Verträumt schaut das bleiche Mädchen ins Ungewisse. Um ihren Hals hänge ein Lederbändchen, der Anhänger ist ein kitschiges Amulett. Es ist eine beliebte, beinahe klassische Pose, in der sich die junge Deutsche auf ihrer Profilseite der Internetgemeinschaft MySpace präsentiert - wäre da nicht das kryptische, fehlergespickte Motto neben ihrem Profilfoto: "Kampf und Sieg, für den der am nordischen Himmel thront. Kampf und Sieg für Wotan. Den ewig lebt der Toten taten Ruhm!!", schreibt das Mädchen.
In ihrem Gästebuch haben sich Gleichgesinnte verewigt, unter ihnen verschiedene rechtsextreme Kameradschaften. Und nur einen Klick entfernt ist das MySpace-Profil der NPD. Näher am Wähler, näher an der potentiellen Zielgruppe kann eine Partei derzeit kaum sein. Was die großen Parteien allein als Gemeinplatz in ihre Ortsvereine tragen, scheint bei den Nationaldemokraten längst Wirklichkeit: Der Wähler wird dort abgeholt, wo er ist. Und das ist eben schon längst nicht mehr der regionale Wochenmarkt, sondern das Internet.
Und eben allem voran MySpace, die globale Internetgemeinschaft, die dem australischen Medienmogul Rupert Murdoch gehört und die längst nicht mehr - wie ursprünglich gedacht - eine Plattform für Bands und Musikfans ist, sondern eines der wichtigsten Spielfelder des Onlinemarketings. Erst im Frühjahr 2007 ging eine MySpace-Seite für den Staat Israel online, die das Land jungen, us-amerikanischen Juden präsentieren soll.
Unter myspace.com/die_nationalisten präsentierte sich die - nach eigenen Angaben 42 Jahre alte und männliche - rechtsextreme Partei mit offiziellem Logo und den aktuellen Pressemitteilungen sowie Plakatentwürfen im zugehörigen Weblog. In der Poesiealbumrubrik "Wen ich gerne kennen lernen würde" waren Bilder von Holger Apfel, Udo Voigt und anderen NPD-Größen zu sehen. Im Gästebuch der Profilseite sammelten sich beste Grüße von Rechtsradikalen aus Deutschland und Europa. "Long live the Vaterland" schrieb ein offenbar skandinavischer MySpace-Nutzer.
"Thx for the add - Freie Kameradschaft Miltenberg"
Eine rechtsextreme Gruppierung aus dem Fränkischen dankte im MySpace-eigenen Duktus für die virtuelle Freundschaft: "Thx for the add - Freie Kameradschaft Miltenberg" stand da in schwarz-weiß-roten Frakturlettern auf einem grobkörnigen Schwarzweißfoto eines stoisch blickenden Wehrmachtssoldaten. Rechte Inhalte sind bei MySpace nichts Neues - sogar Adolf Hitler persönlich hat ein MySpace-Profil. Wie so oft auf der Plattform ist es schwierig, zwischen seltsamer Satire und rechtsextremem Ernst zu unterscheiden.
Dass Ideologie und Technologie in einem offensichtlichen Grundwiderspruch stehen, scheint die rechtsextremen und nationalistischen Internetnutzer dabei wenig zu stören. Dass die Mehrheit der MySpace-Registrierten in den USA leben, die den Rechtsextremen sonst als Hauptursache des Übels der Welt gelten - nebensächlich. Dass MySpace dem Großkapitalisten Murdoch gehört, der genau die Art von Globalisierung vorantreibt, die die NPD so vehement ablehnt - geschenkt. In einer Mischung aus Doppelzüngigkeit und Gleichgültigkeit nutzen die Rechtsextremen genau die internationale Verflechtung, gegen die sie eigentlich wettern wollen. Der Erfolg rechtfertigt wohl die Wahl der Mittel.
In der Bundesgeschäftsstelle weiß man von nichts
Ein Erfolg, dem zumindest im Fall MySpace keine lange Dauer beschwert war: Vier Tage nachdem das Profil angelegt worden war, wurde die Nutzerseite myspace.com/die_nationalen deaktiviert. Was blieb, war die übliche Meldung: "Invalid Friend ID - This user has either cancelled their membership, or their account has been deleted."
Bislang ist dazu von MySpace keine Erklärung zu erhalten. Warum wurde das NPD-Profil abgeschaltet? Eigentlich steht das Reglement der Seite Derartigem nicht entgegen. Oder wurde das MySpace-Profil gar von Hackern stillgelegt?
In der Bundesgeschäftsstelle der NPD selbst gibt man sich gelassen. Selbstverständlich sei auch eine Plattform wie MySpace eine interessante Möglichkeit zur Kommunikation. Für die Löschung habe man keine Erklärung. Allerdings: Von einer MySpace-Seite wisse man zumindest in der Bundesgeschäftsstelle nichts.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen