrorverdacht für unbegründet: Es handle sich um kleine autonome Gruppen, aus denen man jetzt eine Art "Terror-Holding" mache.
Auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte vor der Kriminalisierung der Gipfelgegner: "Man darf nicht die vielen Menschen, die Fragen stellen, und die wenigen, die kriminell sind, in einen Topf werfen." Die FDP-Rechtspolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnte, man dürfe den G8-Protest nicht in Misskredit bringen, indem man pauschal alle Gegner unter Terrorverdacht stelle.
Die Polizei setzt derweil eher auf deeskalierende Maßnahmen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, hat sich gegen eine Kriminalisierung von Globalisierungsgegnern ausgesprochen. "Dieser Eindruck darf nicht entstehen", sagte Freiberg am Freitag im Deutschlandradio Kultur. Es gehe nicht um Kriminalisierung, sondern darum, einzelne Straftäter dingfest zu machen und weitere Straftaten zu verhindern.
Zwar räumte der ein, es gebe zum G8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm ein großes Gewaltpotenzial. Die Polizei werde aber auf Deeskalation setzen, unterstrich Freiberg. "Das ist ja unser Ziel, eine friedliche Protestbewegung dort zu sehen."
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