Freitag, 11. Mai 2007

Unpünktlich und kompliziert

Japan hat die besten Bahnen weltweit, sagt eine Studie.
Die Deutsche Bahn hingegen ist nur Mittelmaß: Ihr Service ist zu schlecht. An ihr allein liegt das aber nicht.


Welches Bahnunternehmen wirtschaftet am nachhaltigsten?

Gabriella Ries hat es untersucht. Die Analystin arbeitet für die Schweizer Bank Sarasin, bekannt für ihre nachhaltigen Anlageprodukte, und hat in einer aktuellen Studie 21 Bahn-Firmen miteinander verglichen. Dabei achtete sie vor allem darauf, „ob die Bahn ökologisch sauber und sozial verantwortungsvoll wirtschaftet, und ob ihre Kunden zufrieden sind“, sagt sie. Das Ergebnis: Die Deutsche Bahn ist nur Durchschnitt. Vorbildlich arbeiten hingegen die japanischen Unternehmen.

Zugegeben, im Vergleich zu diesen hat die Deutsche Bahn mit besonderen Problemen zu kämpfen: Sie muss ein weit verzweigtes Netz mit vielen Knotenpunkten bedienen. Jeder einzelne Knoten bedeutet zusätzlichen Aufwand. Damit der Betrieb reibungslos läuft und die Fahrgäste keine Zeit verlieren, muss die Bahn den Takt der Züge, die sich dort kreuzen, möglichst präzise aufeinander abstimmen. Zusätzliche Arbeit macht der Güterverkehr. Die Frachtzüge müssen in den laufenden Betrieb integriert werden, ohne den Personenverkehr zu stören – dennoch soll ihre wertvolle Ware möglichst schnell und sicher ans Ziel gelangen.

Die japanischen Bahnen haben keine solchen Probleme. Weil sie ein langes, schmales Land befahren, gleicht ihr Gleisnetz eher einer Linie mit Seitenarmen. Ihre Schnellzüge müssen auf Gütertransporte so gut wie keine Rücksicht nehmen. Die gibt es nämlich auf japanischen Schienen kaum. Zudem genießt die Bahn in Japan die besondere Unterstützung der Politik. Traumhafte Verhältnisse also, aus deutscher Sicht.

Doch das entschuldigt nichts, findet Gabriella Ries. „Man muss die Unternehmen an den Anforderungen des Marktes messen.“ Also an dem, was die Kunden wünschen. Und den Fahrgästen ist es nun mal schnuppe, ob ihre Bahn mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hat oder nicht. Sie wollen einfach bequem, sicher und pünktlich von einem Ort zum anderen gelangen.

Ries’ Studie hat mit der aktuellen Debatte um den Klimawandel zu tun. Zur Erderwärmung trägt der Verkehr nämlich unverhältnismäßig viel bei, argumentiert die Bank. Straßen- und Schienenfahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge sind für rund 20 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, und ihr Ausstoß wird künftig eher wachsen, statt zu sinken. Unter allen Verkehrsträgern ist die Bahn noch am umweltfreundlichsten. Wer sie fördert, tut dem Klima also Gutes.

Weil die Analysen der Bank Sarasin sich vor allem an nachhaltig orientierte Anleger richten, hat Ries nur börsennotierte Bahn-Unternehmen untersucht oder solche, die einen Börsengang planen. Als ökologisch sauber galten ihr jene Firmen, die besonders effizient mit Energie umgehen, wenig Abgase emittieren und ihre Marktanteile stetig ausbauen. Die sauberste Bahn, so der Gedanke, nützt der Umwelt nichts, wenn sie keine Fahrgäste aus dem Auto auf die Schiene holt. Als sozial besonders verantwortungsvoll stufte Ries solche Unternehmen ein, die ihren Kunden einen guten Service bieten, kaum in Unfälle verwickelt sind und ihre Belegschaft fair behandeln.

Die wichtigsten Ergebnisse: Am schlechtesten schnitten reine Güterbahnen ab. Sie befördern ihre Fracht häufig mit alten Dieselloks und müssen viel rangieren – das schadet der Umwelt. Auch britische Bahnen, bekannt für ihre marode Infrastruktur und ihren schlechten Service, bekamen von Sarasin keine guten Noten. Die besten Plätze belegten zwei japanische Unternehmen: East Japan Railway und Central Japan Railway erreichten in allen Kategorien sehr gute Bewertungen. „Sie haben über Jahre eine ausgezeichnete Qualität in Fragen der Pünktlichkeit, Kundenzufriedenheit und Sicherheit erreicht und sind auch bei großen Distanzen gegenüber dem Luftverkehr konkurrenzfähig“, schreibt Ries. Auch ökologisch schneiden die Japaner sehr gut ab. Als überdurchschnittlich gut bewertet die Analystin zudem die Betreiber der Stadtbahnen in Hongkong und Singapur, MTR und SMRT.

Die Deutsche Bahn hingegen gilt zwar ökologisch als vorbildlich. Ihre Emissionen sinken und sie nutzt die zur Verfügung stehende Energie immer effizienter. Ihre Züge sind sicher. Auch als Arbeitgeber überzeugt sie. Im Güterverkehr bietet sie einen guten Service und gewinnt Marktanteile hinzu. Überdies gab Ries dem Unternehmen einige Bonuspunkte, zum Beispiel dafür, dass es durch seine Mietautos einen reibungslosen Übergang von der Schiene auf die Straße sicherstellt.

Dennoch:
Letztlich reichte es nur für die Note „durchschnittlich“. Der wunde Punkt der Deutschen Bahn – Vielfahrer ahnen es – ist ihr Personenverkehr. Die Bahn ist nicht pünktlich genug, sie baut im Nahverkehr regionale Netze ab, und ihr Preisgefüge ist undurchschaubar, kritisiert Ries. Offenbar schafft das Unternehmen es nicht, seine Strategie klar umzusetzen.


Woran es liegt?

„Es gibt viel Unruhe im Unternehmen“, sagt Ries. „Die Bahn ist noch auf der Suche nach ihrer Strategie.“ Und sie hat’s eben doch schwerer als die Japaner: Sie muss die Berufspendler ebenso bedienen wie die Langstreckenfahrer, Gütertransporte ebenso abwickeln wie den Personenverkehr.


Dabei hätte die Deutsche Bahn gute Voraussetzungen, alles richtig zu machen. „Die Richtung, die man einschlägt, finde ich eigentlich gut“, sagt die Analystin. Dass die Bahn den Langstreckenverkehr ausbaut und versucht, gute Verbindungen auch in die Nachbarländer zu schaffen, gefällt ihr. „Aber die Bahn verspielt ihre Vorteile, die sie gegenüber den Kurzstreckenflügen hat – vor allem jenen, dass es eigentlich einfacher sein müsste, spontan eine Bahnfahrkarte zu kaufen als einen Flug zu buchen.“ Bislang klappt das in Deutschland noch nicht so gut.

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