Freitag, 11. Mai 2007

Mehr als 3.000 Euro Miete für 80 Quadratmeter

Abzocke mit miesen Absteigen für Saisonarbeiter

Die Wirtschaft in Deutschland brummt, und um den Bedarf an Arbeitnehmern zu decken, werden vor allem Arbeitskräfte aus Osteuropa ins Land geholt. Skrupellose Vermieter machen derweil nach SWR-Recherchen mit miserablen Unterkünften für die Arbeiter ein Riesen-Geschäft.

Der SWR wollte mehr über diese Geschäfte wissen und hat eine Annonce geschaltet: Für 15 osteuropäische Arbeiter wurde eine Wohnung für drei Monate gesucht. Zehn Angebote gingen ein, fünf wurden unter die Lupe genommen.

Mehr als 3.000 Euro Miete für 80 Quadratmeter

Das erste Angebot kommt von einem Schwaben aus dem Remstal. Er bietet an, Schlafplätze für 7,50 Euro pro Person und Nacht vermitteln zu können. Der Gesamtpreis für die Unterbringung: 3.375 Euro pro Monat. Er betont aber gleich, er sei nur der Vermittler. Den Vermieter würde man erst dann kennen lernen, wenn sichergestellt sei, dass er eine Provision in Höhe von über 8.000 Euro erhalte. Mit viel Mühe lässt er sich auf gut 6.000 Euro herunterhandeln – dieses Vermittlungs-Honorar verlangt er für Schlafplätze, die nur drei Monate angemietet werden sollen! Er meint aber, dass das Baugeschäft gerade boome und die billigen Schlafplätze doch eventuell länger angemietet werden könnten. Die SWR-Reporterin, die sich nicht zu erkennen gibt, verspricht zum Besichtigungstermin eine Bestätigung mitzubringen, dass er seine Provision erhält. Daraufhin informiert er den Vermieter.

Duschen in der Küche und verdreckte Kochplatten

Der Besichtigungstermin: Die Wohnung liegt im Erdgeschoss eines alten Hauses, das direkt an der lauten sechsspurigen Straße am Pragsattel in Stuttgart steht: Auf 80 Quadratmetern würden die Arbeiter in vier Zimmern wohnen. In den Räumen, die zur Zeit noch renoviert werden, stehen klapprige Doppelstockbetten aus Eisen mit extrem dünnen Matratzen, außerdem Stühle und ein Tisch. Es gibt kein Bad - geduscht wird in der Küche. Dort gibt es drei Duschkabinen und verdreckte Zweier-Kochplatten. Wenn mehr Kochplatten benötigt würden, könne man diese jederzeit besorgen, meint der Wohnungsvermittler später.

In den Zimmern ist es extrem laut, da es dort keine schallisolierten Fenster gibt. Die Arbeiter wären ja eh immer todmüde, erklären Vermittler und Vermieter einstimmig: Denen mache der Lärm doch gar nichts aus. Der Vermieter hält schon den ausgefüllten Mietvertrag in der Hand. Er geht davon aus, dass sofort unterschrieben wird. Da sei er falsch informiert worden, erklärt die SWR-Reporterin. Seine Wohnung ist nicht das einzige Objekt, das sie besichtigt.

Drei Toiletten für 40 Leute

Sie schaut sich Angebot Nummer zwei in Stuttgart-Zuffenhausen an: Das Haus auf einem ehemaligen Industriegelände ist komplett abgewohnt. Die Eingangstür ist eingetreten, im Treppenhaus stinkt es, die Wände sind verdreckt. Im ersten Stockwerk des Hauses werden Schlafplätze angeboten: 40 Arbeiter haben dort Platz – allerdings werden vier bis fünf Arbeiter pro Zimmer untergebracht.

In den Räumen sind die Fensterrahmen verschimmelt und zersplittert. Es gibt zwei Duschen, drei Toiletten und einen Raum zum Kochen. Immerhin: Betten und Matratzen sind neu und alle 14 Tage wird das Bettzeug gewechselt. Der Preis für die Unterbringung: 8,50 Euro pro Kopf. Wenn alle 40 Schlafplätze belegt sind, bekommt der Vermieter für sein Stockwerk 10.200 Euro im Monat.

3.000 Euro Miete für abbruchreifes Haus

Bei Angebot Nummer drei handelt es sich um ein kleines, abbruchreifes Haus in wirklich desolatem Zustand. Es steht im Raum Nürtingen. Komplett verdreckte Kellerräume mit Minifenstern werden als großzügige Aufenthaltsräume präsentiert: Der Putz blättert von den Wänden, der Lehmboden liegt weitgehend offen, nur kleine Flächen sind gekachelt – denn hier soll auch gekocht werden. Dafür werden Tischzeilen zur Verfügung gestellt. Ansonsten muss alles mitgebracht werden.

Die Wände sind feucht und verschmiert, zum Teil auch verschimmelt. Drei bis vier Eisengestell-Betten stehen in kleinen Zimmern, Fenster- und Türrahmen sind zersplittert. Die Terrasse, auf der Müll gelagert wird, darf mitbenutzt werden. Pro Bett verlangt der Vermieter 6,70 Euro. Das bedeutet, wenn 15 Arbeiter in diesem abbruchreifen Haus wohnen würden, springen 3.000 Euro pro Monat für den Vermieter heraus.

Abfällige Bemerkungen über die Arbeiter aus Osteuropa

Fast alle Vermieter sprechen abfällig über die Arbeiter, die in ihren Wohnungen untergebracht werden sollen. Es fallen Sätze wie: "Die Arbeiter kommen ja meist aus Polen, schuften viel mehr als die Deutschen, sind immer total verdreckt und versoffen. So was kann man ja gar nicht in einem Hotel unterbringen." Gefragt wurde auch, ob die Arbeiter am Wochenende ihre Unterkunft renovieren könnten, dadurch würde so mancher Schlafplatz billiger werden.

Nur eine Dame in Stuttgart-Mühlhausen bot eine passable Wohnung an. Auf knapp 60 Quadratmetern könne sie aber nur neun Arbeiter unterbringen, erklärt sie. Die Besichtigung ergibt: Bad, Küche und kleine Zimmer in einem Altbau - alles tadellos sauber. Eine Nacht kostet 10 Euro pro Arbeiter.

Redaktion Reporter & Recherche

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