Mittwoch, 9. Mai 2007

Söder am Scheideweg

In der Debatte um den früheren RAF-Terroristen Christian Klar gerät CSU-Generalsekretär Markus Söder zunehmend unter Druck. Es ist nicht die einzige Front, an der er derzeit zu kämpfen hat.

Die CSU steht wegen ihrer Drohungen an Bundespräsident Horst Köhler im Zusammenhang mit dem Gnadengesuch des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar in der Kritik. CSU-Generalsekretär Markus Söder und andere Parteigenossen hatten damit gedroht, Köhler 2009 nicht wieder zum Bundespräsidenten zu wählen, falls er Klar begnadigt. Dies hat Köhler nich getan: Von einer Begnadigung hat er gestern abgesehen.

Nicht nur die Opposition und die SPD schießen sich nun auf den CSU-Mann ein, auch in den eigenen Reihen gerät Söder nun in die Kritik. Es sei "völlig überflüssig" und "geschmacklos" gewesen, eine Druckkulisse aufzubauen und die Begnadigung des früheren RAF-Terroristen Klar mit der Wiederwahl Köhlers zu verknüpfen, sagte der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl in der Mittwochausgabe des Münchner Merkur. Auch der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, und Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) äußerten ihren Unmut über Söders Bemerkungen.

CSU-Chef Edmund Stoiber und Bayerns Innenminister Günther Beckstein nahmen Söder dagegen am Dienstag in Schutz. "Jeder weiß, dass Generalsekretäre immer wieder auch etwas zugespitzt formulieren", sagte Stoiber. Die Grünen forderten den Rücktritt Söders. Massive Kritik kam auch von SPD und FDP.

Doch nicht nur in diesem Zusammenhang steht Söder derzeit mächtig unter Druck. Anfang Januar ist er 40 geworden. "Man wird damit wohl endgültig erwachsen und vielleicht auch ein bisschen altersmilde", beschrieb der CSU-Generalsekretär seine Gedanken zum runden Geburtstag. Kurz nach der Feier bekam Söder mit voller Wucht zu spüren, dass Erwachsensein kein Zuckerschlecken ist, schon gar nicht bei Politikern: Mit dem Sturz Edmund Stoibers begann für Söder der Kampf um sein politisches Überleben. Dabei fiel Söder auch in die alte Schwäche zurück, sich mit unbedachten Äußerungen ins Abseits zu stellen. Die Rücktrittsforderungen von SPD und Grünen wegen seines Drucks auf Bundespräsident Horst Köhler sind dabei aber weit weniger bedrohlich als die personelle Neuausrichtung der CSU.

Alleine der Blick auf die Liste der letzten CSU-Generalsekretäre dürfte Söder nachdenklich machen: Gerold Tandler, Erwin Huber, Bernd Protzner und Thomas Goppel heißen seine Vorgänger. Zwei davon, Huber und Goppel, sind als Belohnung für den Knochenjob ins Kabinett aufgestiegen. Die zwei anderen, Tandler und Protzner, wurden von ihrer Partei abserviert. An diesem politischen Scheideweg steht auch Söder, der der dienstälteste Generalsekretär der Bundestagsparteien ist. Wenn der CSU-Parteitag im September die Weichen für die Neuausrichtung der Christsozialen stellt, wird er nach dann knapp vier Jahren im Amt voraussichtlich zum letzten Mal in seiner bisherigen Funktion vor den Delegierten sprechen.

Beide Kandidaten für den CSU-Vorsitz signalisierten zumindest indirekt, dass Söder bei ihnen keine Zukunft hat. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer ist sauer auf den Franken, weil er sich früh im parteiinternen Wahlkampf auf die Seiten Hubers schlug. Huber selbst kündigte schon an, dass es im Herbst nicht nur im Amt des CSU-Chefs und Ministerpräsidenten, sondern auch an anderer Stelle Veränderungen geben könne. Dabei brachte er ins Spiel, dass auch eine Frau den Generalsekretärs-Posten bekommen könnte.

Bis zu den Tagen im Januar, an denen die CSU-Spitze Stoiber stürzte, durfte der verheiratete Vater von drei Kindern noch von einem baldigen Wechsel auf einen Ministerposten ausgehen. Es galt als ausgemachte Sache, dass Stoiber als sein politischer Ziehvater mit der nächsten Kabinettsumbildung auch Söder bedenken würde. Dieser machte sich in den Wochen vor dem Sturz auffallend oft Gedanken über eine ökologische Neuausrichtung der CSU, was bei Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf die Alarmglocken schrillen ließ. Mit dem Sturz Stoibers platzten die Träume Söders allerdings jäh.

"Markus Söder ist jemand, der schnell eine entsprechende Einschätzung nach draußen gibt, und in dieser Geschwindigkeit hat er sicherlich diesmal auch ein Mordstempo vorgelegt", sagte Söders Vorgänger Goppel leicht süffisant zu dessen angeblicher Drohung gegen Köhler. Das "Mordstempo" entspricht der früher in der CSU verbreiteten Auffassung, der ehemalige Fernsehredakteur spreche manchmal schneller, als er denke. Den Eindruck hatte er mit belächelten Kampagnen zur Rettung des Sandmännchens und zum Singen der Nationalhymne in Schulen geweckt.

Seine Kritiker konnte Söder trotz seines unbestrittenen Fleißes nie zum Verstummen bringen. Für diese sind die Geschehnisse um den Sturz Stoibers in Wildbad Kreuth auch die Bestätigung, dass es sich bei Söder eher um ein politisches Leichtgewicht handelt. Immer wieder forderten Parteifreunde ihn in dem damaligen Chaos auf, sich endlich energisch in der Öffentlichkeit hinter den Ministerpräsidenten und CSU-Chef zu stellen. Weil Söder stattdessen abtauchte, sind ihm bis heute viele in der Partei böse.

Allein an Günther Beckstein dürfte es deshalb jetzt liegen, was aus Söder wird. Der Nürnberger Beckstein kennt den Nürnberger Söder seit dessen politischen Anfängen, außer der Zuneigung zum 1. FC Nürnberg teilen beide auch den Hang zum Wertkonservativen. Am Dienstag stellte sich Beckstein offensiv hinter Söder - die Unterstützung des designierten bayerischen Ministerpräsidenten wird dieser dankbar zur Kenntnis genommen haben.

(Von Ralf Isermann, AFP)

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