Montag, 21. Mai 2007

Bundeswehr kritisiert Strategie für Afghanistan

Bei dem Selbstmordanschlag auf einem Markt in Kundus waren am Samstag drei Bundeswehrsoldaten und fünf afghanische Zivilisten getötet worden. Die Leichname der drei Soldaten sollen voraussichtlich am Mittwoch nach Köln gebracht und mit einem Trauergottesdienst geehrt werden.Vier der fünf beim Selbstmordanschlag in Afghanistan verletzten Bundeswehr-Soldaten sind wieder in Deutschland. Sie landeten am späten Sonntagabend an Bord eines Lazarett-Flugzeugs auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn. Zwei von ihnen werden noch im Bundeswehrkrankenhaus Koblenz behandelt. Ihr Zustand sei „stabil“ und „nicht lebensbedrohlich“, sagte ein Presseoffizier. Die beiden anderen Soldaten konnten die Klinik schon am Morgen verlassen. Unterdessen hat der Bundeswehrverband deutliche Kritik am Einsatz in Afghanistan geübt. In der SPD wird eine Beteiligung am von Amerika geführten Anti-Terror-Kampf im Süden des Landes in Frage gestellt.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, warf in der „Mitteldeutschen Zeitung“ die Frage auf, ob man es weiter verantworten könne, dass die Soldaten für eine Sache ihr Leben riskierten, deren Ausgang zweifelhaft sei. Gertz lehnte einen Rückzug der Bundeswehr ab, verlangte aber eine „radikale Änderung der Gesamtstrategie“. Ohne diese „laufen wir Gefahr, in Afghanistan zu scheitern“. Außer der Tatsache, dass dort Wahlen ermöglicht worden seien, „hat man kein wesentliches Ziel erreicht“. Deshalb müsse man „die Sinnfrage nach dem Einsatz in Afghanistan noch deutlicher stellen - so deutlich, dass sie nicht mehr überhört wird“.

„Es darf keinen Rückzug geben“

Während sich Vertreter von Bundesregierung, SPD und Union für einen Verbleib deutscher Soldaten in der Krisenregion aussprechen, wird in der SPD eine Beteiligung Deutschlands an der von Amerika geführten Operation Enduring Freedom (OEF) in Frage gestellt. Lediglich die Linksfraktion im Bundestag fordert, den Militäreinsatz am Hindukusch sofort zu beenden.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich „bestürzt“ über den „grausamen Anschlag“, aber auch entschlossen, die Mission fortzusetzen: „Es darf keinen aktuellen Rückzug geben.“ Nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Eckart von Klaeden bestünde bei einem Abzug die Gefahr, „dass Afghanistan wieder zu einem Rückzugsraum des transnationalen Terrorismus wird“, was auch die Sicherheit in Deutschland erheblich verschlechtern würde.

„Brauchen jetzt eine breite Debatte“

Ähnlich äußerte sich Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU). Die sogenannte Strategie der vernetzten Sicherheit habe sich in der Nato durchgesetzt, und man sei dabei, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Jung warb dafür, diese Strategie der Verbindung von militärischem Vorgehen mit humanitärer Hilfe auf ganz Afghanistan auszuweiten.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold mahnte eine Grundsatzdiskussion über Auslandseinsätze an. „Wir brauchen jetzt eine breite Debatte über die deutsche Verantwortung in der Welt“, sagte er. Arnold stellte zudem Änderungen am Einsatz des deutschen „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) im Rahmen der OEF in Aussicht.

Nach Einschätzung des SPD-Politikers Hans-Peter Bartels zeichnet sich ein Ausstieg der Bundeswehr aus der Mission OEF ab. Deutschland übernehme in Afghanistan Verantwortung für etwas, „das es politisch nicht beeinflussen kann“. Der SPD-Verteidigungsexperte Jörn Thießen sagte: „Wir werden OEF nicht verlängern.“ Die Gruppe der Kritiker in der Fraktion wachse. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen pflichtete dem bei: „Darüber müssen wir nachdenken, ob das die Ziele erreicht hat, die wir uns gemeinsam gesteckt haben. Ich habe da berechtigte Zweifel.“

„Den ganzen Auftrag prüfen“

Der SPD-Abgeordnete Ottmar Schreiner sagte: „Ich sehe keine tragfähige Zukunftsperspektive im zivilen Bereich, wodurch weitere militärische Interventionen gerechtfertigt werden können. Der gesamte Auftrag muss dringend auf den Prüfstand.“

Der stellvertretende Fraktionsvize der Grünen Jürgen Trittin warf den Vereinigten Staaten vor, mit ihren Militäroperationen den Erfolg der internationalen Schutztruppe Isaf zu gefährden. „Dass die USA dort mit Kommandoaktionen Krieg führen, das ist in der Tat etwas, das den Erfolg und übrigens das Leben auch unserer dort eingesetzten deutschen Soldaten und Entwicklungshelfer gefährdet.“

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