Mittwoch, 30. Mai 2007

Therapie für Pädophile

Forschungsprojekt will sexuellen Übergriffen auf Kinder vorbeugen

Von Volkart Wildermuth

Medizin. - Seit zwei Jahren versucht ein Projekt an der Berliner Charite, Männer mit pädophilen Neigungen zu therapieren und so Übergriffen vorzubeugen. Die erste Gruppe von 18 Männern hat die Therapie inzwischen durchlaufen. Die Ergebnisse wurden heute in Berlin vorgestellt.

"Lieben sie kinder mehr als ihnen lieb ist?" - diese Frage war vor zwei Jahren auf Plakatwänden zu lesen, sie wurde in Fernsehspots gestellt. Forscher von der Berliner Charité suchten auf diesem Weg Männer, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und Angst hatten, aus diesem Grund Kinder zu missbrauchen. Dieses Unrechtsbewusstsein ist durchaus verbreitet. Dem Kieler Sexualtherapeut Professor Hartmut Bosinski haben viele verurteilte Sexualstraftätern in der Therapie erzählt, dass sich schon vor dem ersten Kindesmissbrauch Hilfe gesucht hatten.

Die Reaktion der von ihnen kontaktierten Ärzte reichte von: "Verlassen Sie sofort meine Praxis" mit "Ja, wenn es nur Fantasien sind, da weiß ich nicht" oder auch: "Ich kann ihnen da nicht helfen, gehen Sie doch mal zum Psychologen".

Über 500 Männer haben sich nach dem Aufruf bei der Charité gemeldet, immer noch gibt es jede Woche zwischen zehn und zwanzig Anfragen. Über die Hälfte dieser Männer gab an, schon einmal sexuellen Kontakt zu Kindern gehabt zu haben. Grund war nicht immer eine Pädophilie, viele dieser Männer werden nicht in erster Linie vom kindlichen Körper sexuell erregt, sie suchen sich einfach das schwächste Opfer für ihre Wut. Etwa der Hälfte der genauer untersuchten Männer zeigte aber eine eindeutige Pädophilie. Ihnen wurde eine Therapie angeboten. Die erste Gruppe von 18 Männern hat sie inzwischen durchlaufen. Ihnen wurde als zentrale Botschaft vermittelt:

An der Neigung bist du nicht schuld, aber an dem Verhalten. Du musst also dafür sorgen, dass aus der Neigung kein Verhalten wird,

erläutert der Leiter des Projekts, der Sexualwissenschaftler Professor Klaus Beier von der Charité. Die pädophile Neigung bildet sich in der Pubertät heraus und bleibt dann ein Leben lang bestehen. Die Männer müssen in der Therapie also lernen, sich zu kontrollieren. Das fängt bei kleinen Dingen an, wie beispielsweise nicht täglich an einem Spielplatz vorbei zu gehen. Der erste Schritt in diese Richtung ist der Abbau von Selbstrechtfertigungen.

Ich kann eigentlich nichts dafür, es kommt von selbst, ich kann es nicht beeinflussen, oder eben Gesellschaft macht aus sexuellen Handlungen mit Kindern eine viel zu große Sache, also wegweisen, keine Verantwortungsübernahme.

Solche Einstellung lassen sich tatsächlich in der Therapie beeinflussen, das zeigen die ersten Ergebnisse aus Berlin, dagegen gelang es kaum, den Männern Mitgefühl mit den Kindern zu vermitteln. Die entscheidende Frage lautet natürlich: Führt eine veränderte Einstellung auch zu einem veränderten Verhalten? Die Antwort darauf muss vage ausfallen, zu klein ist die Zahl der Behandelten, zu kurz die Nachbeobachtungszeit. Fest steht aber, dass einer der Männer noch während der Therapie ein Kind sexuell motiviert berührte, den Übergriff dann aber abbrach.

Also, das werten wir als Erfolg der Behandlung, dass er erkennt, dies ist jetzt ganz falsch und ich hab diese Kontrolle noch nicht, die ich brauche. Und zusätzlich noch das Wissen nutzt, das er auch erlangt hatte im Programm über die Nutzung von Medikamenten, und das dann in Anspruch nahm.

Die Medikamente blockieren die Wirkung des Sexualhormons Testosteron und dämpfen so die sexuelle Erregbarkeit. Von den 18 Männern nehmen sie inzwischen fünf regelmäßig ein, auch das ein Erfolg der Therapie. Derzeit wird eine zweite Gruppe von 17 Männern behandelt, 45 weitere stehen auf der Warteliste. Da die Finanzierung der Studie ausläuft, ist unklar was mit ihnen geschehen wird. In Berlin forderten die Forscher, Ärztevertreter und die Vorsitzende der Stiftung Hänsel und Gretel Barbara Schäfer-Wiegand nicht nur, die Studie fortzusetzen, sondern gleich komplette Versorgungsstrukturen für therapiewillige Pädophile.

Wir brauchen also entsprechende Ambulanzen in der Fläche unseres Landes, wir brauchen die entsprechenden Therapeuten und die können das alles nicht um Gottes Lohn machen, wir brauche eine Abrechenbarkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Dass es dafür einen Bedarf gibt, steht seit der Berliner Studie fest. Ob die Therapien und Medikamente es den Pädophilen aber tatsächlich erlauben, ihre Neigungen dauerhaft zu kontrollieren und einen weiten Bogen um jedes Kind zu machen, dass lässt sich aus den bisher vorliegenden Daten noch nicht abschätzen.

Therapie für Pädophile

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