Donnerstag, 6. August 2009

Homophobie-Urteil in Polen

Politiker kritisieren Richterin

Das Kreisgericht in Stettin hat eine Polin zu einer Geldstrafe von 15.000 Zloty (3.700 Euro) verurteilt, weil sie ihren Nachbarn als "Pedal" (polnisch = Schwuchtel) beschimpft hatte – konservativen Politikern ist das Urteil zu hart.

Die 44-jährige Anna S. habe das Recht des Klägers "auf Würde und ein Privatleben" verletzt, erklärte Richterin Urszula Chmielewska. Es sei erwiesen, dass die Angeklagte den
25-jährigen Ryszard Giersz in einem Supermarkt in der Kleinstadt Wolin unerwartet und in Gegenwart von anderen Kunden mit lauter Stimme beleidigt habe. "Schaut, die Schwuchtel hat eine andere Schwuchtel mitgebracht", hatte sie gesagt. Nach Ansicht der Richterin ist das Wort "Schwuchtel" beleidigend angewendet worden. Außerdem habe Giersz das Recht, selbst zu entscheiden, wen er über seine sexuelle Ausrichtung informiert.

Dabei handelte es sich nicht um einen Einzelfall, denn S. hatte ihren Nachbarn wiederholt und unaufgefordert wegen dessen Sexualität kritisiert. Einmal habe sie den Berichtspapieren zufolge öffentlich gesagt: "Habe die Schwuchteln wieder für einen Fick in den Park gehen sehen."

Kritik am Stettiner Urteil kommt aus der Politik: So erklärte Pawel Poncyliusz von der rechtspopulistischen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), dass "Schwuchtel" zwar ein "flegelhafter Ausdruck" sei. Er selbst würde ihn zwar nicht verwenden, aber er sei nicht
schlimm genug, um für den Gebrauch des Wortes bestraft zu werden. Die PiS ist die Partei von Präsident Lech Kaczynski.

Auch aus der Regierung kommt Richterschelte: Parlamentsvizepräsident Stefan Niesiolowski von der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) erklärte, das Schmerzensgeld sei "unwahrscheinlich hoch". Niesiolowski hatte bereits im vergangenen Jahr ein Kinderverbot für Schwule und Lesben gefordert. Die oppositionellen Sozialdemokraten begrüßten das Urteil dagegen. Eine Sprecherin erklärte, dass "Schwuchtel" neben "Jude" das am meisten gebrauchte Schimpfwort in Polen sei. Polen zählt zu den homofeindlichsten Ländern der Europäischen Union. Eine Mehrheit der Bevölkerung spricht sich gegen Homo-Rechte aus.

Auf Druck von Präsident Lech Kaczynski wird in Polen auch die EU-Grundrechtecharta kommendes Jahr nicht in Kraft treten. In der Charta ist auch die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben festgelegt. Kaczynski hat bei Verhandlungen ein Opt-out aus der EU-Menschenrechtserklärung für sein Land erreicht. Auch Großbritannien erreichte ein Opt-out - die britische Regierung fürchtete allerdings nicht die Rechtsvorschriften für sexuelle Minderheiten, sondern die Erweiterung der Arbeitnehmer-Rechte.
In Deutschland und den anderen EU-Ländern soll die Charta voraussichtlich im Januar 2010 in Kraft treten, falls die Iren bei einer Volksabstimmung im Herbst für den Vertrag von Lissabon votieren. Diesem ist die Charta angehängt. Eine in Deutschland von Linkspartei und CSU-Politikern angestrengte Klage gegen den Lissabon-Vertrag ist vor einem Monat beim Bundesverfassungsgericht gescheitert.

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