Diese Melange könnte einem Hollywood-Streifen entstammen: Ein Korruptions- und Geldwäscheskandal rund um ein russisches Telekommunikationskonglomerat, mittendrin ein ranghoher politischer Würdenträger, ehemalige Mitarbeiter einer deutschen Bank, ein dänischer Rechtsanwalt sowie Hunderte Tarnfirmen in Offshorezentren wie Zypern und den Bermudas. Diese Bausteine eines Wirtschaftskrimis sind freilich nicht erfunden, sondern ergeben die äußerst reale Geschichte über Veruntreuung staatlichen Eigentums, den undurchsichtigen Kampfs eines russischen Oligarchen gegen die Putin-Regierung und die korrupten Geschäftsmethoden im „wilden Osten“.
Es ist aber auch die Geschichte einer offenbar überforderten Frankfurter Justiz, die den Kampf gegen das operative Zentrum eines internationalen Geldwäscheapparats mit nur einem Staatsanwalt bestreitet – und das, obwohl sich die Hinweise auf eine direkte Verbindung zum Korruptionsskandal bei Siemens verdichten.
Die Ermittlungen gegen Andreas de Maizière wurden eingestellt
Seit fast drei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt wegen Geldwäsche gegen elf Beschuldigte, darunter einige ehemalige Mitarbeiter der Commerzbank. Im Kern geht es um den Vorwurf, die Beschuldigten hätten von Deutschland aus über Fonds- und Holdinggesellschaften der Offshorezentren Zypern und Bermudas einen Geldfluss organisiert, der verschleiern sollte, dass die Gelder durch Untreue zu Lasten des russischen Staates und durch Korruption erwirtschaftet wurden.
Wer ist „Zeuge Nummer 7“?
Im Zentrum der Verdächtigungen steht ein dänischer Anwalt, der angibt, seit den neunziger Jahren ein Imperium russischer Firmen aufgebaut zu haben. Die wichtigste Holding dieser Unternehmensgruppe ist der auf den Bermudas beheimatete IPOC International Growth Fund, der laut eigener Darstellung vor allem in Hochtechnologieunternehmen investiert. Ein Schiedsgericht – also ein privates Gericht, das ohne Einfluss des Staates entscheidet – in Zürich kam allerdings im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass der dänische Anwalt den tatsächlichen Besitzer dieser Holding verschleiert habe: Der wirtschaftliche Besitzer der IPOC sei – zumindest in den Jahren 2001 und 2002 – der „Zeuge Nummer 7“ gewesen.
Auch gegen Klaus-Peter Müller wird nicht mehr ermittelt
Wer ist dieser ominöse Zeuge Nummer 7? Im Schiedsgerichtsurteil vom 16. Mai 2006 heißt es, er sei „ein bedeutender hochrangiger Amtsträger mit Verantwortung für die (Telekommunikations-)Branche“. Das deutet auf den russischen Telekommunikationsminister Leonid Reiman hin. Reiman leugnet seine Verwicklung: Er sei nie ein direkter oder indirekter Eigner von Anteilen an den IPOC- Fonds gewesen.
Der 49 Jahre alte Minister gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin aus Sankt Petersburger Tagen und ist ein auf der internationalen politischen Bühne gerngesehener Gast. Erst vor zwei Monaten präsentierte sich Reiman gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Computermesse Cebit in Hannover, deren Partnerland Russland 2007 war. Dort fand die Kanzlerin warme Worte für das Engagement Russlands, Informationstechnologie und Telekommunikation intensiv zu fördern und die russisch-deutsche Partnerschaft auf weitere wichtige Wirtschaftsfelder zu erweitern.
Persönlich bereichert und Geld veruntreut
Das Schiedsgericht in der Schweiz rückt den russischen Amtsträger in ein gänzlich anderes Bild: Der Zeuge Nummer 7 habe sich bei der Privatisierung eines Telekommunikationsunternehmens auf Kosten des russischen Staates persönlich bereichert und damit nach russischem Recht die Straftat der Veruntreuung begangenen, heißt es im zweiten Teilschiedsspruch, der der F.A.Z. vorliegt. Das Schiedsgericht stützt sich auf Zeugenaussagen, nach denen unter anderem eine Tochtergesellschaft aus den Händen der staatlichen Telekom-Holding Svyazinvest nach und nach ohne entsprechende Gegenleistung in eine private Gesellschaft übertragen wurde. Aufsichtsratsvorsitzender der Svyazinvest ist der russische Telekommunikationsminister Reiman.
Schon zwei Jahre zuvor kam eine Untersuchung von Forensikern der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers zu dem Ergebnis, dass einige der Gesellschaften des weitverzweigten IPOC-Geflechts Tarnfirmen ohne operatives Geschäft oder eigene Mitarbeiter sind. In dem Report aus dem Jahr 2004 wird zudem der – durch das spätere Schiedsgerichtsurteil erhärtete – Verdacht geäußert, das die Aktivitäten der IPOC dem „üblichen Schema von Geldwäsche“ ähnelten.
Gesteuert wurde diese Geldwäsche offenbar aus Frankfurt heraus. Hier ermittelt der zuständige Staatsanwalt. Ein von ehemaligen sowie mittlerweile freigestellten Commerzbank-Mitarbeitern gegründetes Unternehmen soll die Geldwäsche unter anderem mit Hilfe der IPOC organisiert haben, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Ausgelöst wurden die Ermittlungen auch durch eine Strafanzeige der russischen Konglomerats Alfa Group. Deren Besitzer, der ebenfalls nicht gänzlich unumstrittene russische Oligarch Michael Friedman, streitet sich seit mehreren Jahren mit der IPOC über Anteile an einem weiteren russischen Telekommunikationsunternehmen namens Megafon. Der Rechtsstreit hat zeitweise Gerichte und Schiedsstellen in einem halben Dutzend Ländern beschäftigt.
„Ein typisches Flaschenhalsproblem“
Durch diese juristischen Scharmützel in unterschiedlichen Rechtsräumen wird die Luft für die IPOC-Gruppe allmählich dünner: Neben dem rechtskräftigen Züricher Urteil gibt es ein weiteres Schiedsgerichtsurteil aus Stockholm, das ebenfalls nicht zu Gunsten der IPOC ausfiel. Und selbst die Bermudas wollen nicht länger als Heimat für eine möglicherweise in Geldwäsche verwickelte Unternehmensgruppe herhalten: Im Februar beantragte die dortige Regierung die Abwicklung der IPOC International Growth Fund und acht mit ihr zusammenhängender Gesellschaften.
In Deutschland dagegen gehen die Ermittlungen eher schleppend voran. 15 bis 20 Ermittler des Bundeskriminalamtes haben sich jahrelang mit dem Fall beschäftigt, in sechs Ländern Durchsuchungen initiiert und eine immense Menge an Datenmaterial beschlagnahmt, die aneinandergelegt rund 200 Kilometer Papier entspricht. Mit diesen Aktenbergen beschäftigt sich nun ein einziger Staatsanwalt. Dieser wurde überdies mittlerweile von seinem bisherigen Posten als Dezernent der Abteilung Banken und Steuern der Frankfurter Staatsanwaltschaft zur Generalstaatsanwaltschaft befördert, hat den IPOC-Fall aber mitgenommen.
„Das ist nun ein typisches Flaschenhalsproblem. Der sitzt jetzt auf den Unterlagen und kann sie nicht bearbeiten, weil er dafür nicht freigestellt wird“, heißt es in Justizkreisen. Andere würden als Hobby angeln, der als äußerst profilierter Wirtschaftsrechtsexperte geltende Staatsanwalt habe diesen Fall, wird sarkastisch angemerkt.
Die „Eingreifreserve“ kommt nicht zum Zuge
Zur gleichen Zeit sind bei der Münchener Staatsanwaltschaft fünf Staatsanwälte damit beschäftigt, mit Hochdruck den Korruptionsskandal bei Siemens aufzuklären Im Gegensatz zu Frankfurt hat München – wie viele andere Großstädte – für derart heikle und schwergewichtige Fälle eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Dafür hat Hessen aber nach den Worten eines Sprechers des Justizministeriums eine „Eingreifreserve“ bei der Generalstaatsanwaltschaft, die aus acht Staatsanwälten bestehe und flexibel einsetzbar sei. Warum diese Reserve für den Geldwäsche-Fall nicht herangezogen werde, wollte er nicht kommentieren. „Hätte der Staatsanwalt einen zweiten Mann an seiner Seite, würde es viel schneller gehen“, heißt es in Justizkreisen.
Und so konzentrierte sich der Staatsanwalt zunächst auf die prominenteren Verdächtigen. Schon vor einem Jahr wurden entsprechende Ermittlungen gegen Commerzbank-Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller eingestellt. Vor einigen Wochen hat der Staatsanwalt die Beweiserhebung in einem weiteren Fall beendet: Das Verfahren gegen das ehemalige Commerzbank-Vorstandsmitglied Andreas de Maizière wurde nach Informationen der F.A.Z. in der vergangenen Woche ebenfalls eingestellt. De Maizière war vor zwei Jahren zurückgetreten, nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ihm vorgeworfen hatte, er habe es versäumt, die bankinterne Überwachungsstelle einzuschalten.
Das Ermittlungsverfahren gegen den dänischen Anwalt und eine Reihe ehemaliger Commerzbank-Mitarbeiter, die zum Teil nach ihrem Ausscheiden eine eigene, mit IPOC verbundene Gesellschaft gegründet haben, kommt dagegen nicht von der Stelle. Angeblich sollen die Verteidiger erst anfangs der zweiten Jahreshälfte Akteneinsicht erhalten. Eine Anklageerhebung in diesem Jahr ist damit nahezu ausgeschlossen. Der Verteidiger des dänischen Anwalts wollte die Vorwürfe gegen seinen Mandaten nicht kommentieren.
Verbindung zum Siemens-Skandal über Zypern?
Wie zu hören ist, hat der Staatsanwalt noch nicht einmal die Zeit gefunden, seine Kollegen in München zu besuchen. Das dürfte aber dringend notwendig sein, denn es verdichten sich die Hinweise einer Verbindung beider Fälle: Eine ebenfalls der IPOC zugerechnete russische Leasing-Gesellschaft wird von den Behörden verdächtigt, von internationalen Konzernen Bestechungsgelder kassiert zu haben. Das Leasingunternehmen sei der „bevorzugte Zulieferer“ der staatlichen Telekomholding Svyazinvest. Wer als Telekomausrüster an Svyazinvest liefern wolle, der müsse den Umweg über diese Gesellschaft nehmen, so lautet der Vorwurf.
Die Ermittler mutmaßen, das Unternehmen verlange Bestechungsgelder sowohl von den Ausrüstern als auch von Svyazinvest selbst. Vor kurzem erst feierten die Leasingfirma und Siemens, 1000 Geschäfte miteinander abgewickelt zu haben. Bislang können die Ermittler offenbar noch keinen direkten Geldfluss zwischen Siemens und IPOC beweisen. In Justizkreisen ist allerdings zu hören, das BKA suche derzeit nach einer Gesellschaft auf Zypern, die ebendiese Verbindung hergestellt habe.
Derweil fürchtet der Reiman-Gegner Friedman offenbar, dass ihm im Streit über die Megafon-Anteile die Felle davonschwimmen. Im März kommenden Jahres wird in Russland der Präsident gewählt, und die Unsicherheit über die Zeit danach ist groß. In seinem Interesse liegt somit eine schnelle Gerichtsentscheidung in Frankfurt. Er hofft darauf, dass das deutsche Gericht ein mögliches Geldwäsche-Urteil damit begründet, dass Reiman seine Besitztümer durch illegale Handlungen nach russischem Recht angehäuft hat. Das Kalkül: Würde ein deutsches Gericht dem russischen Bären mit diesen Argumenten auf der Nase herumtanzen, entstünde ein großer außenpolitischer Druck auf Putins Regierung.
Es ist aber auch die Geschichte einer offenbar überforderten Frankfurter Justiz, die den Kampf gegen das operative Zentrum eines internationalen Geldwäscheapparats mit nur einem Staatsanwalt bestreitet – und das, obwohl sich die Hinweise auf eine direkte Verbindung zum Korruptionsskandal bei Siemens verdichten.
Die Ermittlungen gegen Andreas de Maizière wurden eingestellt
Seit fast drei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt wegen Geldwäsche gegen elf Beschuldigte, darunter einige ehemalige Mitarbeiter der Commerzbank. Im Kern geht es um den Vorwurf, die Beschuldigten hätten von Deutschland aus über Fonds- und Holdinggesellschaften der Offshorezentren Zypern und Bermudas einen Geldfluss organisiert, der verschleiern sollte, dass die Gelder durch Untreue zu Lasten des russischen Staates und durch Korruption erwirtschaftet wurden.
Wer ist „Zeuge Nummer 7“?
Im Zentrum der Verdächtigungen steht ein dänischer Anwalt, der angibt, seit den neunziger Jahren ein Imperium russischer Firmen aufgebaut zu haben. Die wichtigste Holding dieser Unternehmensgruppe ist der auf den Bermudas beheimatete IPOC International Growth Fund, der laut eigener Darstellung vor allem in Hochtechnologieunternehmen investiert. Ein Schiedsgericht – also ein privates Gericht, das ohne Einfluss des Staates entscheidet – in Zürich kam allerdings im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass der dänische Anwalt den tatsächlichen Besitzer dieser Holding verschleiert habe: Der wirtschaftliche Besitzer der IPOC sei – zumindest in den Jahren 2001 und 2002 – der „Zeuge Nummer 7“ gewesen.
Auch gegen Klaus-Peter Müller wird nicht mehr ermittelt
Wer ist dieser ominöse Zeuge Nummer 7? Im Schiedsgerichtsurteil vom 16. Mai 2006 heißt es, er sei „ein bedeutender hochrangiger Amtsträger mit Verantwortung für die (Telekommunikations-)Branche“. Das deutet auf den russischen Telekommunikationsminister Leonid Reiman hin. Reiman leugnet seine Verwicklung: Er sei nie ein direkter oder indirekter Eigner von Anteilen an den IPOC- Fonds gewesen.
Der 49 Jahre alte Minister gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin aus Sankt Petersburger Tagen und ist ein auf der internationalen politischen Bühne gerngesehener Gast. Erst vor zwei Monaten präsentierte sich Reiman gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Computermesse Cebit in Hannover, deren Partnerland Russland 2007 war. Dort fand die Kanzlerin warme Worte für das Engagement Russlands, Informationstechnologie und Telekommunikation intensiv zu fördern und die russisch-deutsche Partnerschaft auf weitere wichtige Wirtschaftsfelder zu erweitern.
Persönlich bereichert und Geld veruntreut
Das Schiedsgericht in der Schweiz rückt den russischen Amtsträger in ein gänzlich anderes Bild: Der Zeuge Nummer 7 habe sich bei der Privatisierung eines Telekommunikationsunternehmens auf Kosten des russischen Staates persönlich bereichert und damit nach russischem Recht die Straftat der Veruntreuung begangenen, heißt es im zweiten Teilschiedsspruch, der der F.A.Z. vorliegt. Das Schiedsgericht stützt sich auf Zeugenaussagen, nach denen unter anderem eine Tochtergesellschaft aus den Händen der staatlichen Telekom-Holding Svyazinvest nach und nach ohne entsprechende Gegenleistung in eine private Gesellschaft übertragen wurde. Aufsichtsratsvorsitzender der Svyazinvest ist der russische Telekommunikationsminister Reiman.
Schon zwei Jahre zuvor kam eine Untersuchung von Forensikern der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers zu dem Ergebnis, dass einige der Gesellschaften des weitverzweigten IPOC-Geflechts Tarnfirmen ohne operatives Geschäft oder eigene Mitarbeiter sind. In dem Report aus dem Jahr 2004 wird zudem der – durch das spätere Schiedsgerichtsurteil erhärtete – Verdacht geäußert, das die Aktivitäten der IPOC dem „üblichen Schema von Geldwäsche“ ähnelten.
Gesteuert wurde diese Geldwäsche offenbar aus Frankfurt heraus. Hier ermittelt der zuständige Staatsanwalt. Ein von ehemaligen sowie mittlerweile freigestellten Commerzbank-Mitarbeitern gegründetes Unternehmen soll die Geldwäsche unter anderem mit Hilfe der IPOC organisiert haben, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Ausgelöst wurden die Ermittlungen auch durch eine Strafanzeige der russischen Konglomerats Alfa Group. Deren Besitzer, der ebenfalls nicht gänzlich unumstrittene russische Oligarch Michael Friedman, streitet sich seit mehreren Jahren mit der IPOC über Anteile an einem weiteren russischen Telekommunikationsunternehmen namens Megafon. Der Rechtsstreit hat zeitweise Gerichte und Schiedsstellen in einem halben Dutzend Ländern beschäftigt.
„Ein typisches Flaschenhalsproblem“
Durch diese juristischen Scharmützel in unterschiedlichen Rechtsräumen wird die Luft für die IPOC-Gruppe allmählich dünner: Neben dem rechtskräftigen Züricher Urteil gibt es ein weiteres Schiedsgerichtsurteil aus Stockholm, das ebenfalls nicht zu Gunsten der IPOC ausfiel. Und selbst die Bermudas wollen nicht länger als Heimat für eine möglicherweise in Geldwäsche verwickelte Unternehmensgruppe herhalten: Im Februar beantragte die dortige Regierung die Abwicklung der IPOC International Growth Fund und acht mit ihr zusammenhängender Gesellschaften.
In Deutschland dagegen gehen die Ermittlungen eher schleppend voran. 15 bis 20 Ermittler des Bundeskriminalamtes haben sich jahrelang mit dem Fall beschäftigt, in sechs Ländern Durchsuchungen initiiert und eine immense Menge an Datenmaterial beschlagnahmt, die aneinandergelegt rund 200 Kilometer Papier entspricht. Mit diesen Aktenbergen beschäftigt sich nun ein einziger Staatsanwalt. Dieser wurde überdies mittlerweile von seinem bisherigen Posten als Dezernent der Abteilung Banken und Steuern der Frankfurter Staatsanwaltschaft zur Generalstaatsanwaltschaft befördert, hat den IPOC-Fall aber mitgenommen.
„Das ist nun ein typisches Flaschenhalsproblem. Der sitzt jetzt auf den Unterlagen und kann sie nicht bearbeiten, weil er dafür nicht freigestellt wird“, heißt es in Justizkreisen. Andere würden als Hobby angeln, der als äußerst profilierter Wirtschaftsrechtsexperte geltende Staatsanwalt habe diesen Fall, wird sarkastisch angemerkt.
Die „Eingreifreserve“ kommt nicht zum Zuge
Zur gleichen Zeit sind bei der Münchener Staatsanwaltschaft fünf Staatsanwälte damit beschäftigt, mit Hochdruck den Korruptionsskandal bei Siemens aufzuklären Im Gegensatz zu Frankfurt hat München – wie viele andere Großstädte – für derart heikle und schwergewichtige Fälle eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Dafür hat Hessen aber nach den Worten eines Sprechers des Justizministeriums eine „Eingreifreserve“ bei der Generalstaatsanwaltschaft, die aus acht Staatsanwälten bestehe und flexibel einsetzbar sei. Warum diese Reserve für den Geldwäsche-Fall nicht herangezogen werde, wollte er nicht kommentieren. „Hätte der Staatsanwalt einen zweiten Mann an seiner Seite, würde es viel schneller gehen“, heißt es in Justizkreisen.
Und so konzentrierte sich der Staatsanwalt zunächst auf die prominenteren Verdächtigen. Schon vor einem Jahr wurden entsprechende Ermittlungen gegen Commerzbank-Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller eingestellt. Vor einigen Wochen hat der Staatsanwalt die Beweiserhebung in einem weiteren Fall beendet: Das Verfahren gegen das ehemalige Commerzbank-Vorstandsmitglied Andreas de Maizière wurde nach Informationen der F.A.Z. in der vergangenen Woche ebenfalls eingestellt. De Maizière war vor zwei Jahren zurückgetreten, nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ihm vorgeworfen hatte, er habe es versäumt, die bankinterne Überwachungsstelle einzuschalten.
Das Ermittlungsverfahren gegen den dänischen Anwalt und eine Reihe ehemaliger Commerzbank-Mitarbeiter, die zum Teil nach ihrem Ausscheiden eine eigene, mit IPOC verbundene Gesellschaft gegründet haben, kommt dagegen nicht von der Stelle. Angeblich sollen die Verteidiger erst anfangs der zweiten Jahreshälfte Akteneinsicht erhalten. Eine Anklageerhebung in diesem Jahr ist damit nahezu ausgeschlossen. Der Verteidiger des dänischen Anwalts wollte die Vorwürfe gegen seinen Mandaten nicht kommentieren.
Verbindung zum Siemens-Skandal über Zypern?
Wie zu hören ist, hat der Staatsanwalt noch nicht einmal die Zeit gefunden, seine Kollegen in München zu besuchen. Das dürfte aber dringend notwendig sein, denn es verdichten sich die Hinweise einer Verbindung beider Fälle: Eine ebenfalls der IPOC zugerechnete russische Leasing-Gesellschaft wird von den Behörden verdächtigt, von internationalen Konzernen Bestechungsgelder kassiert zu haben. Das Leasingunternehmen sei der „bevorzugte Zulieferer“ der staatlichen Telekomholding Svyazinvest. Wer als Telekomausrüster an Svyazinvest liefern wolle, der müsse den Umweg über diese Gesellschaft nehmen, so lautet der Vorwurf.
Die Ermittler mutmaßen, das Unternehmen verlange Bestechungsgelder sowohl von den Ausrüstern als auch von Svyazinvest selbst. Vor kurzem erst feierten die Leasingfirma und Siemens, 1000 Geschäfte miteinander abgewickelt zu haben. Bislang können die Ermittler offenbar noch keinen direkten Geldfluss zwischen Siemens und IPOC beweisen. In Justizkreisen ist allerdings zu hören, das BKA suche derzeit nach einer Gesellschaft auf Zypern, die ebendiese Verbindung hergestellt habe.
Derweil fürchtet der Reiman-Gegner Friedman offenbar, dass ihm im Streit über die Megafon-Anteile die Felle davonschwimmen. Im März kommenden Jahres wird in Russland der Präsident gewählt, und die Unsicherheit über die Zeit danach ist groß. In seinem Interesse liegt somit eine schnelle Gerichtsentscheidung in Frankfurt. Er hofft darauf, dass das deutsche Gericht ein mögliches Geldwäsche-Urteil damit begründet, dass Reiman seine Besitztümer durch illegale Handlungen nach russischem Recht angehäuft hat. Das Kalkül: Würde ein deutsches Gericht dem russischen Bären mit diesen Argumenten auf der Nase herumtanzen, entstünde ein großer außenpolitischer Druck auf Putins Regierung.
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