Montag, 31. August 2009

Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch

Von Ole Reißmann

Wurden die Landtagswahlen unzulässig beeinflusst? Gut 90 Minuten, bevor die Wahllokale schlossen, kursierten Prognosen im Internet. Unter anderem wurde dafür der Twitter-Account eines CDU-Politikers genutzt. Der streitet die Indiskretion ab - den Zugang hat er inzwischen gelöscht.

Hamburg - Die ersten Prognosen zu den Landtagswahlen kursierten bereits am Nachmittag im Internet, vor Schließung der Wahllokale. Über den Kurznachrichtendienst Twitter gaben zwei Nutzer gegen 16.30 Uhr Zahlen für das Saarland, Sachsen und Thüringen bekannt.

Dabei dürfen die sogenannten Exit-Polls, Umfragen am Tag der Stimmabgabe, nicht öffentlich gemacht werden. Die Wahl könnte, so die Befürchtung, sonst unzulässig beeinflusst werden. Die Wahlgesetze von Bund und Ländern verbieten das ausdrücklich - wer dennoch Umfrageergebnisse verrät, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Darauf steht eine Strafe von bis zu 50.000 Euro.

Quellen für ihre Zahlen nannten die beiden Twitter-Nutzer nicht - doch ihre Prognosen weichen nur wenig von den ersten Ergebnissen ab, die um 18 Uhr im Fernsehen veröffentlicht wurden. Mal sind sie um ein Prozent zu hoch, mal um ein halbes Prozent zu niedrig. Fast alle Zahlen ähneln den Prognosen so sehr, dass sie kaum geraten sein können. Und sie gleichen den Exit-Polls, über die die Parteien und damit auch Journalisten schon am Nachmittag des Wahlsonntags informiert wurden. Sie können die Exit-Polls gut gebrauchen, um ihre ersten Reaktionen und Statements vorzubereiten. Bisher wussten sie mit diesem Privileg umzugehen - und hielten dicht.

"Sehr problematisch" findet das der stellvertretende Landeswahlleiter von Sachsen, Uwe Reimund Korzen-Krüger, denn auch den Verrat. Man werde rechtliche Schritte prüfen, "wenn sich herausstellt, dass Ergebnisse vor 18 Uhr veröffentlicht wurden, die nicht nur auf Hörensagen, sondern auf Umfrageergebnissen nach der Stimmabgabe beruhen", sagte er SPIEGEL ONLINE.

CDU-Twitterer: "Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat"

Doch das mit der Geheimhaltung war einmal. Seitdem die Eingeweihten sich nicht nur gegenseitig SMS schicken - von Telefon zu Telefon -, sondern auch den Kurznachrichtendienst Twitter im Internet verwenden. Dass Horst Köhler im Mai dieses Jahres erneut zum Bundespräsidenten gewählt wurde, sollte eigentlich der Präsident des Bundestags feierlich verkünden. Doch bevor Norbert Lammert ans Mikrofon trat, hatten zwei Abgeordnete aus SPD und CDU die Wiederwahl Köhlers mit einer Kurznachricht im Internet bekanntgegeben.

Angesichts der neuen Gesprächigkeit warnt Bundeswahlleiter Roderich Egeler schon vor einer Katastrophe bei der Bundestagswahl: "Es wäre der GAU, wenn die Wählerbefragungen vor Schließung der Wahllokale öffentlich bekanntwürden." Denn wenn sich herausstellen sollte, dass die vorab herausposaunten Exit-Polls die Wahlen beeinflusst haben, könnten die Abstimmung nachträglich angefochten und für ungültig erklärt werden - wie jetzt auch bei den Landtagswahlen.

Einer der Twitter-Accounts, über den die Wahlprognosen ins Netz sickerten, wurde mittlerweile abgeschaltet. Es ist der Zugang von Patrick Rudolph, CDU-Vorsitzender im Stadtverband Radebeul. "Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat", sagte Rudolph auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE. Er sei es jedenfalls nicht gewesen - und habe den Account deswegen gelöscht.

Da hatten die Zahlen aber bereits die Runde in dem Kurznachrichten-Kosmos gemacht, waren unaufhaltsam wiederholt und kopiert worden.

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